„So schnell schießen die Preußen nicht“ – eine Redewendung, die zwar weithin bekannt, aber deren Ursprung nicht genau geklärt ist. Manche Historiker führen sie darauf zurück, dass die Preußen Deserteure zwar halb tot prügelten, aber nicht gleich mit dem Erschießungskommando zur Stelle waren. Andere verweisen auf das Mitte des 19. Jahrhunderts in der preußischen Armee eingeführte Zündnadelgewehr, dass gegenüber dem bisherigen Vorderlader eine drei- bis fünffach schnellere Schussfolge erlaubte.
Die genaue Herkunft der Redewendung kennt auch der Hofstettener Anton Wirthmann, der Vorsitzende des Langenprozeltener Schützenvereins, nicht, obwohl sein besonderes Steckenpferd historische Zündnadelgewehre sind. Am Sonntag, 12. Oktober, werden beim Tag der offenen Tür zum 60-jährigen Bestehen des Vereins im Schützenhaus am Zollberg ein rundes Dutzend dieser Raritäten zu sehen sein, wie sie beispielsweise im Deutschen „Bruderkrieg“ 1866 vom siegreichen Königreich Preußen gegen den Deutschen Bund eingesetzt wurden.
Spezielle Wettkämpfe
Vorab präsentierte der Erste Schützenmeister Wirthmann zwei Exemplare aus seiner Sammlung, mit denen er erfolgreich an speziellen Wettkämpfen in ganz Deutschland teilnimmt: ein Infanteriegewehr von 1871 mit hellbraunem Ahornschaft und eine Jägerbüchse, Baujahr 1865, mit dunkelbraunem Nussbaumholz. Beide Waffen vom Kaliber 15 Millimeter stammen aus einer Werkstatt in Berlin-Spandau und haben verblüffend fein gearbeitete Visiere, um die Entfernung richtig einzuschätzen.
„Die Treffsicherheit ist bei 100 bis 200 Metern gut und auf der Wettkampfdistanz von 50 Metern sehr gut“, sagt Wirthmann und lobt: „Das Material ist top, die Preußen haben gute Arbeit abgeliefert.“ Einige 1000 Euro sind die Flinten wert, mit denen heute noch bei den Wettkämpfen geschossen wird. Nachbauten sind verpönt. In Deutschland und Österreich gibt es etwa 50 Schützen – man kennt sich untereinander und einige kommen sogar in historischen Uniformen zu den Treffen, vor allem nach Sömmerda in Thüringen. Dort spendiert der Ururenkel von Johann Nikolaus von Dreyse, der dort 1827 das Zündnadelgewehr erfand, den Schützen jedes Jahr einen Pokal.
Eine Kunst für sich ist das Fertigen der Patronen mit der Papierhülse. Da muss die Mischung des Pulvers stimmen und das Zündplättchen in der Mitte richtig platziert sein, damit es genau von der spitzen Nadel getroffen wird. Die Infanteristen führten damals die Munition in der Patronentasche mit sich, und die Hülsen waren gegen Feuchtigkeit mit Öl oder anderen fetthaltigen Substanzen präpariert und dadurch haltbarer, weiß Wirthmann. Geladen wird der Lauf mit dem Schloss von hinten. Nach Betätigen des Abzugs schlägt die lange Zündnadel durch den Patronenboden weiter durch das Pulver bis zum Zündelement, im Gegensatz zu den heute gebräuchlichen Schlagbolzen, die nur millimeterweit heraustreten, um den Schuss auszulösen.
Beim Betrachten der mehrere Zentimeter großen Löcher, die von den über 30 Gramm schweren Bleikugeln in die Wettkampfscheibe gerissen werden, kann man erahnen, welche verheerende Wirkung diese Waffen im Kriegseinsatz hatten. Für Wirthmann ist das Hobby mehr als nur das Schießen. Ihn faszinieren vor allem die Technik sowie die Konzentration und Spannung beim Sport. Und nicht vergessen sei die Geselligkeit, die im Schützenverein gepflegt wird.
Tag der offenen Tür am Sonntag
Am Tag der offenen Tür am Sonntag stellen die Mitglieder des Schützenvereins Langenprozelten und die Freunde der „Spessart Gunners“ am Schützenhaus den Schießsport vor. Gegen eine Gebühr von fünf Euro, die die Kosten für Versicherung und Munition abdeckt, besteht die Möglichkeit, unter fachkundiger Anleitung selbst das Schießen mit Pistole, Revolver und Gewehr auszuprobieren. Die Ausstellung der historischen Gewehre ist von 10 bis 20 Uhr zu sehen, für das leibliche Wohl ist gesorgt.
Näheres unter www.schuetzenverein-langenprozelten.de und www.tonis-zuendnadelseite.de
Zündnadelgewehr
Das Zündnadelgewehr hat Johann Nikolaus von Dreyse 1827 in Sömmerda in Thüringen entwickelt. Neu waren auch die Zündnadelpatronen, die neben Geschoss und Treibladung nun ebenfalls das Zündelement enthielten. Es war das erste militärisch nutzbare, in Massenstückzahl produzierte Hinterladergewehr mit einheitlichen Patronen. Das Zündnadelgewehr verwendete die preußische Armee bis 1876. Ihre Erfolge im Deutschen Krieg 1866 führten zu einer Umstellung der Infanteriebewaffnung auch in anderen Staaten. Die Hinterladung und der Zylinderverschluss revolutionierten die Waffentechnik.