D ie Haare können dem Betrachter zu Berge stehen" meldete der Entenexperte Rolf Hauri aus der Schweiz. Er meinte aber nicht das Äußere jener Ente, die Fleisch frisst und ungestüm andere Tiere jagt. Zwar sieht sie aus wie eine Ente, die noch nie "Quak" gesagt hat, weil sie einen Adlerschnabel hat und dazu noch 101 scharfe Zähne. Auch hat sie ein enormes Kampfgewicht, weshalb sie mit ihren zwei Kilogramm Gänsesäger genannt wird.
Doch wirklich haarsträubend sieht dieser Schwimmvogel nicht aus. Die Frisur von Rolf Hauri wurde durch etwas ganz anderes bedroht: durch den Anblick der Nestlandung des Gänsesägers. Er brütet oft in Höhlen. Manchmal errichtet er seine Heimstatt furchtlos unter dem Dach eines Hauses, meist aber in engen Baumhöhlen, die bis zu drei Kilometer vom Wasser entfernt sind. Normalerweise geht bei der Landung alles gut. Dann bewundert ein Zuschauer den großen Vogel, der mit gewaltigem Schwung durchs Geäst herankurvt und kurz vor dem Ziel mit weit gespreizten Schwanzfedern scharf abbremst. Sein Tempo ist dann immer noch so hoch, dass er den Aufprall mit vorgestreckten Beinen abfedern muss.
Was der Bewunderer nicht weiß, ist, dass der Seerachen, wie er früher auch genannt wurde, solch gewagte Landeunternehmen selbst erst üben muss. Bei der Wahl des Nistplatzes unternimmt das Weibchen viele Probeanflüge. Das Männchen, das seine Dame bei der Platzwahl oft begleitet, versucht das Kunststück meist gar nicht erst, da es ohnehin nicht zu brüten gedenkt.
Die Testflüge des Weibchens gehen zuweilen zwei oder dreimal daneben, so dass der Anflug oft in letzter Sekunde mit halsbrecherischer Wendung abgebrochen wird. Unerfahrene einjährige Weibchen üben manchmal gemeinschaftlich den Anflug auf eine Bruthöhle und krachen dabei mitunter gegen das Dach eines Spezialnistkastens oder stürzen gar zu Boden, wenn sie beim Abdrehen zu viel Schwung verlieren. Auch für die Jagd vereinen sich zuweilen die Gezopften Kneifer, wie ein weiterer früherer Name lautet. Diese Vereinigung kann zu einem einzigartigen Naturschauspiel werden. Normalerweise geht so eine Biberente (ein dritter früherer Name) einsam auf Fischfang. Sie späht unter Wasser, indem sie den Kopf hineintaucht, was fachmännisch als "wasserlugen" bezeichnet wird.
Für die Fische sieht das wohl so aus, als kreise oben am Himmel ein Greif. Dann ist die Ente für einige Sekunden verschwunden und jagt hinter einem Fisch her, der am besten 15 Zentimeter lang ist, doch auch Hechte, Forellen und Karpfen von über 30 Zentimetern sind schon im Sägermagen gelandet. Im Winter sind oft riesige Scharen an der Ostsee und auf Binnengewässern versammelt. Wenn eine Gruppe auf einen Fischschwarm stößt, beginnt sie zu jagen. Andere bemerken den Erfolg und reihen sich ein. Sie bilden riesige Ketten, wie bei einer Treibjagd. Tausend Gänsesäger können es sein, die eine kleine Bucht abriegeln und im Gleichtakt tauchend die Fische vor sich herjagen. Der Studienrat Günther Schmidt berichtet von bis zu 1800 Vögeln in einer Kette.
Der Gänsesäger ist vielleicht die einzige Ente, die sich bei den Möwen zu rächen vermag, selbst wenn es sich um die großen Sturmmöwen handelt. Oft nimmt eine Sturmmöwe einem Gänsesäger die Beute weg. Doch einmal wurde beobachtet, wie sich ein Gänsesäger mit großer Geschwindigkeit aufs Wasser stürzte und einer dort sitzenden Sturmmöwe einen Fisch abjagte.
Eine Ente von so gewaltigen Dimensionen und Fähigkeiten müsste eigentlich unter anderen Enten gefürchtet sein. Doch diese spielen ihr oft einen Streich. So tritt die Schellente als Kuckuck auf und legt der Gänsesägerin ein Ei ins Nest. Einmal wurde sie von der heimkehrenden Sägerin erwischt. Erst flog die Schellente aus dem Nest, dann ein Ei. Doch als der Vogelkundler Manowsky ins Nest sah, lag dort noch immer ein Schellentenei. Die Sägerin hatte versehentlich ihr eigenes hinausgeworfen.