"Im Moment brummt's", sagt der Leiter der Arbeitsagentur Lohr, Martin Heilmann, im Gespräch mit der Redaktion. Arbeitgeber suchen händeringend nach Personal, die Zahl der offenen Stellen in Main-Spessart ist größer als die Zahl der Arbeitslosen. Was für Unternehmen ein Ärgernis ist, hat auch für das "Problemklientel" ältere und Langzeitarbeitslose die erfreuliche Folge, dass es für sie noch nie leichter war, wieder in Arbeit zu kommen. Heilmann: "Früher hat sich der Arbeitnehmer beworben, heute bewirbt sich fast schon der Arbeitgeber."
Die Zahlen spiegeln das wider. Im April betrug die Arbeitslosigkeit in Main-Spessart sensationell niedrige 1,6 Prozent. Die Zahl der älteren und der Langzeitarbeitslosen (über ein Jahr Arbeitslosigkeit) ging dabei sogar stärker nach unten als die Gesamtzahl der Arbeitslosen. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es über ein Fünftel weniger Langzeitarbeitslose (211 im April), die Zahl der Arbeitslosen über 55 Jahre ging ebenfalls um 14,6 Prozent zurück. Von den 211 Langzeitarbeitslosen, darunter 18, die länger als fünf Jahre arbeitslos sind, fallen nur 92 in den Zuständigkeitsbereich der Arbeitsagentur, für die restlichen ist als Empfänger von Hartz IV das Jobcenter zuständig.
Wie Arbeitslose gefördert werden
"Habt ihr eigentlich noch was zu tun?", werde Heilmann manchmal gefragt. Durch die Arbeitsmarktsituation gebe es jetzt die Möglichkeit, sich mit "Kunden", wie er die Arbeitslosen nennt, intensiver zu befassen. Tatsächlich ist die Zahl der bei der Arbeitsagentur gemeldeten Personen innerhalb eines Jahres sogar von 764 auf 791 gestiegen. Stark zurückgegangen ist aber die Zahl der Kunden des Jobcenters (Sozialgesetzbuch II, „Hartz IV“).
Ein Ziel der Arbeitsagentur sei , durch entsprechende Förderung (Schweißer-Kurs, Lkw-Führerschein, Buchhaltungskurs) und Eingehen auf die "Hemmnisse" von Arbeitslosen zu verhindern, dass jemand in Langzeitarbeitslosigkeit fällt, also länger als ein Jahr arbeitslos ist, so Heilmann. Durch das neue Qualifizierungschancengesetz können sogar Arbeitnehmer gefördert werden, denen akut gar keine Kündigung droht.
"Hemmnisse" können etwa sein: gesundheitliche Einschränkungen, fehlende Qualifikation, allein erziehend, kein Führerschein, auch das Alter. Die Zahl der psychischen Belastungen nehme zu, habe Heilmann beobachtet. "Letztendlich steht hinter jedem Langzeitarbeitslosen ein Einzelschicksal." Vermittler müssten deshalb ein Vertrauensverhältnis zu ihren "Kunden" aufbauen.
Alter ist kein Hindernis mehr
Fast ein Drittel der Arbeitslosen in Main-Spessart ist älter als 55, über 50-Jährige machen die Hälfte der Klientel der Arbeitsagentur Lohr aus. Die Arbeitslosenquote in dieser Altersschicht ist mit 2,4 Prozent höher als die gesamte Quote in Main-Spessart. Aber Wolfgang Albert, Pressesprecher und Statistikexperte der Agentur für Arbeit Würzburg, sagt dazu: "Es gibt Agenturbezirke, die wären froh, sie hätten allgemein eine Arbeitslosenquote von 2,4 Prozent." Vor zehn Jahren betrug die Quote älterer Arbeitsloser noch 3,6 Prozent. Alter allein ist heute kein Hindernis mehr, so sähen das – notgedrungen – auch die Arbeitgeber. Ein 57-Jähriger habe heute noch fast zehn Jahre Arbeitsleben vor sich.
Es sei deshalb mitnichten so, dass ältere und Langzeitarbeitslose nur "geparkt" oder "verwaltet" würden. Dass monatliche Dutzende Langzeitarbeitslose die Langzeitarbeitslosigkeit wieder verlassen und aber auch Dutzende wieder neu hineinrutschen, sehe man der absoluten Zahl eben nicht an, sagt Albert. Der Lohrer Agenturleiter Heilmann drückt das verkürzt so aus: "Der, der im Januar gemeldet ist, ist nicht der, der im Dezember gemeldet ist."
Heilmann: "100 Prozent unserer Leute wollen arbeiten"
Gibt es auch Leute, die nicht arbeiten wollen? "100 Prozent unserer Leute wollen arbeiten", ist Heilmann sicher. "Die Frage ist zu welchen Bedingungen." Man wolle sich nicht unter Wert verkaufen. Es gehe auch um Zumutbarkeit. Generell sei jedoch klar, dass Arbeitslose, die eine Mitwirkung verweigern, ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld verlieren können. Es gehe für Arbeitslose oft eher darum, ob man in den sauren Apfel beißt und Gehaltseinbußen in Kauf nimmt oder eine unbefristete Stelle, bevor sie zu lange weg vom Arbeitsmarkt sind oder in Hartz IV rutschen.
Vor dem Ablauf des Arbeitslosengeld-Zeitraums würden Arbeitslose deshalb noch einmal intensiv beraten. So können sich beispielsweise auch Ältere noch selbstständig machen und dafür möglicherweise einen Gründerzuschuss erhalten, gegen mögliche erneute Arbeitslosigkeit können sie sich während dieses Wagnisses auch freiwillig versichern.
Neues Angebot: Test fragt Kenntnisse ab
Ganz neu gibt es etwa für arbeitslose Hilfsarbeiter und auch Flüchtlinge einen mehrstündigen Test der Arbeitsagentur, mit dem sie nachweisen können, welche Kenntnisse und Fertigkeiten sie in einem bestimmten Beruf haben. Der Test orientiere sich am Wissensstand eines Auszubildenden im dritten Lehrjahr. Gedacht sei dies als Hilfestellung für Arbeitgeber, denen sich bei Arbeitslosen ohne gelernten Beruf die Frage stellen könnte, was ein Bewerber eigentlich kann. Das Ergebnis des Tests kann etwa Bewerbungen beigelegt werden.