Wohl 25 Jahre oder länger gab es in Lohr an der Rodenbacher Straße den „Südbahnhof“. Zwar führten die Gleise der Bahnlinie Lohr–Wertheim nicht weit entfernt vorbei, aber am „Südbahnhof“ fuhren nie Züge an oder ab. Vielleicht bestanden die Behelfsunterkünfte, die diesen Spitznamen trugen, ursprünglich einmal aus ausgemusterten Eisenbahnwaggons. Entstanden ist die Barackensiedlung schon vor Kriegsende. Es gibt Bilder, auf denen lokale Größen in Parteiuniformen vor diesem Hintergrund zu sehen sind. Vielleicht wurden die Unterkünfte ursprünglich zur Unterbringung von „Rückgeführten“ aus dem Osten oder von Ausgebombten errichtet.
Unterkünfte für Obdachlose
In den Nachkriegsjahren diente der „Südbahnhof“ häufig als letzte Möglichkeit zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Vertriebenen, wenn sich in den chronisch überbelegten Wohnungen keine andere Unterkunft finden ließ. Dagegen wehrten sich die Betroffenen allerdings meist heftig. Die Baracken waren, freundlich ausgedrückt, nicht im besten Zustand. Die Wohnbedingungen dort sehr beengt. Wasser gab es lange Zeit nur am Pumpbrunnen auf dem Hof. Die sanitären Zustände waren dementsprechend.
Wer dort untergebracht war, bemühte sich mit aller Kraft, so rasch wie möglich wieder aus dem Südbahnhof herauszukommen. Diejenigen, denen das nicht gelang, und die dort für längere Zeit auf dem sozialen Abstellgleis standen, waren oft Menschen, die der Krieg und die ungeordneten Verhältnisse in der Zeit danach aus der Bahn geworfen hatten. Das Wort „Südbahnhöfer“ war in den Nachkriegsjahren zeitweise gleichbedeutend mit „Asozialer“ – sicher oft zu Unrecht. Mit dem fortschreitenden Wohnungsbau, gefördert durch die Gemeinnützige Baugenossenschaft, normalisierten sich allmählich die Verhältnisse. Andere Notunterkünfte, wie beispielsweise das große Barackenlager am Weinbergweg, konnten nach und nach aufgelöst und abgebrochen werden. Die Wohnungs-Zwangsbewirtschaftung wurde aufgehoben. Aber erst im Sommer 1969 wurde der „Südbahnhof“ abgebrochen.
Den Namen „Südbahnhof“ trägt heute im Volksmund das unweit des verschwundenen „Originals“ gelegene städtische Gebäude in der Rodenbacher Straße 12. Dort hält die Stadt Unterkünfte für rund ein Dutzend Obdachlose vor. An der Stelle, an der sich bis vor gut 40 Jahren die notdürftigen Unterkünfte des Südbahnhofes befunden haben, herrscht derzeit noch eine Baustelle. Die Unterstellhallen für die Gerätschaften der Bestatter, die auf dem angrenzenden Friedhof tätig sind, sind bereits fertiggestellt. Den letzten Schliff erhält derzeit noch der neue Urnengarten, der in den kommenden Wochen offiziell seiner Bestimmung übergeben werden soll. Noch nicht in Angriff genommen ist hingegen der kleine Park, der im Anschluss an den Friedhof entstehen soll.
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