Eine Lehrerin ist sie nicht. Trotzdem lehrt sie. Woche für Woche. Und das mit 76 Jahren. Christl Dralle ist Bildungspatin und paukt seit sechs Jahren im Einzelunterricht mit Kindern. Eine Zusammenarbeit, die in erster Linie Kindern und ihren Eltern viel bringt. Aber auch der Kitzingerin selbst: „Da kommt ganz viel zurück.“
Das Patenprojekt des Mehrgenerationenhauses St. Elisabeth in Kitzingen wurde vor sechs Jahren gegründet. Dort engagieren sich Frauen und Männer aus Kitzingen und dem ganzen Landkreis. „Viele, vor allem ältere Mitbürger sind als Bildungspaten aktiv geworden“, erzählt Petra Dlugosch vom Mehrgenerationenhaus. „Sie helfen ihren Schützlingen, versäumte oder defizitär erarbeitete Lerninhalte aufzuarbeiten.“ Es ist eine Art der Nachhilfe, die auch oft genutzt wird, wenn Kinder vor dem Übertritt in eine weiterführende Schule stehen.
Mutmacher und Schulterklopfer
Ein guter Schulabschluss ist wichtig, um später eine Lehrstelle zu finden. Und nur eine gute Berufsausbildung ermöglicht ein Leben ohne staatliche Unterstützung, so Dlugosch. Über 2,5 Millionen deutsche Kinder leben in relativer Armut, zitiert sie Berichte des deutschen Kinderschutzbundes. Studien zeigen, dass diese Kinder schlechtere Chancen auf einen guten Bildungsabschluss haben, stärker in ihrer körperlichen und gesundheitlichen Entwicklung eingeschränkt sind. Alle Kinder aus bedürftigen Familien hätten den Wunsch, einmal ohne finanzielle Sorgen zu leben, weiß die Projektleiterin. „Dazu brauchen die Kinder Vorbilder und Mentoren, Mutmacher und Schulterklopfer.“ Menschen wie Christl Dralle.
Die Paten können als Wegbereiter und Tröster fungieren, können den Kindern dabei helfen, ihre Stärken zu entwickeln und Niederlagen zu verkraften. „Viele Jugendliche haben mit Hilfe der Paten schon ihren Weg gefunden, die Schule erfolgreich beendet oder eine passende Ausbildung begonnen“, so die Erfahrung von Petra Dlugosch.
„Man kann den Kindern ganz viel mitgeben“, sagt auch Christl Dralle. Vor etwa sechs Jahren hat sie damit begonnen, einen türkischen Jungen beim Deutsch- und Mathematiklernen zu unterstützen. 17 Jahre war sie damals schon ehrenamtlich im Seniorenheim tätig. „Da wollte ich als Ausgleich auch was mit Kindern machen“, erzählt sie. Sie hat der Familie zugesagt, für die Treffen die Räume im Altenheim genutzt. Zweieinhalb Jahre hat Christl Dralle mit dem Jungen gearbeitet, dann kam ein weiterer Schüler hinzu, es folgten immer wieder neue. Längst sind es nicht mehr nur Kinder mit Migrationshintergrund, sondern auch Kinder, die vor dem Wechsel in die höhere Schule stehen, oder Kinder, deren Eltern berufstätig sind und nicht viel Zeit haben. Neun bis zwölf Jahre sind die Schüler meist alt, mit denen Christl Dralle arbeitet, momentan sind es drei. Die Kinder kommen gerne: „Die fragen schon immer am Anfang, was wir diesmal machen“, erzählt die 76-Jährige. Schon alleine weil der Unterricht einzeln erfolgt, ist er intensiv und bringt damit viel. Und wenn die Kinder Erfolg haben, sind sie mit viel Freude dabei. Doch auch gegenseitige Sympathie ist nötig, damit die Zusammenarbeit Früchte trägt, findet Dralle. Um richtig auf die Jungen und Mädchen eingehen zu können, will sie auch die Hintergründe der Familie kennen, nimmt Kontakt mit den Eltern auf.
Bei den Bildungspaten geht es laut Christl Dralle nicht um Hausaufgabenbetreuung, sie spricht von einer „Förderung auf spielerische Art“. Damit es nicht nur informativ, sondern auch abwechslungsreich und unterhaltsam bleibt, bereitet auch sie selbst sich auf den Unterricht vor. Mehrere Stunden investiert sie so jede Woche in das Projekt.
Paten auch für die Kleinsten
Doch das Patenprojekt hat nicht nur die Bildung im Blick. Vor allem Alleinerziehenden fehlt oft eine Großmutter oder ein Großvater. Menschen, die im Notfall einspringen, wenn die berufstätige alleinerziehende Mutter einmal überlastet ist. „Da ist schon ein gemeinsamer Schwimmbadbesuch etwas Besonderes“, sagt Petra Dlugosch. Oder mal mit den Kleinen zwei Stunden zum Spielplatz zu gehen, damit die Mutter den Haushalt in Ruhe erledigen kann. „Wir suchen für unser Patenprojekt im Moment liebe Großmütter und Großväter, die ein- bis zweimal pro Woche Lust haben, mit den Kleinen Bilderbücher anzusehen, die Enten am Main zu beobachten, Sandburgen zu bauen oder die erklären können, warum dem Blitz bei Gewitter immer ein Donner folgt“, erklärt die Projektleiterin. Kleine Aufgaben also – aber mit großer Wirkung.
Kontakt
Beim Kitzinger Patenprojekt arbeiten Schulsozialarbeiter, die Schwangerenberatung des Gesundheitsamtes, das Mehrgenerationenhaus und die Erziehungsberatungsstelle zusammen, um die Bedürfnisse der Familien mit den Wünschen der Paten in Einklang zu bringen. Wer mehr erfahren möchte über Möglichkeiten, Kindern in Kitzingen und den Landkreisgemeinden zu helfen, wendet sich an Petra Dlugosch. Sie ist erreichbar unter Tel. (0 93 21) 9 16 54 22 (Dienstag und Mittwoch) oder per E-Mail jederzeit unter petra.dlugosch@st-elisabeth-kitzingen.de