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Lohr: "Am kreativsten war ich als Zweite Bürgermeisterin"

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"Am kreativsten war ich als Zweite Bürgermeisterin"

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    Bärbel Imhof wird im Januar 2022 das letzte Mal als Stadträtin den Großen Sitzungssaal im Lohrer Rathaus betreten. Dann wird sie nach 31 Jahren auf eigenen Wunsch aus dem Gremium verabschiedet.
    Bärbel Imhof wird im Januar 2022 das letzte Mal als Stadträtin den Großen Sitzungssaal im Lohrer Rathaus betreten. Dann wird sie nach 31 Jahren auf eigenen Wunsch aus dem Gremium verabschiedet. Foto: Boris Dauber

    Als Bärbel Imhof als 28-Jährige in den Lohrer Stadtrat einzog, ist sie gekommen, um zu bleiben. 31 Jahre war die Diplom-Biologin dort nun kommunalpolitisch für die Grünen aktiv. Die heute 60-Jährige engagiert sich außerdem im Kreis- und Bezirkstag und sitzt dem Grünen-Ortsverband in ihrer Heimatstadt vor. Jetzt will sie ehrenamtlich etwas kürzer treten, um mit ihrem Mann den eigenen Bio-Landwirtschaftsbetrieb voranzubringen. "Ich möchte mir meinen großen Traum erfüllen und nächstes Jahr einen Hofladen eröffnen." Ende des Jahres wird sie auf eigenen Wunsch aus dem Lohrer Stadtrat ausscheiden. Diese Redaktion hat mit Bärbel Imhof über ihre Pionierarbeit als erste Grüne im Lohrer Stadtrat sowie die Finanzlage Lohrs gesprochen und gefragt, ob die Grünen und ihr Bürgermeister Mario Paul sich entfremdet haben.

    Frage: Wie viel Zeit haben Sie wöchentlich in Ihre drei Mandate und den Vorsitz des Lohrer Ortsverbands der Grünen investiert?

    Bärbel Imhof: Das ist ein Vollzeitjob. Wir gehen ja nicht nur in die Sitzungen, sondern müssen derzeit vor jeder Sitzung im Schnitt 50 bis 100 Seiten lesen. Dann haben wir in aller Regel eine Fraktionssitzung, wo Anträge und Statements vorbereitet werden. Und dann gibt es noch die Nachbereitung der Sitzung. Ich würde schon sagen, dass ich 30 bis 40 Stunden die Woche investiert habe. Jetzt vor der Weihnachtszeit, wenn alle Haushalte auf dem Tisch liegen, ist es noch mal mehr. Ich muss noch die Haushaltsrede für den Bezirk schreiben. Das so nebenbei zu machen, ist bei so vielen Mandaten schwierig.

    Worin sehen Sie Ihren größten Erfolg im Lohrer Stadtrat?

    Imhof: Meine kreativste Zeit war die als Zweite Bürgermeisterin von 2008 bis 2012 unter einem schwarzen Bürgermeister. Ernst Prüße und ich hatten eine gute Arbeitsteilung. Wir hatten zwei große Projekte – eines davon war die Stadthalle. Das hat damals federführend Herr Prüße übernommen. Ich war federführend für das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) zuständig, mit dem wir Lohr quasi ein neues Leitbild gegeben haben.

    Wir haben damals einen Prozess eingeleitet mit einer sonst nie mehr da gewesenen Bürgerbeteiligung. In allen Handlungsfeldern war immer der neu gegründete Bürgerbeirat dabei, der verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen abgebildet hat. Wir haben da ein sehr gutes Papier erarbeitet, das zum Teil heute noch trägt. Mein großes Steckenpferd neben dem Umweltschutz ist Stadtentwicklung. Da haben wir schon einen guten Sprung nach vorne gemacht.

    Das neue Lohrer Verkehrskonzept stockt derzeit. Bedauern Sie es, dass Sie gehen, bevor sich da mehr getan hat?

