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KARLSTADT: Der Herr der Abendschau

KARLSTADT

Der Herr der Abendschau

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    Ein Blick hinter die Kulissen: Keller-May sitzt gut gelaunt hinter seinem Schreibtisch im ersten Stock des BR-Gebäudes. Graumeliertes, kurzes Haar, hellgraues Hemd, dunkelgraue Jeans, schwarze, schicke Schuhe. Erst auf den zweiten Blick sieht man, dass er Brille trägt. Sie ist randlos.

    Hinter Keller-May liegt die achttägige BR-Radltour, die jährlich vom Sender veranstaltet wird. Mit 1200 Radlern legte er insgesamt 580 Kilometer zurück. Es war seine sechste Tour. Wer meint, so ein Ausflug sei das reinste Vergnügen für den 49-Jährigen, irrt. „Extrem anstrengend“ sei es gewesen, erzählt er. Jeden Tag bis zu 100 Kilometer als Vertreter des BR in einer Radkolonne zu strampeln und nebenbei noch als Chef vom Dienst eine Sendung von unterwegs zu schmeißen, ist kein Zuckerschlecken, auch wenn man Farbe im Gesicht bekommt.

    Eigene Beiträge macht er nur noch in Ausnahmefällen wie zum Beispiel bei einer Urlaubsvertretung im Auslandsstudio in Wien oder in Wahlzeiten. Normalerweise zieht Keller-May die Fäden hinter der Kamera.

    Schnelle Reaktion gefragt

    Los geht's für den Fernsehmann um 8.45 Uhr mit der großen Planungssitzung. Dort bespricht er mit dem Vormittagschef, Planern, Redakteuren und Reportern die Themen für die Sendung des Tages. Wenn jetzt etwas Dramatisches passieren sollte, muss er schnell reagieren und ein Reporterteam mit einem mobilen Sendezentrum an den Ort des Geschehens schicken.

    Kaum zurück im Büro, wird's stressig: Das Telefon klingelt in einer Tour, Mitarbeiter stehen in der Türe, wollen dies und das wissen und im Computer warten rund 100 Mails auf eine schnelle Bearbeitung. Als Chef von rund 200 Mitarbeitern wird er ständig um seine Meinung gefragt, schließlich ist er es, der den geregelten Ablauf der Sendung zu verantworten hat. Abendschau bedeutet: „Informationen und Unterhaltung mit Themen, die alle Menschen in Bayern bewegen.“

    So können die Zuschauer den letzten Wanderschäfer von Bayern genauso kennen lernen wie den Schreiner, der in dem Allgäuer Dorf „Betlehem“ Krippen baut oder den Kirchenrestaurator, der Jahrhunderte alte Schätze vor dem Verfall rettet. Die Ideen sind Keller-May und seinem Team noch nie ausgegangen. „Gar nichts zu senden, wäre der Supergau“, sagt er. Nur einmal konnte der Wetterbericht nicht mehr gebracht werden. Ein Alptraum! Schuld war ein Unwetter. Da mussten dann die Nürnberger Kollegen einspringen.

    Dreiviertel aller Beiträge in der Woche sind geplant, der Rest ist offen. Dass Filme platzen oder nicht rechtzeitig fertig werden, ist normal. Da müssen die Chefs vom Dienst und natürlich Keller-May im Schneideraum oder in der Regie cool bleiben. Für jeden Tag gibt es Ersatzbeiträge, die zur Not abgespielt werden können. Muss ein Film vorgezogen werden, verschieben sich die anderen Beiträge und Live-Schaltungen entsprechend.

    Ob immer alles so klappt, weiß man eben nie. Diese Anspannung wiederholt sich...   ...Tag für Tag. Kurz vor Sendebeginn um 17.30 Uhr ist Hochspannung. Wenn alle Stricke reißen, können sich die BR'ler aus Archivbeiträgen, die zum 50-jährigen Jubiläum der Abendschau gemacht wurden, bedienen. „Die liegen immer als Reserve da“, sagt Keller-May.

    Montags hat er einen Sitzungsmarathon zu bewältigen. Der Plan an der Pinnwand macht Eindruck. Sechs Sitzungen muss der Mann konstruktiv leiten und lenken. „Ja, der Job ist viel Büroarbeit“, sagt Keller-May.

    Das war nicht immer so. In seiner Zeit als Landtagskorrespondent von 1998 bis 2005 kam er viel herum. Mehrmals begleitete er Edmund Stoiber auf seinen Auslandsreisen, zweimal stand er am „Ground Zero“ in New York, 2001 mit Erwin Huber, ein Jahr später mit Stoiber. Im Weißen Haus in Kalifornien traf er 2005 Arnold Schwarzenegger. Sein Eindruck im Umgang mit Prominenten? „Das sind auch nur ganz normale Menschen.“ Als Journalist gilt für ihn: „Ich behandle alle fair, aber kritisch.“

    Die Lage in den bayerischen Hochwassergebieten ist an diesem Tag immer noch Thema in der Konferenz, auch wenn die Wasserstände an Isar, Würm und Amper schon wieder zurückgehen, wie ein Redakteur informiert. „Sollen wir nochmal eine Sondersendung machen?“, fragt er. „Ich glaube“, sagt Keller-May langsam und blickt aus dem Fenster, „das spielt bei uns keine große Rolle mehr“. Wie bestellt fallen ihm dabei ein paar Sonnenstrahlen ins Gesicht. Alles lacht.

    „Ich hab' mich nicht darum beworben. Ich wurde gemacht.“

    Matthias Keller-May über die Umstände, wie er zu seinem Job kam.

