Gottfried Schlager ist aufgebracht: „Dann bringen wir im nächsten Jahr halt nichts mehr aus“, sagt er und deutet auf die kümmerlichen Reste der Maispflanzen, die auf einem seiner Felder bei Buchbrunn herumstehen. Verantwortlich macht er dafür die Krähen. Und die Entscheidungen der Politik.
Gottfried Schlager hat seine 45 Hektar vor einigen Jahren an Markus Dietrich verpachtet. Der schaut beim Blick auf die Felder ähnlich frustriert drein. Mit 15.000 bis 20.000 Euro Schaden rechnet er in diesem Jahr. Schuld daran sind die Krähen – und der Drahtwurm – und natürlich die Politik. Irgendwie hängt ja alles mit allem zusammen.
Seit April 2020 dürfen die Landwirte ihre Felder nicht mehr beizen. Zumindest, wenn diese Felder in den sogenannten roten Gebieten liegen, also dort, wo das Grundwasser besonders schützenswert ist. Im trockenen Mainfranken ist das fast überall der Fall. Die Pflanzenschutzmittel, die beim Beizen ausgebracht werden, haben die Population des Drahtwurms in Schach gehalten. Jetzt vermehren sich die Tiere – und locken die Krähen an. Ein gefährlicher Kreislauf.
Treue Begleiter in der Luft
Günter Schwab ist Landwirt in Kitzingen. Auch er kennt die Problematik: Sobald er den Hof mit seinem Traktor verlässt, hat er ein paar treue Begleiter. Zwei bis drei Krähen beobachten ganz genau, wohin er sein Fahrzeug steuert und vor allem: was er dort macht. Mäht er Gras, ziehen die Krähen ab und werden an diesem Tag nicht mehr gesehen. Bearbeitet er den Boden, sind in Kürze Scharen der schwarzen Vögel auf seinem Feld. Sie haben es auf Würmer und Maden abgesehen, die aus dem Erdreich aufgewirbelt werden. In letzter Zeit steht vor allem der Drahtwurm auf ihrem Speiseplan. Der kann sich wieder ungestört vermehren, seit die Landwirte keine Mittel mehr mit den so genannten neonicotinoiden Wirkstoffen zum Beizen ausbringen dürfen. Andere wirksame Mittel gebe es nicht auf dem Markt, versichert Schwab. Matthias Dorsch, Landwirt aus Mainstockheim, sieht deshalb nur zwei Möglichkeiten: Entweder wird die Futtergrundlage für die Krähen bekämpft – oder die Krähen selbst.
Vergrämung wirkt nicht
So einfach ist das allerdings nicht. Saatkrähen sind geschützt, während die Rabenkrähen, die Günter Schwab in mindestens der gleichen Anzahl auf seinen Feldern ausgemacht hat, geschossen werden dürften. „Aber den Schuh zieht sich kein Jäger an“, weiß er. Ganz so leicht sind die beiden Arten nämlich nicht zu unterscheiden. Egal, ob Saat- oder Rabenkrähe: Alle bekannten Vergrämungsmethoden wirken bei diesen Vögeln nicht. „Die sind verdammt schlau.“ Und noch dazu sind sie sehr hungrig. Bei ihren Raubzügen auf den Feldern nehmen sie keine Rücksicht auf die Pflanzen. „Sie hacken ein kreisrundes Loch in den Boden, holen den Wurm heraus und zerstören dabei auch die Pflanze“, erklärt Schwab. Dachte man früher noch, dass die Krähen „lediglich“ Mais mögen, liefert Schwab auf einem Feld oberhalb des Krankenhauses in Kitzingen den Beweis für das Gegenteil: Das Zuckerrübenfeld sieht aus, als hätte jemand hunderte Pflanzen mutwillig herausgerissen. Da ist nichts mehr zu machen“, klagt Schwab. Zumindest nicht für dieses Jahr. Markus Dietrich befürchtet Kurz oder Lang eine Gefahr für alle anderen Kulturen. „Irgendwann sind die Krähen überall“, prophezeit er. Und deshalb sei es jetzt an der Zeit zu handeln. Fragt sich nur, wie.
