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RÖDELSEE/MAINBERNHEIM: Entlastung für den Hausarzt: Ein Lächeln für „Verah“

RÖDELSEE/MAINBERNHEIM

Entlastung für den Hausarzt: Ein Lächeln für „Verah“

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    Zwei, die sich mögen: Rosa Winkler freut sich, wenn „ihre“ VERAH, Simone Schöderlein, zum Blutdruckmessen kommt. Fotos: Julia Volkamer
    Zwei, die sich mögen: Rosa Winkler freut sich, wenn „ihre“ VERAH, Simone Schöderlein, zum Blutdruckmessen kommt. Fotos: Julia Volkamer Foto: Julia Volkamer

    Mit wachen Augen blickt Rosa Winkler ihr Gegenüber an. „Dich kenne ich doch schon lange“, sagt sie, und Simone Schöderlein muss lachen. „Mindestens schon 20 Jahre, Frau Winkler.“ Inzwischen hat die medizinische Fachangestellte der 99-Jährigen die Manschette an den Arm gelegt, um den Blutdruck zu messen. Während sie die Werte abliest, wandert Rosa Winklers Blick zu ihrer Tochter Gertrud. „Wos is?“, fragt sie in feinstem Fränkisch und bringt wiederum alle zum Lächeln. „Das sind die Momente“, erklärt Simone Schöderlein, die an diesem Morgen als Verah nach Rödelsee gekommen ist: als Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis. „Genau deswegen ist mein Beruf wirklich zu meinem Traumjob geworden.“

    Simone Schöderlein ist eine von drei Verahs in der Mainbernheimer Gemeinschaftspraxis Dr. Bedö und Möhringer. Sie hat die Weiterbildung, die vom Bayerischen Hausärzteverband angeboten wird, im Jahr 2014 absolviert. Die dienstälteste Verah ist Monika Tröbacher. „Die Ärzteschaft ist damals auf mich zugekommen und hat mir vorgeschlagen, die Fortbildung zur Versorgungsassistenz zu machen“, erinnert sie sich an das Jahr 2011. „Ich musste nicht lange überlegen.“ Schließlich bedeuten die Hausbesuche, die sie bei den überwiegend sehr alten, nicht mobilen Patienten erledigt, eine willkommene Abwechslung zum Praxisalltag. Und natürlich eine Entlastung für die Ärzte. „Ich finde es klasse, dass es die Verahs gibt“, erklärt Alexandra Möhringer. „Sie bedeuten sowohl für uns Ärzte als auch für den Patienten und die Angehörigen eine große Unterstützung.“

    Rosa Winkler verbringt ihre Zeit überwiegend daheim. Sie ist dement, kann kaum mehr laufen. Tochter Gertrud Mog wohnt mit Ehemann Klaus im gleichen Haus und pflegt ihre Mutter. „Ich lasse sie eigentlich nie alleine“, erklärt sie. Unterstützung bekomme sie von ihrem Mann, wenn die beiden einen Termin haben, kommt die Schwester und passt auf „Omma“ auf. Und natürlich ist Gertrud Mog froh darüber, dass Simone Schöderlein ins Haus kommt. „Es ist inzwischen schon eine große Aktion, die Oma ins Auto zu kriegen“, weiß Gertrud Mog, und Gatte Klaus ergänzt: „Das schaffen wir inzwischen nur noch zu zweit.“

    Dass ihre Hausarztpraxis den Verah-Service anbietet, wissen die beiden sehr zu schätzen. Und Simone Schöderlein nimmt sich gerne die Zeit, während der alle vier Wochen anstehenden Blutabnahme auch mal ein Pläuschchen mit der Seniorin zu halten und nachzuhören, wie es ihr so geht. „Zu Hause geben sich die Leute anders als in der Praxis, sind entspannter und offener.“

    Zusatzinformationen für den Arzt

    Das sieht auch Dr. Michael Bedö so. „Durch diese Hausbesuche erhalten wir Zusatzinformationen, die uns eine Behandlung oft erleichtern“, erklärt er. „Wir Ärzte sind in der Sprechstunde auch zeitlich oft so gebunden, dass wir zusätzliche Hausbesuche nicht mehr leisten können“. Die Verahs schaffen mit ihrem Einsatz mehr Zeit bis zum ärztlichen Hausbesuch. „Letztendlich darf aber auch eine Verah in einem akuten Behandlungsfall keine eigenständige Therapieentscheidung treffen.“ Müsse zum Beispiel eine Wunde versorgt werden, muss alles, was an Verbandsmaterial benötigt wird, trotzdem vom Arzt rezeptiert und verantwortet werden. „Dabei wissen die politischen Systeme, dass es einen Mangel an Arztzeit gibt und dass wir Entlastung brauchen.“ Dass er drei Versorgungsassistentinnen in der Praxis habe, erleichtere ihm schon ein Stück weit die Arbeit, die Kompetenzen gehen seiner Meinung nach aber nicht weit genug.

