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RETZSTADT/EUSSENHEIM: Angekommen in der Ortsmitte

RETZSTADT/EUSSENHEIM

Angekommen in der Ortsmitte

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    Aus alt mach neu: Monika Seuffert mit Ehemann Matthias und Tochter Marie vor ihrem neuen Haus in der Langgasse. Das vorherige Haus in der Ortsmitte von Eußenheim hat die Familie abgerissen.
    Aus alt mach neu: Monika Seuffert mit Ehemann Matthias und Tochter Marie vor ihrem neuen Haus in der Langgasse. Das vorherige Haus in der Ortsmitte von Eußenheim hat die Familie abgerissen. Foto: Foto: Familie Seuffert

    Immer wieder hatte ihm der Schwiegervater die Scheune im hinteren Teil der Hauptstraße 25 in Retzstadt angepriesen. Doch Andreas Stark zögerte: So klein sah die Fläche über der Garage aus. Und dann waren da noch die ganzen, landläufig verbreiteten Vorurteile im Hinterkopf: ein altes Gebäude abreißen? Welche Kosten! Eine Förderung beim Amt für ländliche Entwicklung (ALE) zu beantragen? Welch ein Akt!

    Andreas Stark hat sich die Ohren zugehalten und sich für den Abriss der Scheune entschieden. 2002 wurde der letzte Balken abgebrochen. An Stelle des alten Mauerwerks entstand ein eineinhalbgeschossiges Wohnhaus in offener Bauweise. 2003 zog er mit seiner Familie in die 140 Quadratmeter ein. 10 000 Euro kostete der Abriss, 15 000 Euro betrug die Förderung vom Amt für ländliche Entwicklung. Sein Fazit: Er würde es immer wieder machen. Heute sogar noch eher als gestern.

    4000 Euro gibt es bei Neubau

    Ein Grund dafür: Seit diesem Jahr zahlt die Gemeinde Retzstadt jedem, der sich entscheidet, im Altort neu zu bauen oder zu sanieren, eine Förderung. 4000 Euro maximal gibt es bei einem Neubau, bei einem Abriss mit Wiederaufbau sogar 9000 Euro. Der Entschluss dazu stammt aus dem Jahr 2009: Damals hatte der Gemeinderat beschlossen, keine neuen Baugebiete mehr auszuweisen. Gleichzeitig wollte man Bauen im Altort fördern. Dazu beauftragte die Gemeinde ein Ingenieurbüro für Dorfentwicklung, das Retzstadt zunächst genauer unter die Lupe nahm. Die Ergebnisse beeindrucken: In dem 1620 Einwohner Ort wäre auf einer Fläche von 9,2 Hektar potenziell Platz für neuen Wohnraum. Also ungefähr auf der Größe von rund zwölf Fußballfeldern.

    Zudem fand das Institut heraus, dass zwar 65 Bauplätze vorhanden, aber nur ein Bruchteil davon auf dem Markt sind. Vier Grundstücke hat die Gemeinde ausgeschrieben. Der Rest sind zwar gekauftes, aber noch nicht bebautes Land, leerstehende Gebäude oder brachliegende Grundstücke im Ort.

    Mehr Anreize geben

    Dass all die Fläche in den nächsten Jahren durch Enkel und Urenkel aufgefüllt wird, ist abwegig. Retzstadt hat zwar laut Bürgermeister Karl Gerhard 40 Zuzüge pro Jahr, aber eben auch 60 Wegzüge. „Nach den Ergebnissen haben wir beschlossen, mehr Anreize zum Bauen im Ort zu geben“, sagt Karl Gerhard. Zusätzlich zu dem Geld der Gemeinde kann jeder Bauwillige die Förderung seines Projekts beim Dorferneuerungsprogramm des Land Bayern beantragen und erhält maximal 30 000 Euro.