Gottfried Schlager will sich nicht kampflos geschlagen geben. Er hat die Landtagsabgeordnete Barbara Becker kontaktiert und die hat zu einem Vor-Ort-Termin gleich Vertreter des Amtes für Landwirtschaft und Ernährung und der Regierung von Unterfranken mitgebracht. Dr. Thomas Keller ist dort Leiter des Sachgebietes Naturschutz und spricht von einem punktuellen Problem. Rund 14.000 Brutpaare der Saatkrähen gebe es derzeit in ganz Bayern, etwa 13.000 davon im Süden. Die restlichen rund 1000 Paare hielten sich in Unterfranken auf, in Kitzingen habe man zuletzt 187 Nester gezählt. Das Bayerische Landesamt für Umwelt habe 2020 ein dreijähriges „Modellprojekt zum Management von Saatkrähen“ gestartet, Das Ziel lautet, Schäden zu analysieren, Landwirte zu beraten und angepasste Bewirtschaftungsformen zu entwickeln. Bis die Ergebnisse vorliegen, vergehe zu viel Zeit, kritisierte Gottfried Schlager. Jetzt müsse gehandelt werden.
Hilft eine Petition?
Dr. Keller riet den Beteiligten im Landkreis Kitzingen, Daten zu erfassen, die im Forschungsprojekt aufgenommen werden. BBV-Kreisobmann Alois Kraus will seine Obmänner deshalb in Kürze anschreiben. Die drei Jahre Laufzeit seien für die betroffenen Landwirte eine zu lange Zeit, meinte auch Barbara Becker und schlug vor, eine Petition anzustrengen. Das Ziel müsse lauten, eine kurzfristige Entschädigung für die Betroffenen zu finanzieren, die sich derzeit vor allem in einem Radius von zwei bis drei Kilometern rund um Kitzingen befinden. Möglicherweise ist auch eine Notfallzulassung für ein Beiz-Mittel denkbar. In anderen betroffenen Regionen habe es diese Lösung schon gegeben, informierte Dr. Herbert Siedler vom Amt für Landwirtschaft in Würzburg. Einen großen Widerstand aus der Bevölkerung habe es nicht gegeben.
An einem Runden Tisch soll das Thema weiter beraten werden, um denkbare Lösungsansätze zu vertiefen. Gottfried Schlager hofft auf eine schnelle Hilfe. „Denn so geht es nicht weiter.“
Beizen und rote Gebiete Beim Beizen wird das Saatgutkorn mit einen dünnen Belag an Fungiziden und/oder Insektiziden belegt. Diese Pflanzenschutzmittel wirken in einem sehr kleinen Radius um Korn und Keimling für vier bis sechs Wochen. Ab April 2020 wurde mit „Mesurol“ eine Maisbeize verboten, die die Landwirte beim Gespräch in Kitzingen als sehr wirkungsvoll bezeichnen. Mesurol schützte demnach zu maximal 50 Prozent den Mais vor dem Drahtwurm. Der Wurm wurde nicht direkt bekämpft, sondern vielmehr abgehalten an den Maiswurzeln zu knabbern. Er musste sich andere Nahrungsquellen (Unkraut) suchen oder fraß erst dann, wenn der Wirkstoff abgebaut und weg war. Den größeren Mais schädigte der Drahtwurm nicht mehr erheblich. Gleichzeitig wurde der Vogelfraß verhindert. Vögel mieden den Mais und das Interesse der Krähen hielt sich in Grenzen, weil auch viel weniger Schadwürmer an den Pflanzen nagten. In den roten und damit wassersensiblen Gebieten müssen nach Getreide im Sommer verpflichtend Zwischenfrüchte angebaut werden. Der Drahtwurm (und andere Schadwürmer und Maden) sind bislang auf den leeren Äckern verhungert. Die Landwirte konnten sie auch durch Bodenbearbeitung direkt bekämpfen oder sie von der Sonne austrocknen lassen. Durch den Anbau von Zwischenfrüchten werden jetzt ideale Bedingung für die Vermehrung von Insekten geschaffen. Der Boden ist beschattet und die Schädlinge finden Nahrung.