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Lohr: Sascha Lobo in Lohr: Die KI ist bald auch nur ein Mensch

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Sascha Lobo in Lohr: Die KI ist bald auch nur ein Mensch

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    Schlaues Kerlchen, diese KI: Digitalpionier Sascha Lobo hat bei seinem Vortrag in der Lohrer Stadthalle gezeigt, dass Künstliche Intelligenz in der Lage ist herauszufinden, welche Bilder sich unter gröbstem Pixelbrei verstecken.
    Schlaues Kerlchen, diese KI: Digitalpionier Sascha Lobo hat bei seinem Vortrag in der Lohrer Stadthalle gezeigt, dass Künstliche Intelligenz in der Lage ist herauszufinden, welche Bilder sich unter gröbstem Pixelbrei verstecken. Foto: Boris Dauber

    Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz den Gästen in der Stadthalle per Sprachnachricht eine wunderbare Veranstaltung in Lohr wünscht, hat Sascha Lobo, Deutschlands Digitalexperte Nummer eins, die Finger im Spiel. Der 48-jährige Berliner hat am Montag auf Einladung der Raiffeisenbank vor Hunderten Zuschauern über "Zukunftsszenarien der Digitalisierung – und was sie für uns alle bedeuten" gesprochen. An anschaulichen, launigen, aber auch nachdenklich stimmenden Beispielen dröselte der Spiegel-Online-Kolumnist das Thema auf.

    Die einleitenden Worte des Kanzlers sind ein sogenannter Deep Fake. Eine Fälschung also, die Lobo von einer Künstlichen Intelligenz (KI) anfertigen ließ. Dafür musste er die KI nur mit ein paar Scholzschen Sprachproben füttern, um ihn zu seinem Sprachrohr zu machen. "Ich kann Olaf Scholz in 29 Sprachen alles sagen lassen, was ich will", erklärte der Referent. Kurioses Detail am Rande: Damit seine Zuhörer die gefälschte Kanzleransprache überhaupt hören konnten, musste Lobo ein Mikro an den Lautsprecher seines Laptops halten, weil die Technik der Stadthalle versagt hatte.

    Angst vor der Apokalypse

    Die Angst vieler Menschen vor Künstlicher Intelligenz hat laut dem 48-Jährigen damit zu tun, dass führende KI-Forscher und KI-Unternehmer diese selbst geschürt hätten. Sie hätten die KI mit der Auslöschung der Menschheit, dem Atomkrieg und der Pandemie in einen Satz gepackt, berichtet Lobo. Er ist allerdings überzeugt, dass der Mensch die eigene Auslöschung "auf absehbare Zeit besser hinkriegt als jede Maschine". Zumindest ein bisschen tröstlich klingt seine Analyse, dass es selbst KI-Experten extrem schwer fällt, die genaue Entwicklung der Künstlichen Intelligenz vorherzusagen: Was sie noch vor Kurzem als unmöglich bezeichneten, ist plötzlich Realität.

    An einem lässt der Publizist und Blogger aber keinen Zweifel: "KI ist die nächste Stufe der Digitalisierung." Das versucht Lobo den Menschen auch in Deutschland, wo Technologie-Avantgarde in der Industrie und Faxgeräte in der Justiz koexistieren, näher zu bringen. Dafür beantwortet er in seinem Vortrag auch grundlegende Fragen, wie den Sinn der Digitalisierung. Der digitale Wandel geschieht nach Aussage Lobos entlang von Datenströmen.

    "Kraft der Vernetzung"

    Das Beispiel, mit dem er dies in Lohr veranschaulicht, könnte aber analoger nicht sein: Er erzählt von der schlechten Stimmung unter den Studenten der Universität von Oregon. Diese bekamen von der Unileitung im Jahr 1970 ein hässliches Wohnheim gebaut. Zum Ausgleich durften die Studenten den Campus frei gestalten. Sie planierten alles zwischen den Gebäuden und ließen dort Rasen anlegen. Wo der Rasen niedergetrampelt war, wurden später Wege asphaltiert. Lobo spricht vom "effizientesten Wegenetz, das so durch die anonyme Nutzungsdatenerhebung vieler" entstanden ist. Digitalisierung definiert er als "die Kraft der Vernetzung, die in vielen ruht und mit der richtigen Technologie wachgekitzelt wird".

    Sascha Lobo ist Deutschlands bekanntester Digitalexperte.
    Sascha Lobo ist Deutschlands bekanntester Digitalexperte. Foto: Boris Dauber

    Gekitzelt hat der Digitalpionier das Publikum auch mit Beispielen für seine These, dass Datenbegeisterung keine natürliche Grenze kenne. In den USA ist eine App unter jungen Leuten sehr erfolgreich, in der man seine Geschlechtskrankheiten hochladen und mit Freunden teilen kann. Das Teilen über das Smartphone führt aber glücklicherweise nicht zu einem Jucken im Schritt, sondern soll wohl helfen, dass sich andere nicht anstecken.