    Imhof: Das hat ja eine lange grüne Geschichte. Wir haben nahezu 15 Jahre gebraucht, um diesen Beschluss im Stadtrat zustande zu bringen. Wir haben gefordert, dass man sich mal insgesamt um den Verkehr kümmert und ein umfängliches Konzept erstellt, statt nur punktuell etwas zu machen. Gute Stadtentwicklung braucht ein gutes Verkehrskonzept, sonst funktioniert das nicht.

    Wir Grüne hätten gerne, dass man sich viel intensiver um die Reaktivierung der Schiene kümmert. Wir haben die große Chance, den Stadtbahnhof zu reaktivieren und in Folge weiterzuführen bis ins Industriegebiet. Wir wollten gerne eine Mobilitätsdrehscheibe haben, wo das neue Parkhaus hinkommt. Da setzen wir uns aber nicht durch im Stadtrat, weil immer noch sehr viel aus der Autofahrer-Perspektive gedacht wird.

    Natürlich hätte ich das gerne noch mit zu Ende geführt. Aber es gibt immer irgendwas, das man noch zu Ende führen müsste. Wir haben ja noch andere Anträge in der Pipeline. Wenn man so denkt, hört man nie auf.

    Wie war die Anfangszeit für Sie als erste Grüne in einem von Männern dominierten Gremium?

    Imhof: Ich war damals mit Abstand die Jüngste mit 28 Jahren. So richtig hat es niemand glauben wollen, dass wir den Sprung in den Stadtrat geschafft haben. Ich habe nicht sofort losgelegt, sondern versucht, mich zu orientieren in dem Gremium und zu spüren, wie so ein Parlament tickt und arbeitet. Es ist aber damals wie heute so, dass man laut sein muss. Man muss schon artikulieren, wenn man eine andere Perspektive hat und in die Antragsarbeit gehen, um eigene politische Themen bekannt zu machen. Ich würde behaupten, dass mir das ganz gut gelungen ist. Wir sind dann ja auch von Wahl zu Wahl gewachsen.

    2012 haben Sie das Amt der Zweiten Bürgermeisterin und den Fraktionsvorsitz wegen einer Brustkrebserkrankung niedergelegt. Warum war es Ihnen wichtig, dieses Ehrenamt fortzusetzen?

    Imhof: Ich habe 2011 die Diagnose bekommen und war ein Jahr weg vom Fenster. Man kann nicht nur ein bisschen Zweite Bürgermeisterin sein. Entweder man macht es oder man macht es nicht. Ich habe mich damals entschieden, es nicht zu machen, um den Gesundungsprozess nicht zu gefährden. Zweite Bürgermeisterin war schon sehr aufreibend.

    Wir haben aber damals schon gespürt, dass die Grünen im Aufwind sind. Ich wollte den Übergang bis zur nächsten Kommunalwahl 2014 auf jeden Fall noch begleiten. Den Ortsvorsitz hatte ich nie abgegeben und gesehen, dass wir einen starken Mitgliederzuwachs hatten. Ich wollte noch bei den Wahlen dabei sein, wo wir mit Mario Paul als grünem Bürgermeisterkandidaten furios durchgestartet sind. Wir waren an einem Punkt, auf den ich so viele Jahre hingearbeitet habe, da wollte ich nicht beiseite treten.

    Kommen wir zur finanziellen Lage der Stadt. Sie haben Anfang des Jahres im Zusammenhang mit dem Lohrer Haushalt noch von einer "Luxussituation" gesprochen. Würden Sie das heute noch immer so ausdrücken?

    Imhof: Wiederholen würde ich es nicht, weil es leider auch immer wieder aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Den Begriff des Luxus habe ich erwähnt, was die Kreditaufnahmen anbelangt. Wir haben im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen keine Kredite aufnehmen müssen.

