Sein neues Buch „Exit – Wohlstand ohne Wachstum“ stellte Professor Meinhard Miegel am Montagabend in der Aula der Lohrer Forstschule vor. Eingeladen zu dieser Veranstaltung hatte der Kunst- und Kulturverein Lohr und Umgebung, dessen zweite Vorsitzende, Barbara Henrici, den Gast und seine Vita kurz vorstellte. Wie komme Miegel, Jurist, Syndikus und „Mann der Wirtschaft“ dazu, das Streben nach stetigem Wachstum als Übel zu brandmarken, fragte sie.
Auf die Gefahren hätten Kollegen und er schon in einer früheren Studie für die Bundesregierung hingewiesen, hielt Miegel dagegen. „Jedoch haben die Politiker sich nicht getraut, sie zu veröffentlichen“. Auch kritisiere er nicht das Wachstum an sich: Wenn in der Natur etwas wachse und blühe, sei das durchaus von Vorteil, ebenso, wenn das Kontingent an Zeit zunehme, das man für die Familie, insbesondere Kinder, zur Verfügung habe.
Das Wirtschaftswachstum sei jedoch aus dem Ruder gelaufen, „während der längsten Zeit der menschlichen Entwicklung gab es überhaupt kein wirtschaftliches Wachstum“. Zunächst sei das Leben als Jammertal gesehen worden, das es mit dem Tod als Erlösung zu überwinden galt.
Nachdem Thomas Hobbes festgestellt habe,„das größte Übel ist der Tod“, sei es Ziel der Menschen gewesen, lange zu leben. Die Erkenntnis von John Locke, „Ziel ist es, angenehm zu leben“, sei der Ausgangspunkt für das Wirtschaftswachstum gewesen: „In den 100 Jahren seit Beginn des 19. Jahrhunderts hat sich die Menge der erwirtschafteten Güter in den frühindustrialisierten Gesellschaften verdoppelt und seit Ende des zweiten Weltkrieges verfünffacht“.
Ständiges Auf und Ab
Die Erwartung, alles laufe nur in eine Richtung, lasse sich durch die Geschichte der Menschheit nicht belegen. „Es gab immer schon Wellenbewegungen, Aufs und Abs“. Auch der Zenit der jetzigen Epoche sei überschritten. „Seit 30 Jahren haben wir Stagnation“. Wachstum habe Nebenwirkungen. „Wir bräuchten nun das Erwirtschaftete, um die Schäden, die wir angerichtet haben, zu reparieren“.
Im 19. Jahrhundert sei Europa der rohstoffreichste Kontinent gewesen. Nun sei alles verbraucht und zusätzlich noch 80 Prozent der globalen Reserven, „und das von nur 20 Prozent der Menschheit“, fügte Miegel hinzu. „Unsere Welt ist transparent. Über das Internet können wir in jeden Kochtopf schauen.“ Die zwei Milliarden Menschen, die in den nächsten Jahrzehnten noch zur Weltbevölkerung hinzukommen, würden sich daher nicht mit Resten abspeisen lassen.
Menschliche und wirtschaftliche Katastrophen entstünden oft aus überschäumendem Optimismus. Mit der Hoffnung, es werde schon gut gehen. „Paart sich Optimismus jedoch mit Gier, ist der Untergang vorprogrammiert“. Auch wir hätten versucht, über unsere Verhältnisse zu leben. „Im Kern sind wir alle Griechen“, schlug Miegel den Bogen zur aktuellen Diskussion um den Euro. Geplant sei der Euro nach dem Vorbild der „harten Mark“, jetzt sei eine Weichwährung beschlossen worden nach „Lira- und Franc-Manier“. War das englische Pfund im 19. Jahrhundert noch ein Pfund Sterling-Silber wert gewesen, genau wie auch eine italienische Lira mit diesem Gewicht aufgewogen wurde, seien bei Einführung des Euro 1000 Lire nur noch eine D-Mark wert gewesen.
Überwiegend Zustimmung
Für seinen Vortrag erhielt Miegel überwiegend Zustimmung von den Zuhörern. „Das haben Sie treffend geschildert, so habe ich das schon seit den 70er Jahren empfunden“, bekräftigt eine ältere Dame, „aber wenn ich meinen Mitmenschen das geschildert habe, glaubten sie mir nicht – im besten Fall – oder lachten mich aus“.
Kritik wurde jedoch daran geübt, dass Miegel kaum Lösungen für das von ihm vorgestellte Menschheitsproblem anbieten konnte. „Wie wollen wir die Arbeitslosigkeit bekämpfen? Diejenigen, die das Geld zuerst in die Hand bekommen, werden es für sich benutzen“, wurde festgestellt. „Die Arbeitslosigkeit macht mir keine Sorgen“, konterte Miegel. Zum einen gebe es den „demographischen Faktor“, dass die Bevölkerung in unserer Gesellschaft rückläufig sei. Außerdem stiegen die Energiekosten, was den Wert der Arbeitskraft erhöhe. Dabei gehe es nicht darum, die Sachen die wir benutzen wieder handwerklich herzustellen. Vielmehr könne man den Rollkoffer nicht mehr mit einem Billigprodukt ersetzen, wenn ein Rad abgehe, sondern werde ihn reparieren.
Durststrecke bei der Solarenergie
Auf den Einwurf, dass allein schon die Sonne ausreichend Energie für die nächsten Millionen Jahre liefere, wies Miegel darauf hin, dass man diese in den nächsten 30 Jahren nicht voll erschließen könne. „Wir müssen über eine Durststrecke“.
Er wolle keinen Verzicht predigen, „das brauche ich auch nicht, weil es einfach kein Wachstum mehr geben wird“, Wohlstand könne auch das Ergebnis einer Änderung der Lebensweise sein, weniger Verkehr, Freude an Stille und der Natur. „Die Forstwirtschaft ist erfolgreich auf dem Gebiet des nachhaltigen Wirtschaftens“, lobte Miegel die Hausherren.