Das Wort ist sperrig. Aber es ist bedeutungsvoll. Für Samir (Name geändert) und alle anderen anerkannten Flüchtlinge, die in Deutschland beruflich Fuß fassen wollen: Berufsausübungserlaubnis.
Samir trägt einen blauen Kittel und eine weiße Hose: Seit vier Wochen ist er Praktikant in der Zahnarztpraxis Dr. Will in Kitzingen. „Ein junger, bescheidener Mann mit sehr guten Manieren“, sagt Dr. Dr. Christoph Will. Schnell habe sich Samir in die Arbeitsabläufe eingearbeitet, seine Fähigkeiten und sein Wissen unter Beweis gestellt. Ein Wunder ist das nicht: Der 27-Jährige hat fünf Jahre an einer syrischen Universität studiert, vor drei Jahren sein Examen gemacht. Die vier- bis fünfjährige Ausbildung hat er im letzten Jahr zwangsweise abgebrochen. „Er ist gerade noch aus Syrien rausgekommen“, sagt Dr. Will. „In seiner Heimatstadt regiert jetzt der Islamische Staat.“
Samir will auch deshalb auf keinen Fall erkannt werden. Sein Gesicht soll auf keinem Foto zu sehen, sein echter Name in keiner Zeitung abgedruckt sein. So viel kann und will er verraten: 27 Jahre jung ist er und wollte schon immer Zahnarzt werden, Spezialgebiet Parodontologie.
Vor dem Krieg war die Ausbildung in Syrien durchaus vergleichbar mit der in Europa. Samir wollte sowieso nach Deutschland, in die USA oder nach Kanada reisen, um sich fortzubilden. „Das sind die Top 3 in dieser Branche“, sagt er. Der Krieg hat ihn gezwungen, seinen Plan früher in die Tat umzusetzen. Nicht nur ihn, laut Regierung von Unterfranken sind im vergangenen Jahr mehr als 11 000 Flüchtlinge nach Unterfranken gekommen. Jetzt stellt sich die Frage, wie ein Teil dieser Arbeitswilligen und die vielen Betriebe, die Mitarbeiter suchen, möglichst schnell und passgenau zusammenfinden.
„Wir wollen hier in Frieden leben, uns weiterbilden und eine berufliche Existenz aufbauen.“
Samir (Name geändert) Flüchtling aus Syrien
Etwa 1100 Flüchtlinge leben im Landkreis Kitzingen. Integrationskurse bereiten sie auf das (Berufs)Leben in Deutschland vor. Seit November gibt es ein weiteres Modul. Auftraggeber ist die Agentur für Arbeit, Ausführende im Landkreis Kitzingen sind die Mitarbeiter des Beruflichen Fortbildungszentrums (bfz). „Es geht dabei zuvorderst um die Kompetenzfeststellung des einzelnen Bewerbers“, erklärt Claudia Sussmann-Hanf, bfz-Leiterin in Kitzingen. Und damit um die Frage, wie gut die im Heimatland erworbenen Kenntnisse des Asylbewerbers mit den Anforderungen des hiesigen Arbeitsmarktes übereinstimmen.
Nicht immer ist die Übereinstimmung so erfreulich wie bei Samir. Sussman-Hanf weiß auch von Kursteilnehmern zu berichten, die im Supermarkt Weinregale einräumen sollen und das aus Glaubensgründen ablehnen. Sie berichtet von Kfz-Mechatronikern, deren Ausbildung in Syrien andere Schwerpunkte und Inhalte hatte. Und Samir erzählt, dass ein Vollzeitjob in Syrien in der Regel fünf bis sechs Stunden pro Tag ausfüllt. „Die acht Stunden in Deutschland sind für manche Landsleute schon eine Herausforderung.“
Eine Herausforderung, der sich die allermeisten Flüchtlinge, die Samir auf seiner Flucht über die Türkei und in den hiesigen Flüchtlingsheimen kennengelernt hat, stellen wollen. Deshalb pauken sie im neuen bfz-Kurs vier Wochen Deutsch, absolvieren ein sechswöchiges Praktikum und lernen in den letzten zwei Wochen der Maßnahme, wie sie sich am erfolgversprechendsten bewerben. „Wir wollen hier in Frieden leben, uns weiterbilden und eine berufliche Existenz aufbauen“, sagt Samir. Für diese Möglichkeit und die ehrenamtliche Hilfe, die ihm in seinen Zufluchtsort, einem kleinen Dorf im Landkreis Kitzingen zuteil wird, ist er sehr dankbar.
All die Unterstützung und das Eigenengagement tragen dazu bei, dass Samir in absehbarer Zeit nicht nur das sperrige Wort Berufsausübungserlaubnis flüssig aussprechen kann, sondern auch die Zertifikate in Händen halten kann, um seinen Traumberuf in Frieden auszuüben.