    Wetterthemen sind ein heikles Feld. Wenn's in München wie aus Kübeln schüttet, kann's sein, dass die Karlstadter vor lauter Hitze im Garten mit dem Gießen nicht nachkommen. Das muss in einem Magazin, das deutschlandweit gesehen wird, berücksichtigt werden. Wenn er's genau wissen will, ruft Keller-May seinen Bruder Michael in der alten Heimat an. Seine fränkischen Wurzeln hat er nicht vergessen. Seine ersten journalistischen Sporen verdiente er sich als 16-Jähriger bei der Karlstadter Lokalredaktion der Main-Post. Nach Abitur und Bundeswehrzeit studierte er Diplomjournalistik in München. „Von da an wollte ich Fernsehjournalist werden“, sagt er.

    Verheiratet ist er mit einer Karlburgerin. Die beiden leben in München und haben zwei Söhne. Wenn seine Frau mit Karschtern telefoniert, redet sie Dialekt. Er nicht. Da seine Mutter aus dem Rheinland stammt, sei das bei ihm nie so ausgeprägt gewesen. Wo er sich zu Hause fühlt? Wenn er von München nach Karlstadt fährt, sagt er zu seiner Frau: „Jetzt fahren wir heim“. Doch: „Fahre ich in die Gegenrichtung, sage ich dasselbe.“

    An der Eingangstüre seines Büros hängt ein Werbeplakat für die Abendschau. Da rammt ein Astronaut die fränkische Fahne in den Mondboden. Auch die Kollegen ziehen ihn schon mal mit seiner fränkischen Heimat auf. Hier weiß jeder, dass Keller-May ein Karlstadter ist. Bei der Auswahl der Orte für die Sendung spielt das keine Rolle. Hier geht's . . . . . . nach strengem Regionalproporz, wird genau darauf geachtet, dass alle sieben Regierungsbezirke gleichmäßig abgebildet werden.

    Unterrepräsentiert sieht Keller-May die Franken beim BR nicht. Im Gegenteil. Sein Stellvertreter kommt aus Mittelfranken, ebenso Chefredakteur Sigmund Gottlieb und einige seiner Redakteure.

    Täglich bietet die Abendschau zwei Live-Schaltungen. Mit einem Satellitenübertragungswagen sendet das Vorabendmagazin direkt von den Orten des Geschehens. „Da gibt es immer viel zu organisieren“, so Keller-May. Für diesen Tag steht die Residenzstadt Öttingen als Ausflugstipp auf dem Programm.

    Normalerweise werden bei dem Format gerne Streitthemen von allen Seiten beleuchtet. Doch auch das Fernsehen kämpft mit dem Sommerloch. Reporterin Claudia Knöpfle will zwischen Tür und Angel vom Chef wissen, welche Themenschwerpunkte sie auf die Online-Seite setzen soll. Keller-May zögert und entscheidet sich dann für die Altenpflege-Geschichte. Normalerweise hat er keine Probleme mit dem Entscheiden. Das macht er frei nach dem Motto: „Was entschieden werden muss, wird entschieden.“ Und das nicht von oben herab, sondern im Austausch mit seinen Kollegen. Mit dem Chef sind fast alle per Du.

    Seine Mitarbeiter bezeichnen ihn als „umgänglich“. „Er ist keine Mimose“, sagt einer. Er lasse dem Team viel Freiheit. Auch wenn das Programm mal nicht seinem Geschmack entspreche, werde gelobt. Wobei man schon mal mit ihm aneinander geraten könne, wie eine Kollegin versichert. Ob man gut mit ihm streiten könne? „Mit welchem Mann kann man das schon?“, grinst eine andere.

    Die wichtigste Sitzung für Keller-May ist die tägliche Hauptsitzung in der Mittagszeit. Da trifft er sich mit den Moderatoren, dem Regisseur, den Planern und den Chefs vom Dienst. Die Reihenfolge der Beiträge wird noch einmal abgestimmt. Freilich: „Es kann immer etwas Aktuelles dazwischen kommen.“ Geklärt werden muss auch, welche Beiträge noch fehlen und ob die Studiogäste für die Woche fest stehen.

    Im Schnittraum mit den Reportern

    Abnahme der Beiträge ist gegen 17 Uhr im Schnittraum. Dort spielen die Reporter ihre Filme ein. Reporter Hermann Scholz jagt gerade auf dem Bildschirm als „Schreckgespenst“ des Krankenkassenzusatzbeitrages eine schreiende Kassenpatientin durch den Wald. „Das ist ein dröges Thema“, sagt Scholz. „Das muss man aufpeppen.“ Sonst schaltet der Zuschauer weg. Dem Chef gefällt's.

    Die Regie ist für heute die vorletzte Station. Dort unterhält Keller-May sich mit Regisseurin Silke Baier und dem Chef vom Dienst. Nach einem Abstecher zu Abendschau-Moderator Tom Meiler ins Fernsehstudio endet der Tag für den Fernsehmann in seinem Büro. Mails checken, letzte Telefonate führen.

    Eine Frage fällt uns noch ein: Wie wird man eigentlich Leiter der Abendschau? „Ich hab' mich nicht darum beworben“, sagt Keller-May lächelnd. „Ich wurde gemacht.“

    Regionale Vorzeigesendung

    Seit 55 Jahren ist die „Abendschau“ das Vorabendmagazin im Bayerischen Fernsehen. Sie beginnt um 17.30 Uhr mit der Sendung „Schwaben und Altbayern aktuell“ beziehungsweise „Frankenschau aktuell.“ Für den Süden sind die BR-Leute in Freimann zuständig, die „Frankenschau“ wird in Nürnberg produziert. Daran schließt sich von 18 bis 18.45 Uhr die „Abendschau“ an mit täglich – auf die Gesamtsendezeit bezogen – rund 400 000 Zuschauern. Pro Jahr werden rund 255 Sendungen produziert.

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