    Von daher war die Situation nicht ganz so kohlrabenschwarz, wie sie immer gerne beschrieben wird. Im letzten Jahr haben wir so gut wie keine Schlüsselzuweisungen bekommen. Das zeugt ja auch davon, dass die Stadt Lohr jetzt nicht so schlecht dasteht, wie immer alle getan haben. Was nicht bedeutet, dass man jetzt das Geld mit vollen Händen rausschmeißt. Man muss immer gucken, für was man das Geld ausgibt und wo man die Schrauben stellen muss, um Einnahmen zu generieren. Wir haben durch Corona gerade auch ganz viele Unwägbarkeiten, die man im Moment nicht wirklich bewerten kann.

    Wie soll der Investitionsstau in Lohr abgetragen werden?

    Imhof: Wir brauchen eine Prioritätenliste. Es muss ganz klar festgelegt werden, wo die größten Mängel sind und wo am ehesten eingegriffen werden muss. Dann brauche ich eine Zeitschiene, in welchem Jahr was gemacht wird. Und das arbeite ich ab. Es kann nicht sein, dass jedes Jahr irgendwas anderes dazu kommt und wir wieder diese Gleichzeitigkeit haben, die keiner bewältigen kann. Wir müssen uns auch insgesamt überlegen, wo wir in der Stadtentwicklung hin wollen.

    Was wäre da für Sie wichtig?

    Imhof: Für uns Grüne wäre es wichtig, dass wir den Transformationsprozess im Verkehrs- und Energiesektor begleiten. Wir müssen aber auch Wohnraum schaffen und Quartiersentwicklung betreiben. Wenn das Klinikum an den Sommerberg umzieht, wird in der Stadt sehr viel Fläche frei, die wir entwickeln müssen. Wir müssen gucken, dass unsere Schulen vernünftig laufen und unsere Kindergärten ertüchtigt werden, damit wir genug Kapazitäten frei haben. Unsere Feuerwache ist auch nicht auf dem neuesten Stand.

    Und wo muss die Stadt sparen?

    Imhof: Wir geben in Lohr viel Geld für freiwillige Leistungen aus. Das bezieht sich im Wesentlichen auf die Unterstützung der Vereine und Verbände. Da muss aber schon ganz viel passieren, dass ich da den Rotstift ansetze, denn das ist für mich der Kitt der Gesellschaft. Auch unsere Vereine und Verbände leiden extrem unter Corona. Wenn wir da jetzt noch den Rotstift ansetzen, ist das für die Ehrenamtlichen ein Schlag ins Gesicht. Sie leisten so viel wichtige Arbeit und vertragen jetzt in gar keinem Fall Kürzungen.

    Noch mal: Wo würden Sie den Rotstift ansetzen?

    Imhof: Wir sparen ja schon. Wir haben in fast allen Bereichen die Gebührenschrauben angezogen.

    Das ist ja nicht sparen, sondern neue Einnahmen generieren.

    Imhof: Wo wir in den letzten Jahren gespart haben, waren die Investitionen. Die Bautätigkeit war nicht so überragend. Wir machen nur das, was gemacht werden muss. Bei der Stadthalle sind wir vom Defizit weit unter dem, was mal in der Planung war. Da wird schon an allen Ecken gespart. Wir haben viele Stellen nicht besetzt, die früher besetzt waren. Auch den Lohrliner haben wir versucht, effizienter zu machen und Linien rausgenommen. Unser Vermögenshaushalt, wo die ganzen Investitionen drinstehen, ist extrem zusammengeschrumpft, weil wir weder die Kapazitäten noch die Finanzen haben. Deshalb haben wir ja auch einen Investitionsstau.

    Manche würden deshalb sagen, dass man am falschen Ende gespart hat, wenn kein Geld mehr für die Instandsetzung der Wasserleitungen und Kanäle da ist.

    Imhof: Natürlich. Da hat man vielleicht auch die falschen Prioritäten gesetzt. Deshalb ist es wichtig, sich eine Prioritätenliste zu geben, um das im Blick zu haben. Jede Fraktion hat Schwerpunkte.

    Da kommt eine ganze Latte an Wünschen zusammen, über die man reden muss, ob das alles wirklich notwendig ist. Jede Fraktion will natürlich ihre Duftmarke setzen.

