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KITZINGEN: JUGENDGEWALT - Die harten Strafen gibt es längst

KITZINGEN

JUGENDGEWALT - Die harten Strafen gibt es längst

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    Unser Autor Torsten Schleicher besucht seit 15 Jahren für die MAIN-POST Jugend- und Strafverfahren, die am Kitzinger Amtsgericht stattfinden. Hier seine Meinung zu der aktuellen Diskussion um das Jugendstrafrecht.

    Selbst wer sich nicht für Politik interessiert, weiß inzwischen, dass Wahlkampf ist: Deutschlands Konservative, allen voran Hessens Roland Koch, haben die Jugendgewalt entdeckt – als Krücke zum erhofften Wahlsieg. Der Ruf nach „härteren Strafen“ und Erziehungs-Camps soll vor allem eines bringen: Wählerstimmen des Publikums.

    Abgesehen davon, dass Kriminalität ein Spiegelbild der jeweiligen Gesellschaft ist und dass ein Gerichtsprozess stets nur am Ende einer langen Kette von sozialen Fehlentwicklungen steht, ist der Ruf nach schärferen Gesetzen schon deshalb unseriös, weil es diese Gesetze längst gibt. Wer seit 15 Jahren die Jugendgerichtsverhandlungen am Kitzinger Amtsgericht verfolgt, der weiß, dass das Jugendstrafrecht keine Eia-Popeia-Veranstaltung ist – sondern durchaus harte Sanktionen kennt.

    Kitzingens Jugendrichter Wolfgang Hülle ist nicht unbedingt zimperlich, wenn es darum geht, „coolen“ Jung-Kriminellen zu zeigen, wohin sie der Weg führen kann. Von wegen „Kuschel-Pädagogik“: Manchem Möchtegern-Badboy dürfte das Grinsen wohl vergangen sein, wenn sich hinter ihm die Schlüssel in der Zellentür herumgedreht haben.

    Wo Änderung nötig sind

    Höhere Strafen? Das Jugendstrafrecht kennt die Maximalstrafe von zehn Jahren. Für Körperverletzungen gibt es im Erwachsenen-Strafrecht auch in schweren Fällen selten mehr als zwei Jahre. Eine zweifellos schlimme Tat wie die Prügel-Attacke in der Münchner U-Bahn ist jetzt schon jetzt mehr als abgedeckt. Die ganz schweren Verbrechen wie Mord und Totschlag sind nach wie vor die große Ausnahme.

    Wenn es Änderungen bedarf, dann wohl eher in der Handhabung des Jugendstrafrechts bei Tätern, die zwischen 18 und 21 Jahre alt sind. Diese „Heranwachsenden“ können sowohl nach Erwachsenen- als auch nach dem milderen Jugendstrafrecht verurteilt werden. Ausschlag gebend ist meist die Einschätzung der Pädagogen von der Jugendgerichtshilfe. Und hier hat sich – auch in Kitzingen – ein gewisser Automatismus eingeschlichen: In nahezu allen Fällen schlagen die Vertreter vom Jugendamt die Anwendung des Jugendstrafrechts vor: weil die Tat „jugendtümlichen Charakter“ hatte und/oder weil der Angeklagte „Reifedefizite“ aufweist. Das mag in einem Teil der Fälle wohl auch so sein, aber dass mehr als 90 Prozent der Straftäter über 18 Jahren noch als Jugendliche betrachtet werden, scheint unglaubwürdig.

    Erziehung-Camps: ein alter Hut

    Details in der derzeitigen Strafrechtspraxis sind nachbesserungsfähig. Das System insgesamt hat sich bewährt – im Gegensatz zu den von Roland Koch & Co. hoch gelobten Erziehungs-Camps. In den USA, wo die „boot camps“ in den 90er Jahren erfunden wurden, sind sie längst wieder ein Auslaufmodell. Militärischer Drill kann gute Bildung, soziale Integration und eine Gesellschaft mit ethischen Werten eben nicht ersetzen. Ach ja, und für das Geld, das die Camps auch bei uns kosten würden, gäbe es wohl eine ganz gute Verwendung. Wie wäre es mit ausreichend Lehrerstellen, mit mehr professioneller Jugendarbeit? Oder, Herr Koch, wie wäre es, wenn Sie die seit 1999 abgebauten 700 Stellen bei der hessischen Polizei wieder besetzen würden?

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