    Digitale Ungeduld treibt an

    Ein weiterer Innovationstreiber ist die digitale Ungeduld. An der Kasse im Laden drei Minuten anzustehen, sei für die meisten kein Problem. Wenn im Netz ein Bezahlvorgang länger als 1,3 Sekunden dauere, würden laut einer Studie aber viele abspringen, erläuterte Lobo. Der Raiffeisenbank-Vorstand dürfte besonders interessiert zugehört haben, als der Referent vom Konsumentenkredit der WeBank in China erzählte. Dort können Nutzer per Internet-Chat in Sekundenschnelle einen Kredit von bis zu 30.000 Dollar überwiesen bekommen.

    "Die Berechnung des Risikos muss also per KI schon vorher stattgefunden haben", sagt der Berliner. Kein Wunder, gehört WeBank doch zum sozialen Netzwerk WeChat, das in China laut Wikipedia über 1,1 Milliarden Nutzer im Monat hat. All deren Daten hat das Unternehmen bereits abgegriffen und kann daraus das Kreditrisiko jedes Einzelnen ermitteln. "Eine andere Bank, die 24 Stunden oder eine Woche braucht, um einen Kredit zu bewilligen, hat keine Chance mehr", schloss Sascha Lobo.

    Die fortschreitende Virtualisierung von der Hardware hin zur Software und schließlich der vernetzten Software erklärte der Experte am Beispiel der weltweit am meisten verwendeten Kamera: 2006 sei dies noch eine Canon-Digitalkamera gewesen, fünf Jahre später dann die Kamera-App auf dem iPhone. Heute werden die meisten Bilder nach Aussage Lobos mit dem sozialen Netzwerk Instagram gemacht.

    Nach dessen Meinung neigt der Mensch dazu, sich und den Wert seiner Erfahrungen zu überschätzen. Der 48-Jährige veranschaulicht das an dem asiatischen Brettspiel Go, das 3000 Jahre alt ist. Eine KI, die mit Daten von 30 Millionen der klügsten von Menschen gemachten Spielzüge gefüttert wurde, besiegte erst einen menschlichen Go-Weltmeister. Dann unterlag sie aber einer anderen KI mit 0 zu 100. Die Gewinner-KI hatte zuvor ohne menschliche Erfahrungsdaten als Grundlage gegen eine andere ebenso unbeleckte KI 29 Millionen Go-Partien bestritten. "Die bittere Erfahrung daraus ist, dass wir Menschen 3000 Jahre lang nicht verstanden haben, wie Go gespielt wird", betonte Lobo.

    KI wie Industrielle Revolution

    Die Künstliche Intelligenz namens ChatGPT, die vor einem Jahr Furore machte und von der es eine kostenlose Variante gibt, bezeichnet Sascha Lobo als augenöffnend. Er vergleicht die Wirkmacht der KI mit jener der Industriellen Revolution. In China gebe es bis hinab in die Grundschule das Fach "Künstliche Intelligenz". In Deutschland sieht der Digitalpionier dagegen die "Gefahr der Überregulierung". Er verweist auf Studien, in denen selbst Berufsanfänger, die mit einem KI-Assistenten arbeiten, mehr Aufgaben in schnellerer Zeit und höherer Qualität lösen könnten als die KI-lose Vergleichsgruppe.

    Die Folgen im Job seien weniger katastrophal als gedacht, beruhigte Sascha Lobo aber nur vordergründig: "Viele werden nicht durch KI ersetzt, aber vielleicht von jemandem, der KI benutzt." Er plädiert daher für Fort- und Weiterbildung in diesem Bereich. Am Horizont sei bereits die Artificial General Intelligence erkennbar, so Lobo. Dabei handelt es sich in seinen Worten um "eine künstliche Superintelligenz, die dem Menschen ebenbürtig ist".

    Mehr Profit dank der KI

    Die Maschine werde in viele Bereiche eindringen, gibt er seinen Zuhörern mit auf den Weg. Dann zitiert der 48-Jährige eine Studie der Beratungsfirma McKinsey, die dank KI ein enormes Produktivitäts-Plus prophezeit. Die Unternehmen könnten so einen jährlichen Profitzuwachs von 4,4 Billionen Dollar erreichen. "Wir müssen die KI-Transformation mitgestalten, um ein wohlhabendes Land zu bleiben", betont Sascha Lobo.

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