    Aber nicht überall locken reizvolle Fördersummen in den Alt-Ort. In Eußenheim ist das Dorferneuerungsprogramm schon lange ausgelaufen. Familie Seuffert hat sich trotzdem entschieden, ein altes Haus im Altort abzureißen und ein neues aufzubauen. „Wir haben lange gesucht“, erzählt Monika Seuffert. Immer wieder saß sie beim Bürgermeister, doch auch in Eußenheim sind Bauplätze teuer und rar. 80 bis 100 Euro kostet der Quadratmeter. Dass gerade das verfallene, bäuerliche Anwesen in der Langgasse zum Verkauf stünde, erfuhr sie rein zufällig im Plausch auf der Arbeit. Dann ging alles schnell: Im März 2009 unterzeichneten sie den Vertrag, bereits im September war das neue Haus fertig.

    „Auflage war, sich an das Altort-Bild anzupassen“, erzählt Monika Seuffert. Sprich, kein Pultdach, sondern ein Satteldach sollte es sein, die Front des Hauses musste, wie alle anderen Häuser in der Straße auch, direkt an die Straße angrenzen, und wegen des Brandschutzes mussten sie an einer Hauswand auf Fenster verzichten. Finanziert haben sie alles aus eigener Tasche. Die geplante Energieförderung, auf die es Seufferts mit dem Bau von vier Solarzellen auf dem Dach angelegt hatten, lief nach Fertigstellung des Hauses aus. Die Kinderförderung konnten sie nicht beantragen, da die gewünschte Anzahl an Kinderzimmern nicht machbar war.

    „Wir wohnen im Ort und fühlen uns doch wie außerhalb.“

    Monika Seuffert Hausbesitzerin aus Eußenheim

    Einmal in der Ortsmitte angekommen, will sie den Komfort nicht missen. „Wir wohnen im Ort und fühlen uns doch wie außerhalb“, schwärmt Seuffert. Die Straße ist ruhig, nach hinten heraus haben Seufferts Wiese. Das enge Aufeinander-Wohnen macht ihr nichts aus. „Ich bin in Schönarts geboren, ich bin nachbarschaftliches Miteinander gewohnt“, sagt sie. Zudem ist die Freude über Kinder in der Straße groß, denn das Durchschnittsalter liege bei rund 60 Jahren.

    Zurück in Retzstadt hat Andreas Stark mit seinem Scheunenumbau bereits eine weitere Familie im Ort angesteckt. Familie Schröder in der Hauptstraße will das großelterliche Haus aus dem Jahr 1755 sanieren. Noch aber sind sie zum Warten verdammt. Heißt ersehnt: die Bewilligung ihres Förder-Antrags vom ALE. Bereits 2010 haben sie das zweiseitige Formblatt ausgefüllt, war der Architekt von der Dorferneuerung da und hat das Haus unter die Lupe genommen, Fotos gemacht, die Wände aufgeklopft. Erst nachdem sich Michaela Schröder in Thüngersheim zwei Altbau-Sanierungen angeschaut hatte, willigte sie ein. „Die sahen noch viel schlimmer aus als unseres, und die Menschen haben es trotzdem in Angriff genommen“, erzählt sie.

    Einmal entschieden, ist sie von der Sanierung überzeugt: „Das Haus hat hohe, helle Räume, ist gut aufgeteilt, warum sollten wir es jetzt abreißen?“, sagt sie. Außerdem ist die Entscheidung – dank der Förderungen vom ALE und der Gemeinde – die günstigste Lösung. Zudem steckt das Gebäude für Michaela Schröder voller Erinnerungen, denn es ist das Elternhaus ihres Vaters und somit auch ein Teil ihrer Kindheit.

    Dorf guten Gewissens übergeben

    Und demnächst vielleicht auch ihrer Kinder? „Bei den Überlegungen, was wir mit dem Haus machen, haben wir auch praktisch gedacht: Wir haben zwei Kinder, vielleicht bleibt doch eines von denen da“, sagt Michaela Schröder. Es wäre im Sinne des Ingenieurbüros für Dorfentwicklung. Unter „Nachhaltigkeit“ empfiehlt dieses in einem Abschlussbericht: So zu leben, dass wir die Dörfer unseren Kindern mit gutem Gewissen übergeben können.

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