„Die Weikertswiese ist die botanisch wertvollste Wiese im gesamten Spessart.“ Dieses Fazit zog Christian Salomon, Gebietsbetreuer für Grünland im Naturpark Spessart, auf den von Naturpark, Volkshochschule Lohr und SPD-Ortsverein Rechtenbach am Pfingstwochenende angebotenen Exkursionen. Etwa 20 Teilnehmer ließen sich von der Mittagshitze nicht abschrecken und folgten der Einladung über die 85 Hektar große Rodungsinsel, informiert der Verein Naturpark in einer Pressemitteilung.
Anfang des 14. Jahrhunderts zunächst zur Pferdezucht der Rienecker und Mainzer Herrschaften genutzt, ist die Weikertswiese gut 350 Jahre älter als die 1688 gegründete Glashütte Rechtenbach. 1817 wurde die Wiese an Rechtenbacher Bürger übertragen und war bis Mitte des 20. Jahrhunderts überwiegend ackerbaulich genutzte Nahrungsgrundlage der Rechtenbacher.
Die heutige Bedeutung der Wiese liegt neben der Nutzung zur Heuernte, als Schaf- und Pferdeweiden und zur Holzlagerung vor allem in ihrem außergewöhnlichen ökologischen Wert und ihrer Erholungsfunktion. Allein 250 verschiedene Farn- und Blütenpflanzen haben Botaniker hier nachgewiesen. „Der schönste Ort der Welt“, meinte ein Exkursionsteilnehmer aus Rechtenbach. Vor allem die ausgedehnten und extensiv genutzten Magerrasen und Feuchtwiesen beinhalten ein buntes Blütenmeer mit regionalen Besonderheiten, die man sonst eher aus der Hochrhön oder dem Alpenraum kennt.
Deutschlandweit bedeutend
Bekannteste Pflanze der Weikertswiese ist die Orber Wicke (Vicia orobus) – benannt nach ihrem ersten deutschen Fundort Bad Orb. Dort ist die weiß-violett blühende Pflanze jedoch nicht mehr zu finden. Bundesweit gibt es nur noch drei Wuchsorte: einen in Nordrhein-Westfalen, die Steigröderwiesen bei Lohr und die Weikertswiese, welche mit ca. 800 Pflanzen das größte deutsche Vorkommen beinhaltet. Entsprechend hoch ist die Verantwortung, welche der Gemeinde Rechtenbach und den Naturschutzbehörden zum Erhalt der seltenen Pflanze zukommt. Die Gemeinde hat im Zuge eines geförderten Flächentauschverfahrens die meisten Grundstücke, auf denen die Wicke wächst, erwerben können. Landwirte mähen diese Bereiche erst nach der Samenreife.
Die Natternzunge (Ophioglossum vulgatum) ein geheimnisvolles, zierliches Farngewächs, welches aus nur einem Blatt besteht, hatte noch keiner der Exkursionsteilnehmer zuvor gesehen. Der Sporen tragende Teil des Farns sieht dabei tatsächlich wie eine Natter aus, der Laubblattabschnitt wie eine Zunge. Auf der Weikertswiese wachsen etwa 300 Exemplare der Natternzunge. Es ist der einzige Fundort im Landkreis Main-Spessart.
Auch die Arnika (Arnica montana) wächst noch auf der Weikertswiese – hier und im Spessart jedoch nur noch an einer Handvoll Stellen. Die Blüten dieser entzündungshemmenden und früher weit verbreiteten Heilpflanze wurden traditionell gesammelt und als medizinisches Hausmittel genutzt.
Traurige Unvernunft
Mittlerweile wachsen auf der Weikertswiese nur noch wenige Einzelpflanzen. Durch das Abernten der Blüten können keine Samen zur Vermehrung mehr heranreifen. Auch dieses Jahr wurden die letzten 30 Blüten der nach Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützten Arnika wieder abgeerntet und ein entsprechendes Hinweisschild entfernt – traurige Unvernunft, die auch bei den Exkursionsteilnehmern nur Kopfschütteln erntete.
Ins Schwärmen geriet die Gruppe danach angesichts der blühenden Orchideenwiesen. Gleich mehrere Arten haben hier ihre Spessartweit größten Vorkommen: Breitblättriges und Fuchs'sches Knabenkraut (Dactylorhiza majalis und D. fuchsii) wachsen hier noch zu Hunderten. Auch Kreuzungen aus beiden Arten sind regional nur von der Weikertswiese bekannt, hier jedoch massenhaft zu beobachten. In Vollblüte stehen zur Zeit auch Hunderte von Waldhyazinthen (Plantanthera chlorantha und P. bifolia), die mit betörendem Duft und langen, nektargefüllten Spornen Nachtfalter anlocken.
Zum Abschluss ließ Salomon die Exkursionsteilnehmer nach einer Orchidee suchen, welche nicht nur grüne Blätter sondern auch grüne Blüten besitzt: das große Zweiblatt (Listera ovata). Auch diese Magerwiesen-Orchidee dürfte auf der Weikertswiese ihr regional größtes Vorkommen besitzen. Zwei weitere Orchideenarten sind in den letzten Jahrzehnten dagegen von der Wiese verschwunden.
Auf einem guten Weg
„Der Schutz dieser herrlichen Wiese mit Ihren außergewöhnlichen botanischen Schätzen muss eine Selbstverständlichkeit und in jedermanns Interesse sein“, so schloss Salomon seine Ausführungen. Seit einigen Jahren sei man dabei auf dem richtigen Weg, weil Naturschutz, Gemeinde und Landwirte viel miteinander redeten, Landwirte freiwillig Einschränkungen eingingen und dafür finanzielle Entschädigungen erhielten.
Das Wichtigste sei, eine regelmäßige, aber sanfte Grünlandnutzung und den mageren Charakter der Wiesen großflächig zu erhalten und kleinräumig die wertvollsten Flächen vor Intensivkoppeln oder Holzlagerungen zu bewahren – die Weikertswiese sei hierfür wahrlich groß genug.