Als eine Art „Grundbuch vor Ort“ bezeichnet der Karlstadter Rudolf Kalb Grenzsteine. Ihr eigentlicher Zweck ist es zu klären, wem das jeweilige Stück Land gehört und damit Rechtssicherheit herzustellen. Sie waren aber besonders in Franken immer auch Kulturgut und erzählen aus der Geschichte. Kalb hat sich intensiv mit Grenzsteinen befasst und sein Wissen in einem Büchlein zusammengefasst, das jetzt erschienen ist.
Einfach zu erklären sind Grenzsteine, die an ihrem ursprünglichen Platz sitzen und ein Wappen oder Anfangsbuchstaben der Gemeindenamen tragen. So steht beispielsweise auf Gemarkungsgrenzsteinen K für Karlstadt, S für Stetten, LB für Laudenbach, MB für Mühlbach, KB, CB oder C für Karlburg und RB für Rohrbach. Diese Abkürzungen schauen jeweils zu dem Ort, den sie bezeichnen.
Abkürzungen
Doch es gibt auch Abkürzungen, für deren Interpretation einige Fachkenntnis nötig ist. Was bedeutet beispielsweise die Inschrift ST N M 1717 ? Dem Kundigen verrät sie: Stift Neumünster Würzburg mit Jahreszahl 1717. Oder VTHI ? Es bedeutet Von Thüngen Hut Jagd.
Die ältesten bekannten Grenzvermarkungen mit Grenzsteinen begannen im 13. Jahrhundert, die ältesten Gemeindevermarkungen im 14. Jahrhundert.
Heutzutage muss man sich Passwörter merken. Um Grenzsteine davor zu bewahren, dass sie heimlich versetzt werden, legen die Feldgeschworenen (auch „Siebener“ genannt) bis heute ein geheimes Zeichen unter den Stein. Nur ihnen ist bekannt, was das ist und wie sie es platzieren.
Daher spricht man vom „Siebenergeheimnis“. Früher verwendete man ortsfremde Steinchen, zum Beispiel Kiesel oder Schiefer oder zerbrochenes Fensterglas. Später kamen gebrannter Ton, Porzellan, Metall oder gar Kunststoffe zum Einsatz, also Dinge, die nicht verrotten.
Damit auch ja nicht die Position des Steins verändert wird, durfte nicht bis an den Stein geackert oder gehackt werden. Mindestens ein oder zwei Schuh Abstand waren einzuhalten, das sind 30 beziehungsweise 60 Zentimeter.
Wie Rudolf Kalb in seinem Buch schreibt, verfügte das Landgericht Karlstadt 1820: „Jeder Güterbesitzer ist schuldig, die Steine stets genau zu beobachten und jeden Mangel, den er daran bemerkt, innerhalb der ersten 24 Stunden dem Feldgericht anzuzeigen.“
Gemarkungssteine sind meist wuchtiger als die Grenzsteine innerhalb der Gemarkung. Letztere kennzeichnen in den meisten Fällen Grenzen von Acker-, aber auch Waldflächen und Feldflächen und weisen auf die Eigentumsverhältnisse hin, so etwas mit der Abkürzung KW auf Königlichen Wald.
Gemeindesteine markieren den Besitz der Gemeinde, also beispielsweise Gemeindeweiden, Rathaus oder auch Feuergassen zwischen den Häusern.
Kalb beschreibt auch Scheidsteine, die für jedermann zugängliche Wege und Straßen von gemeindeeigenen oder privaten Grundstücken abtrennen.
Heute werden Grenzsteine zu ihrem Schutz oft bodengleich gesetzt. Dabei wird der staatlich anerkannte Granitstein mit zwölf mal zwölf Zentimeter am Kopf und einer Länge von rund 70 Zentimetern verwendet. Diese Steine werden mittig gesetzt. Die Grenze verläuft also mitten darüber.
Älter als Grenzsteine sind nichtbeackerte Feldstreifen, Raine. Darauf weisen oft Flurnamen hin wie Mal, Mahl oder Mehle. Heute macht die rasante Entwicklung der Vermessungstechnik einen so differenzierten Steinsatz wie früher nicht mehr notwendig. Aber mit Unterlagen belegt werden Grenzsteine immer noch, stellt Kalb fest.
Übersicht über Maße
Er liefert in dem Buch eine Übersicht über fränkische, Nürnberger und bayerische Maße. Entfernungssteine gaben an, wie lange man zu einem bestimmten Ziel brauchte. So war eine bayerische Weg- oder Poststunde 3707,49 Metern lang und eine badische 4444 Meter. Ein eigenes Kapitel widmet er den Feldgeschworenen und den Steinsetzern sowie den Strafen, die bei Verletzung der Grenzen drohen.
Verlegt wird das Büchlein „Grenzsteine, Steinsetzer“ von Gerhard Kralik, Karlstadt, Hofriethgasse 2, Tel. (0 93 53) 13 60.