    Welchen Stellenwert hat die öffentliche Teilhabe an der Kommunalpolitik für Sie?

    Imhof: Einen ganz hohen. Nur so verstehe ich Kommunalpolitik und bin in der Lage, das Stadtgeschehen zu verstehen und aktiv daran teilzunehmen. Ich brauche Informationen und muss das alles einordnen können.

    Wie verträgt sich das mit der Situation, dass derzeit das Rathaus darüber entscheidet, was im Newsletter über eine Sitzung herausgegeben wird?

    Imhof: Die Informationen über die Presse waren natürlich wesentlich umfänglicher. Aber ganz ehrlich, da müssen Sie Herrn Paul fragen.

    Derzeit beschleicht einen das Gefühl. dass die Grünen und Bürgermeister Mario Paul sich entfremdet hätten. Besonders augenscheinlich war das beim Thema B 26n. Stimmt das und hören Sie auch deshalb auf?

    Imhof: Ganz sicher nicht. Das wäre ja ein Grund gewesen weiterzumachen. Wir Grüne haben bestimmte Werte und Themen, die wir vorantreiben wollen. Die B 26n war das große Thema im Bundestagswahlkampf. Herr Paul glaubt, dass die dritte Mainbrücke nur über die B 26n kommen kann, aber da sind wir Grüne anderer Meinung.

    Können Sie sich vorstellen, dass die Grünen Herrn Paul noch einmal als Bürgermeisterkandidaten nominieren?

    Imhof: Dazu kann ich zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nichts sagen. Wir wissen ja noch nicht mal, ob Herr Paul überhaupt noch mal antreten will.

    Wie wird es Ihnen gelingen, nach 31 Jahren kommunalpolitischer Mitwirkung loszulassen?

    Imhof: Ich gebe ja nicht alles auf. Ich habe nach wie vor den Ortsverband und meine Arbeit im Bezirkstag. Das ist für mich jetzt nicht die ganz große Zäsur. Ich freue mich, mal was anderes zu machen, handwerklich zu arbeiten und den Hofladen vorzubereiten. Ich gehe nicht in Wehmut, sondern habe das selbst entschieden.

    Zur PersonBärbel Imhof ist 1990 als erste und einzige Grüne in den Lohrer Stadtrat gewählt worden. Von 2008 bis 2012 war die Diplom-Biologin Zweite Bürgermeisterin ihrer Heimatstadt. Nun zieht sich die 60-Jährige aus dem Gremium zurück. Ihr folgt Lena Werner nach.Seit 1996 sitzt Imhof zudem im Kreistag Main-Spessart und seit 2003 im Bezirkstag von Unterfranken. Auch aus dem Kreistag möchte sie nächstes Jahr noch vor der Sommerpause ausscheiden. Als Gründe gibt sie an, dass sie einen Hofladen mit Produkten aus der eigenen Bio-Landwirtschaft eröffnen will. Außerdem sei die Zeit reif für einen Generationenwechsel. Im Bezirkstag, wo sie Fraktionsvorsitzende der Grünen ist, will Bärbel Imhof aber bleiben, weil sie die Arbeit dort "sehr spannend und vielseitig" findet.Im Bayerischen Bezirketag sitzt die 60-Jährige im Hauptausschuss und im Fachausschuss für Kultur und Jugend. "Wir sind jetzt an einem Punkt, wo wir richtig was bewegen können. Deshalb würde ich da ganz gerne weitermachen", betont sie. Außerdem ist die Lohrerin eine der stellvertretenden Sprecherinnen der 42 Grünen-Bezirksrätinnen und -räte in Bayern. Auch im Lohrer Ortsverband der Grünen, den sie 1988 mitgründete, hat sie weiterhin den Vorsitz. "Die Politik kommt mir nicht abhanden", sagt Imhof lachend. Auch wenn sie sich künftig zuhause mehr um die Mutterkuhhaltung, den Gemüseanbau, die Streuobstwiese und die Nussbäume kümmern wird.(medau)

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