Irmgard Schenk hat eine genaue Vorstellung davon, was mit ihr passieren soll, wenn sie einmal nicht mehr ist: Sie möchte, dass ihr Leichnam verbrannt und in einem Friedwald bestattet wird. So wie die Wiesthalerin denken zunehmend mehr Menschen. Religiöse Vorbehalte gegen eine Einäscherung nehmen ab. In Marktheidenfeld lag die Quote der Feuerbestattungen vor acht Jahren bei 11,3 Prozent. Heute entscheiden sich 60 Prozent für diese Form der Beisetzung. Auch bundesweit zeigt sich ein ähnlicher Trend. Diese Zahlen haben Matthias Lieblers Arbeit enorm verändert.
Als Bestatter in Marktheidenfeld hat er mit den sich ändernden Wünschen für die letzte Ruhestätte zu tun. „Ich habe schon seit zwei, drei Jahren über eine Infofahrt zu dem Thema nachgedacht. Ich wollte aber unbedingt vermeiden, dass es eine Werbefahrt für mein Bestattungshaus wird“, sagt Liebler. Als der Hospizverein Main-Spessart an ihn herantrat und sein Interesse an dem Thema Naturbestattungen bekundete, entschied sich der Bestatter letztlich doch zu dem Schritt.
„Vor ein paar Jahren konnte sich die Beisetzung im Wald noch kaum jemand vorstellen“, weiß Liebler aus Erfahrung. Dies habe sich grundlegend geändert, selbst in den ländlich-katholischen Gebieten. Der Reisebus von Marktheidenfeld zum Ruheforst in Stadtprozelten war dann auch bis auf den letzten Platz gefüllt. Unter den Interessierten waren viele Ehrenamtliche des Hospizvereins.
„Man hat schon so viel gesehen und gehört. Aber vom Ruheforst habe ich noch keine Vorstellung“, sagt Maria Drikitis aus Lohr. Sie engagiert sich wie ihre Kollegen im Hospizverein ehrenamtlich für Sterbende und ihre Angehörigen. Herrmann Aull aus Frammersbach ist mit seiner Ehefrau mitgefahren. „Es hat uns interessiert, wie so eine Urnenbestattung abläuft. Ich möchte auch in einem Urnengrab bei uns auf dem Friedhof begraben werden.“
Hubertus Kasper organisiert die Bestattungen im Ruheforst. Der Förster erklärt der Besuchergruppe, wie eine Beisetzung in der naturbelassenen Umgebung abläuft: Zunächst müsse man sich überlegen, ob man ein Biotop für die ganze Familie oder einen einzelnen Platz in einem Gemeinschaftsbiotop erwerben wolle. Ein Baum ist ein Biotop, in dem zwölf Urnen Platz finden. Im Falle eines Familienbiotopes müsse man eines besonders beachten. „Es gibt immer nur einen Vertragspartner. Dieser kann jederzeit Urnenplätze für Verwandte ummelden. Sobald dieser aber verstorben ist, lässt sich nichts mehr ändern“, erklärt Kasper. Daher sei es ratsam, das jüngste Familienmitglied zum Vertragspartner zu machen.
In dem Ruheforst am Rande des Naturparks Spessart werden ausschließlich biologisch-abbaubare Urnen beigesetzt. So soll der Wald möglichst unbeschadet bleiben. Auch aufwändiger Blumenschmuck, Figuren oder Kerzen sind nicht erwünscht. „Die Grabpflege übernimmt im Ruheforst die Natur. Im Sommer ist es schön grün und im Winter bedeckt der Schnee alles“, sagt Kasper. Um das Ruhebiotop trotzdem etwas persönlicher zu gestalten, kann ein Schild mit Lebensdaten an dem entsprechenden Baum angebracht werden. Ein Baum, der mit einem blauen Band gekennzeichnet ist, weist den Förster auf freie Plätze in einem Familienbiotop hin. Das gelbe Band gibt den entsprechenden Hinweis für Gemeinschaftsbiotope.
Damit die Angehörigen die genaue Stelle finden, an der eine Urne beigesetzt ist, werden die Koordinaten mit Hilfe von Kompass und GPS genau bestimmt und in einem Protokoll festgehalten.
Kirche lange skeptisch
Die Art der Beisetzung obliege völlig den Angehörigen, wie Förster Kasper versichert: „Von großen Musikveranstaltungen bis ganz ruhigen Feiern ist alles möglich.“ Auch in einem akuten Sterbefall sei eine Bestattung im Ruheforst Südspessart unproblematisch. Mit einem kurzen Anruf bei der Stadt könne man einen Urnenplatz bekommen. Man müsse lediglich hinnehmen, dass das Biotop zugeteilt wird und nicht selbst ausgewählt werden könne.
Die Kirche sei lange skeptisch gewesen, inzwischen sei der Ruheforst aber als offizieller Friedhof anerkannt. „Es gibt Andachtsstätten beider Kirchen. Keine Sorge, das ist hier also keine heidnische Stätte“, scherzt Kasper. Irmgard Schenk fühlt sich nach dem Besuch im Ruheforst jedenfalls in ihrer Ansicht bestätigt: „Ich möchte auf jeden Fall mit meinem Mann in ein Biotop. Auch, weil ich weiß, dass meine Kinder zu weit weg sind, um ein Grab zu pflegen.“