Sehen, hören, schmecken: Die Sonnenblumen im Raum Kitzingen erfreuen die Sinne auf vielfache Art. Die leuchtend gelben Blütenblätter setzen in diesen Tagen bunte Farbtupfer in die Landschaft, die riesigen Köpfe werden von brummenden und summenden Insekten umschwirrt. Und schon in wenigen Monaten entsteht aus den Kernen ein gesundes Öl.
Die Flasche ziert der rotweiße Rechen, der Name verrät die Herkunft: Das leuchtend gelbe „Frankenöl“ ist ein regionales Produkt. Für die Bewohner im Landkreis Kitzingen und der näheren Umgebung könnte man sogar sagen, ein lokales Produkt. Schließlich wachsen die High Oleic Sonnenblumen, aus denen das Öl hergestellt wird, auf den Feldern im Raum Kitzingen. Genauer: Auf den Feldern der Landwirte, die sich zur „Erzeugergemeinschaft für Qualitätsgetreide und Sonnenblumenkerne Kitzingen und Umgebung“ zusammengeschlossen haben. Weite Transportwege gibt es nicht: Die Lagerung erfolgt in Kleinlangheim, die Verarbeitung in der Ölmühle in Rüdenhausen, das Öl wird dort sowie in den Edeka-Märkten verkauft.
40.000 Flaschen Öl werden jährlich vermarktet, so Herbert Pfriem, 1. Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft. Der Presskuchen, der bei der Herstellung übrig bleibt, ist als hochwertiges Eiweißfuttermittel fürs Vieh beliebt oder wird als Biodünger verwendet.
Ende März, Anfang April, haben die Landwirte der Erzeugergemeinschaft die Sonnenblumen gesät, die jetzt in voller Blüte stehen. Gesät wird etwa zeitgleich mit den Zuckerrüben, teilweise sogar schon etwas früher, erzählen sie beim Ortstermin auf dem Feld des 2. Vorsitzenden Burkard Graber. „Die Sonnenblume hält ein bisschen Frost aus. Und vor allem sind die Tauben und Krähen noch nicht da“, erklärt Herbert Pfriem. „Die sind unser Hauptfeind“
Die Sonnenblume mag es warm, kommt mit der Trockenheit ganz gut zurecht, weil sie tief wurzelt, und hat keinen hohen Pflanzenschutzmittelaufwand. Ihre Wassereffizienz ist groß: Der große Blütenkopf fängt das Regenwasser auf, das dann am Stiel entlang hinunterläuft zu den Wurzeln. Wer nach einem Regenguss am Acker vorbeiläuft, kann das ganz leicht erkennen: Rund um die Wurzel ist die Erde nass, die restliche Bodenfläche bleibt trocken. „Die Sonnenblume braucht ein Weinklima“, sagt Burkard Graber, was erklärt, warum der Landkreis Kitzingen gut geeignet ist für den Anbau der prächtig blühenden Pflanze. Hier wachsen alljährlich auf etwa 600 bis 700 Hektar Fläche Sonnenblumen, berichtet Gerd Düll, Chef des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen. Die Fläche ist relativ konstant.
Die Erzeugergemeinschaft Kitzingen und Umgebung ist eine Vereinigung von etwa 400 Landwirten, die sich zur Vermarktung von Getreide und Sonnenblumen zusammengeschlossen haben. Die meisten der Landwirte, etwa 85 Prozent, kommen aus dem Landkreis Kitzingen, die anderen aus benachbarten Landkreisen. Etwa 100 dieser Landwirte stellen Sonnenblumen in ihrer Fruchtfolge aufs Feld. „Wir bauen auf etwa 700 Hektar HO-Sonnenblumen an“, berichtet Herbert Pfriem. Genau dieses „HO“ ist das Besondere: Die Buchstaben kürzen „high oleic“ ab, was für einen hohen Gehalt an C18:1 steht – reine, einfach ungesättigte Ölsäure. „Diese Sonnenblumensorte hat über 90 Prozent Ölsäure, die normale Sonnenblume nur 40 Prozent, andere Sorten 80 Prozent“, erklärt Rudolf Schaller. Er ist Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft, die 1987 gegründet wurde. Zunächst konzentrierte man sich auf Getreide, Anfang der 2000er kamen HO-Sonnenblumen hinzu.
Und da ging es zunächst gar nicht um Speiseöl, sondern um den Einsatz von Sonnenblumenöl im industriellen Bereich. Seit 2002 wird das Öl auch als Speiseöl angeboten. „Das Öl ist hitzebeständig, oxitationsstabil und gesund“, zählt Schaller auf. Die leuchtend gelbe Farbe hat es seinem hohen Vitamin E-Gehalt zu verdanken. Die Landwirte sind inzwischen Fachleute in Sachen Sonnenblumenöl geworden: „Man schmeckt den Jahrgangsunterschied“, sagt Rudolf Schaller – wieder eine Gemeinsamkeit mit dem Wein.
Nach Ansicht der Erzeugergemeinschaft ist aber nicht nur das Öl ein großes Plus des Sonnenblumenanbaus. „Auch aus Sicht der Nitratwerte ist er positiv“, erklärt Burkard Graber. Die Pflanze wurzelt tief, holt ihren Bedarf aus dem Boden, braucht wenig Dünger. „Nach der Ernte ist kein Reststickstoff im Boden.“ Groß bearbeitet werden muss der Boden nach der Ernte und vor dem Anbau der nächsten Frucht auch nicht. Zudem bieten die Sonnenblumenfelder, die länger stehen als Getreide, den Tieren einen Rückzugsort.
Geerntet werden die Blumen nicht, wenn sie in voller Blüte stehen, sondern erst im September oder teils sogar später. Dann bieten sie zwar einen eher traurigen Anblick, doch erst dann sind die Kerne reif – wobei jeder Sonnentag dem Produkt noch gut tut. Neun Prozent Restfeuchte ist der Wert, nach dem sich die Landwirte bei der Ernte richten. Die Kerne werden in der Ölmühle in einer Schneckenpresse verarbeitet, die das Öl mechanisch aus den Kernen trennt, die dabei unter 40 Grad Celsius bleiben – sie werden „kalt gepresst“, damit die Vitamine erhalten bleiben.
Dass ihre Sonnenblumen das Landschaftsbild verschönern, darauf werden die Landwirte häufig angesprochen, vor allem von Touristen, die an den Feldern vorbei radeln. Die Mitglieder der Erzeugergemeinschaft durften aber auch schon mehrfach erklären, dass ihre Blumen nicht nur schön fürs Auge sind, sondern dass hinter dem Anbau viel mehr steckt. So haben die Galileo-Redaktion und das Team der „Sendung mit der Maus“ schon im Landkreis gedreht. Die Mitglieder der Erzeugergemeinschaft freut das natürlich. Dass es sich lohnt, mehr über die gelben Schönheiten auf den Feldern zu erfahren, wissen sie schon lange.