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LOHR: Die Lohrer Mannequins und der silberne Kelch

LOHR

Die Lohrer Mannequins und der silberne Kelch

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    Jesus reicht einem Jünger – vermutlich Johannes – Brot und Wein: Zwei Mannequins, die am Karfreitag durch Lohrs Straßen getragen werden. Mannequins wurden früher Gliederpuppen genannt. Bei diesen sind nur Köpfe und Hände aus Holz. Die Kleidung ist über Holzgestelle gezogen.
    Jesus reicht einem Jünger – vermutlich Johannes – Brot und Wein: Zwei Mannequins, die am Karfreitag durch Lohrs Straßen getragen werden. Mannequins wurden früher Gliederpuppen genannt. Bei diesen sind nur Köpfe und Hände aus Holz. Die Kleidung ist über Holzgestelle gezogen. Foto: Foto: Wolfgang Dehm

    Die Karfreitagsprozession kann heuer einen bedeutenden Jahrestag feiern. Denn vor 200 Jahren stand sie auf der Kippe. Die königlich-bayerischen Behörden wollten die Prozession in der bisherigen Form nämlich um 1818 herum verbieten. Dagegen aber führte der damalige Stadtpfarrer Joseph Anton Schmitt wirtschaftliche Argumente ins Feld: Die Bäcker, Schuhmacher, Metzger und Wirte hätten durch das herbeiströmende Volk einen guten Absatz ihrer Waren und eine Abschaffung würde „unangenehme Auftritte bei dem Volk verursachen“, hat Karl Anderlohr herausgefunden, Vorstandsmitglied des Freundeskreises Karfreitagsprozession.

    Karfreitag war damals noch kein Feiertag. Schmitts Widerstand war erfolgreich. So zieht die Lohrer Prozession, deren Wurzeln mindestens ins Jahr 1656 zurückreichen, bis heute durch die Stadt – während ähnliche Prozessionen in vielen süddeutschen Städten im Zuge der Aufklärung abgeschafft wurden.

    Seit den 1950er Jahren startet der Zug um 10.30 Uhr

    Vor 100 Jahren startete der Zug um 13 Uhr, seit den 1950er Jahren um 10.30 Uhr. Die 1,5 Kilometer lange Route führt vom Kirchplatz die Lohrtorstraße hinunter, am Seeweg der Stadtmauer entlang, über den Steinmühlplatz zur Fischergasse und geradewegs die Graben- und die Anlagenstraße hinauf, die Alfred-Stumpf-Straße der ehemaligen Brauerei entlang und dann die Hauptstraße hinunter zurück zum Kirchplatz. Erst dort wird dann gebetet und gesungen. Der Schweigemarsch selbst wird nur durch dumpfe Paukenschläge, Passionschoräle und Trauermärsche unterbrochen.

    Das gut einstündige Erlebnis mit seiner einzigartigen Atmosphäre lockt alljährlich mehrere tausend Besucher nach Lohr. Viele drängen sich in der Hauptstraße, wer das Gedränge meiden will, ist etwa am Seeweg besser aufgehoben.

    Mit der Prozession wird des Leidens und des Todes Jesu gedacht. 13 lebensgroße Figuren symbolisieren den Weg Jesu vom letzten Abendmahl bis zum toten Christus im Grab.

    Das Erbe der Zünfte

    Betreut und getragen werden die Figuren von Angehörigen verschiedener Berufsgruppen, heißt es in der vereinfachten Beschreibung. Doch viele der einstigen Handwerksberufe gibt es heute nicht mehr in der Region. Die Schneider etwa kümmern sich um die Figur „Kleiderberaubung“. Diese Vollholzschnitzerei des Lohrer Bildhauers Hermann Amrhein dürfte vom Gewicht her die schwerste Figur sein. In der Nachfolge der Schneider wird sie von Vertretern aus dem Textilgewerbe getragen.

    Nicht nur bei dieser Figur wechseln sich die Träger ab. Überwiegend sind es Männer, hie und da packen inzwischen aber auch Frauen mit an – nicht nur bei der Pieta, die traditionell schon immer von Frauen getragen wurde.

    Feuerwehrleute statt Fischer

    Für die letzte Figur, die des Propheten Jona im Maul eines Walfisches, die symbolisch auf die Auferstehung Jesu hinweist, wären an sich die Fischer prädestiniert. Tatsächlich sind vor Jahren schon die Lohrer Feuerwehrleute für sie eingesprungen, jedoch nicht in Uniform, sondern in Zivil.

    Wagner und Schmiede gibt es heutzutage auch keine mehr. So wird die Figur „Gefangennahme“ von Männern geschleppt, die in modernen Metallberufen beschäftigt sind. Das „letzte Abendmahl“ trugen früher die Küfer, deren Handwerk ebenfalls nicht mehr in der Region vertreten ist. In die Bresche gesprungen sind die Altherren-Fußballer des TSV Lohr. Der Bezug: Deren Stammlokal war einige Zeit lang die Küferstube in der Bahnhofstraße gewesen.

    Die ältesten Figuren

    Die drei ältesten Darstellungen dürften nach Einschätzung Anderlohrs der „Jesus trägt das Kreuz“, „Die Geißelung“ und „Ecce Homo“ sein. Diese drei Holzfiguren, der Handschrift nach vom selben Bildhauer gefertigt, dürften aus dem 17. oder 18. Jahrhundert stammen.

    Der Art nach am ältesten aber sind vermutlich die so genannten „Mannequins“. Dieser Begriff wurde früher für Glieder- und Modellpuppen benutzt und erst später auf Frauen übertragen, die Kleidung präsentieren. Bei der Prozession sind es Figuren aus Holzgestellen und mit Gewändern angetan. Nur die Köpfe und Hände sind holzgeschnitzt.

    Der Kelch aus echtem Silber

    Genau datiert ist nur ein kleines Attribut in der Darstellung „Das Heilige Abendmahl“: der Kelch aus Silber, den Jesus in Händen hält. Er ist verschraubbar und so wertvoll, dass er nur für die Prozession eingesetzt wird. Wenn die Figuren wieder in der Kapuzinerkirche gelagert werden, wird er durch ein Exemplar aus weniger wertvollem Material ersetzt.

    Der Kelch, geschaffen vom Lohrer Goldschmied Brunn, trägt das eingravierte Zunftzeichen der Büttner und die Jahreszahl 1782. In die heutige Figurengruppe übernommen wurde er 1937 von einer älteren Figur, die Christus als Hohepriester des Neuen Bundes im Messgewand an einem kleinen Altar stehend zeigte. Die Station wurde jahrhundertelang durch die Büttnerinnung betreut. Heute sind Bierbrauer und Gastwirte an ihre Stelle getreten.

    Karfreitag: der freundlichste Tag dieser Woche

    Wie jedes Jahr verfolgen die Organisatoren vom Freundeskreis schon seit Tagen gespannt den Wetterbericht. Der aktuelle stimmt sie optimistisch: „Der Karfreitag ist noch der freundlichste Tag des Osterwochenendes“, verheißen die Meteorologen. Meist bleibt es trocken, nur im Norden sind Schauer unterwegs. Südlich des Mains lockern die Wolken gebietsweise sogar auf und setzt zeitweise die Sonne. Im Süden werden bei etwas Sonnenschein Temperaturen zwischen 14 und 18 Grad erreicht.

    „Die Temperaturen sind egal“, sagt Anderlohr aus langjähriger Erfahrung. „Hauptsache ist: Es bleibt trocken.“ Denn die historischen Figuren nach einem Regenguss wieder trocken zu kriegen, sei eine Mordsarbeit.

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