Seit 30 Jahren ist Waltraud Elsner aus Karlstadt (Lkr. Main-Spessart) mit Leib und Seele für die Betreuung von Menschen engagiert, die an Multipler Sklerose (MS) erkrankt sind. Die 86-jährige Frau leitet zudem ehrenamtlich die MS-Kontaktgruppe Main-Spessart.
Elsner ist in jeder Hinsicht eine ganz besondere Frau mit einer starken Ausstrahlung und mit einem ansteckenden Optimismus. Beim Gespräch mit dieser Redaktion blitzten und leuchteten die Augen vor Begeisterung über ihr Tun und vor Freude, diesen Enthusiasmus mitteilen zu dürfen.
Geprägt wurde sie bereits in ihrer frühen Kindheit: Die Mutter war infolge einer neurologischen Erkrankung an den Rollstuhl gefesselt, lernte aber durch intensives Training wieder leidlich das Laufen. So musste das Mädchen schon früh nicht nur teilweise für die Mutter sorgen, sondern auch vor allem ihr eigenes Leben selbst in den Griff bekommen. In dieser Zeit lernte sie den Spruch kennen, der sie ein ganzes Leben begleiten sollte: „Frag' nicht! Hör' hin, schau' hin – dann wirst du wissen, was zu tun ist!“
Wegen einer eigenen Lungenerkrankung konnte Elsner nach dem Abitur nicht studieren, sie ließ sich stattdessen zur Medizinisch-Technischen Assistentin ausbilden. In ihren Berufsjahren kam sie dabei immer wieder auch mit MS-Kranken in Berührung.
Berufsbedingt zog sie mit ihrem Mann und den Kindern vor über 55 Jahren nach Karlstadt. Hier kam das ganz besondere Charisma dieser Frau voll zutage. „Ich weiß nicht warum, aber alle Leute, die Probleme hatten, kamen zu mir!“, sagt sie im Gespräch und wirkt dabei kein bisschen überheblich – nur menschlich zugewandt. Unter den Hilfesuchenden waren damals Russlanddeutsche, Bewohner des Altenheims, der evangelische Frauenkreis und andere. Auch betreute Elsner ihre Schwiegermutter bis zu deren Tod.
Der Fokus richtete sich auf die Multiple Sklerose, weil eine Nachbarin daran erkrankt war. Aus der spontanen Zuwendung wurde in kurzer Zeit eine gezielte Aktion, denn Elsner erkannte in den 1980er Jahren, dass es im Landkreis Main-Spessart keine Anlaufstelle, keine Selbsthilfegruppe gab. Kurzerhand gründete sie eine und ließ sich von der Deutschen Multiplen Sklerose Gesellschaft (DMSG) offiziell prüfen und zertifizieren.
Mittlerweile gibt eine aktive MS-Gruppe im Kreis Main-Spessart. Gemeinsam mit ihren Helfern bietet Waltraud Elsner neben den wichtigen regelmäßigen Gesprächskreisen ein anspruchsvolles Jahresprogramm mit Fachvorträgen, Ausflügen und einem mehrtägigen Seminar. Insgesamt 13 große überregionale Veranstaltungen lockten immer mehr Betroffene und ihre Angehörigen an – heute sind es rund 300 Personen.
Großen Wert legt Waltraud Elsner auf ihre drei Sportgruppen, die von zwei besonders geschulten Physiotherapeuten geleitet werden. Schließlich weiß sie auch aus eigener Erfahrung, dass Sport und Bewegung eine große Hilfe für MS-Kranke sind. Sport tut gerade hier nicht nur dem Körper gut, sondern vor allem der Seele, weil er Selbstbewusstsein und Lebensmut stärkt.
Gemäß ihrem eingangs erwähnten Lebensmotto möchte sie auch ihre Schützlinge keinesfalls in Watte gepackt wissen. „Die Leute müssen selbst anpacken, mit ihrer Erkrankung offen umgehen und lernen, auf ihren Körper zu hören!“, so Elsner. Wichtig auch, dass man ihnen nicht zu viel abnimmt. Da dauert es eben mal fünf Minuten, bis die Jacke angezogen oder der Kaffee aufgebrüht ist.
Die Multiple Sklerose hat neurologische Ursachen und kein einheitliches Krankheitsbild. Sie ist so vielfältig wie der Mensch und das Leben. Das erschwert nicht nur die klare Diagnose, sondern auch die Behandlung und ganz besonders die Akzeptanz durch die Umwelt.
Immer wieder werden Betroffene als Simulanten betrachtet. „Du siehst doch gut aus“, so der gelegentliche Vorwurf, weil die Entwicklung meist schubweise verläuft. Die Patienten leiden nicht nur körperlich, sondern müssen sehen, wie die Freunde weniger werden.
Deshalb bemüht sich Elsner auch, dass in ihren Selbsthilfegruppen so weit wie möglich auch das soziale Umfeld mit therapiert wird. Waltraud Elsner ist nicht nur das Herz der MS-Kontaktgruppe, sondern sie setzt sich auch aktiv für die notwendigen Finanzen ein. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit ist sie bemüht, Sponsoren zu finden und Spendengelder zu requirieren, denn die gesetzliche Krankenversicherung zahlt längst nicht alle Aufwendungen.
In diesem Jahr feiert die Gruppe ihr 30-jähriges Bestehen. Für Waltraud Elsner ein Meilenstein und ein Blick in die Zukunft: Denn trotz ihres Alters von 86 Jahren sprüht sie vor Ideen und hat noch viel vor. Mehr als 500 betroffene Menschen hat sie schon im persönlichen Gespräch beraten und das Schönste für sie ist, wenn jemand anschließend sagt: „Danke Frau Elsner, jetzt geht's mir schon etwas besser!“