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Bier als Entwicklungshilfe eines Deutschen in Togo

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Bier als Entwicklungshilfe eines Deutschen in Togo

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    Bald ein Swimmingpool?
    Bald ein Swimmingpool? Foto: Andreas Jungbauer

    Es muss da unten 50 Grad heiß sein. Gnadenlos sticht die Sonne in die Grube, zwölf Stunden am Tag. Zentimeter um Zentimeter hacken sich die beiden Männer mit ihren Pickeln voran. Das Erdreich ist trocken und steinig. Ein unwirtlicher Flecken? Nur wenn man so schuften muss wie die zwei halbnackten Bauarbeiter im künftigen Swimmingpool des Sporthotels. Ansonsten ist die Gegend um die Provinzstadt Kara im Nordosten Togos durchaus reizvoll. Sanfte Hügel, wilde Steppe. Es ist trocken, dafür nicht so stickig schwül wie in der Hauptstadt am Meer. Und: Man ist weit weg von den sozialen Unruheherden des Landes.

    Ein guter Platz also für ein Sporthotel, das eher ein Feriendorf wird. Ein guter Platz für einen Deutschen, der sein Herz in dem westafrikanischen Land verloren hat. Der mit einem gerüttelt Maß an Pionier- und Siedlermentalität sein eigener Herr geworden ist. Der mit 80 Angestellten vermutlich der größte deutsche Arbeitgeber in der deutschen Ex-Kolonie ist. Achim Hees hat es geschafft. Als Entwicklungshelfer kam der gelernte Automechaniker 1981 nach Togo. Und blieb. Heiratete zweimal, setzte fünf Kinder in diese fremde Welt.

    Heute steht der stämmige Siegerländer auf seinem 2,5 Hektar weiten Gelände vor den Toren Karas und sieht neue Bäume und Träume in den afrikanischen Himmel wachsen. Weil man den fruchtbaren Lateritboden für den Straßenbau weggeschaufelt hatte, wollte das Stück Land niemand kaufen. Hees wollte es. 12 000 Euro, fast ein Schnäppchen. 150 Mangobäume hat er schon gepflanzt, dazu Kokospalmen, Bananenstauden. Zehn Ferienbungalows ließ er bauen. Die Stromleitungen sind gelegt, ein acht Meter tiefer Brunnen ist gebohrt. Das Restaurant steht schon, dieser Tage werden die Türen eingehängt.

    Für den Aushub des 15-Meter-Schwimmbeckens lässt er keine Maschinen anrollen. Die Schinderei der zwei Angestellten sieht er nur positiv: „Die Leute sind doch froh, wenn sie Arbeit kriegen und etwas verdienen.“ Dafür nehmen sie auch mal einen Anpfiff des Chefs in Kauf. Wenn Achim Hees etwas nicht passt, sagt er es laut und unmissverständlich. Der Deutsche genießt großen Respekt in der Stadt Kara, wo nicht weit entfernt Togos Präsident Faure Eyadéma in einem hermetisch abgeschirmten Palast residiert. Dessen Kinder sind gelegentlich zu Besuch in einem der beiden Restaurants, die Hees in Kara betreibt. Nicht wegen des Essens, sondern wegen des weit und breit einzigen Spielplatzes, den der 50-Jährige hinter dem Haus angelegt hat. Die Restaurants laufen gut, auch ein Supermarkt gehört dazu. Das Geld für seine Ferienanlage verdient er aber woanders.

    In der Rue de Marché im Zentrum Karas fliegen die roten Bierkästen nur so auf den geparkten Pick-Up. Zack, zack! Einer nach dem anderen. Ein Mitarbeiter wuchtet sie auf die Ladefläche, der andere schichtet sie auf. Binnen weniger Minuten ist das Auto vollgeladen und röhrt mit den BB-Kästen davon. Der Name der staatlichen Brauerei BB steht für Bi?re Benin und heißt nicht etwa, dass hier Gerstensaft aus dem Nachbarland verhökert würde. Benin (früher ein mächtiges Königreich) ist auch der Name für die ganze Region.

    Zwischen 700 und 1000 Bierkästen verlassen tagtäglich das Depot von Achim Hees in Kara. Wenn ordentliche Feten gefeiert werden (was in Präsidentenkreisen vorkommt), sind es auch mal 1500 Kästen. Mit 15 Fahrzeugen in allen Größen werden sie verteilt. Autos und Geschäfte brummen. Das war nicht immer so. Ähnlich wie Zement ist der Bierabsatz ein guter Indikator für die wirtschaftliche Lage in Togo. Und die war in den letzten Jahren nicht rosig. Nur langsam scheint es etwas aufwärts zu gehen. Im Urlaub bei seinem Bruder ist mittlerweile auch Andreas Hees in Kara hängen geblieben. Er verwaltet akribisch genau wie ein deutscher Beamter das Bierdepot, nimmt Aufträge entgegen und teilt die 25 Angestellten ein.

    Tief war die Depression im Land, als Achim Hees vor zwölf Jahren mit dem Getränkevertrieb begann. Wegen der politischen Krise blieben auswärtige Experten fern, von Touristen ganz zu schweigen. Die Restaurants waren leergefegt, die Kassen auch, doch die Ausgaben liefen weiter. Der Deutsche verschuldete sich. „Am liebsten wollte ich alles hinschmeißen“, erinnert er sich. Doch fast trotzig wollte er es wissen. Er borgte sich Geld von einem Bekannten, steckte alles in sein neues Projekt, ging volles Risiko: „Wenn Du nichts riskierst, gewinnst Du nichts.“

    Von der allmächtigen Präsidentenfamilie mietete er das Gebäude an, eröffnete sein Getränkedepot. Um die Jahrtausendwende bewarb er sich um die Vertriebslizenz der BB-Brauerei – und bekam sein heutiges Gebiet zugeteilt. Der Bierverkauf hat ihn wirtschaftlich gerettet. Und das, obwohl in Togo – ein Land mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von rund 300 Euro im Jahr – für einen Normalsterblichen die Flasche Bier ein kleines Vermögen kostet. Aber es leben auch ausländische Fachleute und Entwicklungshelfer im Land. Und eine wohlhabende Oberschicht, die ihren Durst gerne mit BB stillt.

    Achim Hees ist ein typischer Macher. Trotz seiner Körperfülle immer in Hektik, fast nervös. Was ist noch aus der Hauptstadt Lomé zu bestellen? Wer kann die Ersatzteile rechtzeitig liefern? Schnell noch eine Mail geschickt . . . Im beschaulichen Kara ist der Unruheherd er selbst. Nur zwischen 12.05 und 15.15 Uhr wird ihn niemand erreichen. Da ist der Unternehmer in seinem Haus zu Mittag, hält Siesta, schaltet sich aus. Störung unerwünscht.

    Afrikanischen Ländern eilt nicht der Ruf voraus, besonders investitionsfreundlich zu sein. Rechtssicherheit ist in vielen Staaten ein Fremdwort. Deshalb scheuen ausländische Unternehmen in aller Regel das Risiko. Nicht so Achim Hees. Er liebt die Leute, das Leben und die Freiheit im Norden Togos. Seinen unternehmerischen Erfolg hat er sich hart erarbeitet. Und darauf ist er auch ein bisschen stolz. Sein großes Ziel ist es, 100 Angestellte zu beschäftigten. Das wird er wohl bald geschafft haben. Für den Deutschen Entwicklungsdienst (DED) kam er ins Land. Heute ist er gefragter Arbeitgeber. Er grinst und sagt in seinem rheinischen Dialekt: „Das ist meine Art der Entwicklungshilfe.“

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