Rein kalendarisch begannen die „wilden 60er Jahre“ mit dem 1. Januar 1960, als Heranwachsender oder Jugendlicher mochte man da aber zunächst noch wenig wilden Geist spüren. An den Abenden oder an Wochenenden mal irgendwo hingehen, abhängen oder gar tanzen gehen, andere junge Leute kennenlernen: Die Möglichkeiten waren bescheiden.
Die Radiosender füllte ihr Musik-Programm mit Konserven aus dem Fundus deutscher Tanzorchester oder Big Bands, eingestreut fanden sich die deutschen Wirtschaftswunder-Schlager von so unwahrscheinlich „jugendlichen“ Interpreten wie Freddy, Lolita, Margot Eskens, Bully Buhlan, Gerhard Wendland, Jimmy Makulis oder Friedel Hensch & den Cyprys. Heile-Welt-Musikblüten reihenweise in den Charts, mühsam assistiert von einigen wenigen Stücken der internationalen Musikszene.
Wollten „die jungen Leute“ in diesen frühen 60er Jahren tanzen gehen, gab es allenfalls die Möglichkeit, sich auf Faschingsbällen heimlich hineinzumogeln. Oder man konnte versuchen, einen Platz zu ergattern in einem der mit Beginn der 60er so ganz behutsam an Zahl zunehmenden Tanzcafés.
Da fallen Namen wie das Café Berghof (familiär: „die Geis“) in Hafenlohr oder das Café „Zum bunten Eck“ in Stadelhofen (vor fast 20 Jahren eingerissen) oder auch das Café Schneider (besser bekannt als „Bluff“) in Rieneck. Andere kamen später hinzu, hatten aber da schon eher Club-Charakter. Die Nasen hätten sie sich an den Fensterscheiben plattgedrückt beim Reinschauen, wer denn da wohl tanzt, kann man von den damaligen Jugendlichen hören, die natürlich selbst noch nicht eingelassen wurden. Zumeist mit einem Fassungsvermögen von 60 bis 80 Personen (Sitzplätze) ausgestattet, boten sie primär Musik zum Tanzen, und wenn es so richtig proppenvoll war, tanzte man einfach etwas näher beisammen.
Live-Musik war angesagt, und am Mittelmain wurde („komm, mir geh'n in die Gääs“) „die Geis“ zum Anziehungspunkt. Als Band der ersten Stunde gelten die „Evergreens“ aus Marktheidenfeld, die Schlager plus Tanzmusik spielten, alles versierte Musiker. Das Publikum hatte mehrheitlich die damalige Volljährigkeit von 21, meist schon das 25. Lebensjahr überschritten. Anzug, Hemd und Krawatte für den Herren, die Damen im Kleid – und man musste meist rechtzeitig reservieren, um überhaupt einen Platz zu bekommen. Der Fuhrpark vor dem Haus bestand auch nicht nur aus BMW Isettas oder VW Käfern, sondern auch mal schnittigeren Cabrios.
Hermann Richartz, Rechtsanwalt und seit 1965 mit Erna Richartz, der Tochter der „Berghof“-Inhaberin Agnes Geis verheiratet, weiß zu berichten, dass er des öfteren auch im erweiterten Aschaffenburger Raum unterwegs war, um Bands anzuhören und für Auftritte in der „Geis“ zu verpflichten. Ob „Blue Stars“ oder „Silver Stars“ oder „Orlandos“ – ausgezeichnete Musiker, musikalisch aber eher noch „gesetzt“: Die „wilden 60er“ waren noch weit weg.
Und spätestens mit dem Einsetzen des Beat, der aus England kommend ein bisschen zeitversetzt etwa ab 1964 auch bei uns nicht mehr zu überhören war, drängte auch ein jüngeres Publikum auf die Tanzflächen. Viele Tanz-„Kapellen“ machten drastische Umgruppierungen mit, es entstanden nun Tanzbands mit stärker werdendem Rock-Einfluss. Und die betanzten Räume wurden größer: Gaststättensäle und bald auch größere Räumlichkeiten zogen neues Publikum heran. Der Musik-Mix wurde frischer, flotter, lauter.
Die Bands aus dem Altlandkreis Marktheidenfeld waren die „Candys“, die „Earls“, die „Trailors“ oder die „Firebirds“ werden wir hier in Kürze vorstellen.