    Somit sieht er die Ausbildung von dreien seiner am besten qualifizierten Mitarbeiterinnen vornehmlich als „Service am Patienten“. Neben Simone Schöderlein und Monika Tröbacher hat im letzten Jahr auch Selina Räth die Fortbildung absolviert. Sie teilt sich auf in den theoretischen Teil mit 106 Unterrichtsstunden und den praktischen Teil mit 40 Stunden Praktikum in Einrichtungen wie einem ambulanten Pflegedienst oder einem Sanitätshaus. „Wir haben unsere Mitarbeiterinnen gerne dafür freigestellt“, erklärt Dr. Bedö. „Die Mitarbeiterqualifikation, die Erfahrung und das Wissen um Patienten und die Einsparung von Sprechstundenzeit sind natürlich ein Gewinn für die Praxis und die Patienten.“

    Weil die Vergütung der Hausbesuche eher bescheiden ausfällt, werden sich überwiegend die großen Praxen des Landkreises ihre Verahs leisten. Die Versorgungsassistentinnen der Mainbernheimer Gemeinschaftspraxis sind jeweils einen Vormittag in der Woche unterwegs, jeder Besuch wird mit 18 Euro vergütet. „Unsere Einnahmesituation wird durch die Verahs nicht beeinflusst“, sagt Dr. Bedö. „Die Verah spart durch ihre fachliche Beratung und ihr Mitgefühl allerdings Sprechstundenzeit ein. Das nützt dem Patient und entlastet die Ressource verfügbare Arztzeit.“ Die zusätzliche Vergütung der Verah-Tätigkeit decke im Wesentlichen die Kosten, ein wirtschaftlicher Gewinn entsteht nicht.

    Von der Politik erhofft sich der Sprecher des Gesundheitsnetzes Kitzinger Land dabei keine Hilfe: „Ärztemangel und Kapazitätsprobleme im Gesundheitssystem werden schöngerechnet. Die Kassen und damit die Politik verweigern eine leistungsgerechte Vergütung. Und der Personalmangel besteht längst auf allen Ebenen des Gesundheitssystems.“

    Und trotzdem wird er in Zukunft an seinen Verahs festhalten – den Patienten zuliebe. Manche Sorgen und Probleme der Patienten können auch auf ihrer Ebene gelöst und besprochen werden. Das hilft dem Patienten und dem Arzt. „Die Persönlichkeit, die fachliche Erfahrung und das Mitgefühl mit dem kranken Menschen, zeichnen unsere Verahs aus“, verdeutlicht Dr. Bedö, wie wichtig die Assistentinnen sind.

    Das sieht auch Monika Tröbacher so. „Wir sehen uns als Vermittler zwischen Patient und Arzt. Durch die regelmäßigen Hausbesuche fällt es einem doch eher ins Auge, wenn sich etwas verschlechtert. Wir kennen die Familien und ihre Geschichte und bauen Vertrauen auf.“ Sie genießt ihre Ausflüge mit dem Verah-Mobil, das der Praxis zur Verfügung gestellt wird – und denkt mit Grauen an ihre Pflicht, sie im Anschluss zu dokumentieren. „Das ist die Kehrseite der Medaille: Der Abrechnungs- und Dokumentationswahnsinn.“

    Rosa Winkler bekommt davon nichts mit. Sie darf sich glücklich schätzen, dass sich neben ihrer Verah vor allem auch ihre Familie so um sie kümmert. „Das ist heute nicht mehr selbstverständlich“, weiß Simone Schöderlein. Umso schöner, dass den pflegenden Angehörigen mit dem Besuch der Versorgungsassistentinnen einige Aufgaben abgenommen werden können. So bleibt auch im Hause Mog mehr Zeit und Energie dafür, das zu tun, was der Familie Spaß macht: mal mit dem Rollstuhl eine Runde durch den Ort drehen, draußen im Hof sitzen, die Umwelt beobachten. Und sich freuen, wenn Simone Schöderlein im Verah-Mobil um die Ecke kommt.

    Versorgungsassistenten für Hausärzte und Patienten VERAH werden: Die Fortbildung zur Versorgungsassistentin für Hausärzte setzt sich zusammen aus 106 Unterrichtsstunden in Form eines Kompaktkurses über elf Tage mit den Modulen Besuchs-, Fall-, Gesundheits-, Notfall, Präventions-, Praxis-, Technik- und Wundmanagement sowie dem Praktikum mit 40 Stunden und dem Kompetenznachweis der Hausarztpraxis. Am Ende gibt es einen mündliche Prüfung und die Teilnehmer müssen einen Fallbericht in Form einer schriftlichen Hausarbeit verfassen. Mehr Informationen zu den Terminen und Orten gibt es unter www.verah.de VERAH treffen: Wer Interesse daran hat, regelmäßig Besuche einer ausgebildeten Versorgungsassistentin zu bekommen, sollte sich an seinen Hausarzt oder den Bayerischen Hausärzteverband wenden. Im Landkreis Kitzingen gibt es insgesamt rund 25 VERAHs. Mehr Info unter www.bhaev.de (ljr)

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