Zwölf Jahre lang hat Helmut Geist als Bürgermeister die Geschicke der Gemeinde Rechtenbach gelenkt. Zwei Jahre ist es nun her, dass er dem Ort gemeinsam mit seiner Frau Hanni den Rücken gekehrt hat und nach Norddeutschland gezogen ist. Ein Abschied, der ihm nicht schwer gefallen ist. „Uns gefällt es hier sehr gut. Das ist für uns auch eine Bestätigung, dass wir mit unserem Umzug richtig gehandelt haben“, sagt er heute.
Es war im Jahr 2006 als sich Helmut Geist verliebt hat. Verliebt in ein kleines 1100-Seelen-Örtchen namens Engeln im Landkreis Diepholz. „Unsere Entscheidung, nach Engeln zu ziehen ist bereits im Jahr 2006 gefallen“, erinnert er sich. Geist erzählt von der Nordseeküste, die ihn schon immer begeistert habe, ebenso wie das „Land dahinter“, in dem Engeln liegt.
Geists älteste Tochter hat damals schon zwei Jahre in Engeln gelebt. „Es war Liebe auf den ersten Blick und wir haben uns vorgenommen, unseren Lebensabend dort zu verbringen“, erinnert sich Geist. Nachdem die Entscheidung zum Umzug getroffen war, fanden die Geists eher zufällig direkt gegenüber dem Haus der Tochter ein 400 Jahre altes niedersächsisches Reetdachhaus mit einem großen Garten, das nicht vermietet war. „Ein solches Haus hat uns schon immer fasziniert und angezogen“, sagt Geist.
Das Haus in Rechtenbach, das die Geists selbst gebaut und in dem sie 35 Jahre lang gewohnt hatten, wurde verkauft. Im Herbst 2008 ging es auf in Richtung Norden, in die neue Heimat, wo sie ihr „Traumhaus“ seit 2009 nun als Erstwohnsitz gemietet haben.
„Ich muss ehrlich sagen, dass mir der Abschied nicht schwergefallen ist“, gibt der ehemalige Bürgermeister offen zu. Seine zweite Amtsperiode sei „für mich persönlich mit vielen Enttäuschungen verbunden“ gewesen. Nie habe er verstanden, dass Leute nicht mehr miteinander gesprochen, sondern bei Problemen sofort Anzeige erstattet haben.
„Ich muss ehrlich sagen, dass mir der Abschied nicht schwergefallen ist.“
Helmut Geist über Anfeindungen und Enttäuschungen, die er im Bürgermeisteramt erfahren hat
„Ich war so oft vor Gericht in diesen sechs Jahren, ich kann das gar nicht mehr zählen“, sagt Geist. Am meisten weh getan hätten ihm die anonymen Anzeigen, sagt er nachdenklich. Allein die letzte Anzeige habe ihn 5000 Euro gekostet – obwohl er im Namen der Gemeinde gehandelt habe. „Man hätte das alles mit einem Gespräch regeln können. Einer Anzeige hätte das nicht bedurft. Deswegen hab ich mich wirklich gefreut auf unser neues Zuhause“, sagt Geist.
Die Anfangszeit in Engeln sei natürlich gewöhnungsbedürftig gewesen. „Das ist halt bei jedem so, der umzieht“, zuckt der 65-Jährige mit den Schultern. Den Niedersachsen werde zwar nachgesagt, dass sie stur und zurückhaltend seien. „Wir konnten das aber nicht feststellen“, erzählt Geist. Nachdem man sich im neuen Heim eingerichtet hatte, habe man das ganze Viertel zu Kaffee, Kuchen und einer fränkischen Brotzeit eingeladen. „Damit war endgültig das Eis gebrochen und wir gehörten einfach dazu wie jeder andere“, beschreibt Geist seine „Integration“.
Hanni und Helmut Geist sind inzwischen passive Mitglieder im örtlichen Schützenverein. „Wir haben hier keine Langeweile“, sagt Geist, obwohl sich Engeln durch seine Ruhe auszeichne. Wie auch früher in Rechtenbach für die Faschingsnarren näht seine Frau Hanni nun in Norddeutschland Kostüme, diesmal für den Theaterverein Weseloh, der jährlich ein Theaterspiel für Kinder und eines für Erwachsene in Plattdeutsch aufführt. „Da gehen wir natürlich auch hin, obwohl wir Plattdeutsch nicht so richtig verstehen“, lacht der ehemalige Rechtenbacher Bürgermeister.
Mit der Politik hat der SPD-Mann vollkommen abgeschlossen. „Da habe ich einfach zu viele Enttäuschungen einstecken müssen“, erklärt er. Trotz allem denkt der ehemalige Bürgermeister auch gerne an seine Heimat zurück: „Rechtenbach ist mein Geburtsort, das vergisst man nicht.“ Auch seine Frau habe sich „in Rechtenbach wohlgefühlt“. Geist erinnert sich gerne zurück an die Weikertswiese und die „Gesellschaften“ an der SPD-Hütte.
„Rechtenbach ist mein Geburtsort, das vergisst man nicht.“
Helmut Geist über seine Verbundenheit zur Heimat
Sein Kontakt nach Rechtenbach ist nicht abgerissen: „Wir haben noch viele Verbindungen und bekommen auch viel Besuch aus der ehemaligen Heimat.“ Rechtenbach, so sagt Geist, sei trotz der Entfernung von rund 450 Kilometern nicht aus der Welt.
Helmut Geists Schwester lebt noch immer im Spessartort. Hanni Geist hat ihre Verwandten in Hausen. Reichlich Anlässe also für Besuche in der alten Heimat. Das Sprichwort, wonach man einen alten Baum nicht mehr verpflanzt, sehen die Geists auf sich nicht zutreffend: „Wir fühlen uns hier sehr wohl. Für uns gibt es ein Leben nach Rechtenbach."