Nach einigen Experimenten in den vergangenen Jahren fand sich wieder einmal ein Damen-Salonorchester für das Neujahrskonzert der Stadt Karlstadt. Und was für eines! Die Rheinsirenen, sechs klassisch ausgebildete Musikerinnen aus Köln, präsentierten „Donauwellen und Mozartkugeln“ und nebenbei noch einen Parforceritt durch Klassik, Schrammelmusik, Schlager, Charleston und Swing.
„Die Donauwellen schwappen durch zehn Länder und ihre Musik“, erläuterte Violinistin Verena Schmidt-Wittmann. „Und die Mozartkugeln gibt's später.“ Der erste Teil des Konzerts gehörte dann auch der Popmusik des alten Wien: dem Walzer, dem Wienerlied, der Schrammelmusik und den Operettenmelodien der Gebrüder Strauß und von Robert Stolz. Den zuckersüßen Wiener Klang präsentierten die Rheinsirenen in Perfektion, aber durch die klassischen Töne jauchzte und schluchzte auch die jiddische Klezmer-Klarinette und die Zigeuner-Geige sorgte für Gänsehaut. Wien in der „guten alten“ k.u.k.-Zeit war eben auch ein Schmelztiegel der Kulturen, und den Musikern war's damals gerade recht.
Neben der virtuosen Spielfreude auf zehn Instrumenten überzeugten die Rheinsirenen fast beiläufig auch noch als Sängerinnen. Ob solistisch, im zwei- oder dreistimmigen Satz, mal schräg, mal süß. Dass die Band dezente Verstärker benutzte, fiel fast nicht auf. Sie hätten es wohl auch ohne gekonnt. Es klang einfach alles gut im großen Saal. Auch die schrägen Witze aus dem Hintergrund: „Das nächste Stück heißt ,Zwei Gitarren‘“. – „Sie werden bemerken, wir haben nur eine“, kommentierte Schlagzeugerin Gabriele Jüttner. Das Stück gelang trotzdem.
Mozarts „Rondo alla Turca“ spielte die Band in der „Bearbeitung einer Bearbeitung einer Bearbeitung“: Viel Rheinsirenen, aber auch noch eine ganze Menge Mozart. Und die Post ging ab, auch wenn Schlagzeugerin Jüttner fast überzeugend erklärte: „Das Stück kenne ich nicht.“ Und der schräge Humor feierte weiter fröhliche Urstände: In der Pause gab es bei der Band Mozartkugeln zu kaufen, „das Stück für 15 Euro, und es gibt noch eine CD dazu!“
Zeitreise in die wilden Zwanziger
Nach der Pause ging es in die wilden zwanziger Jahre: „Schöne Argentina“, „Esmeralda“ und „Fräulein Grete“ präsentierten Frauentypen und Musikstile, wie man sie sich zu dieser Zeit in den Berliner Tanzlokalen vorstellte: die kühle Südamerikanerin, die rassige Spanierin und den Berliner Vamp, der nur Tanzen im Kopf hat. Pianistin Dorrit Bauerecker zeigte, dass man Flamenco auch auf dem Akkordeon virtuos interpretieren kann, und beim Tango bewies die Band, dass nur eines schöner sein kann als das argentinische Original: deutscher Tango in der Interpretation der Rheinsirenen.
Dass Fräulein Grete gerne Charleston tanzt, ist da fast schon selbstverständlich, und die Rhythmusgruppe mit Gabriele Jüttner, Antje Haury am Kontrabass und Gitarristin Barbara Lechner, die hier zum Banjo wechselte, ließ es entsprechend krachen. Die beiden Frontfrauen, Verena Schmidt-Wittmann und Melanie Werner an Klarinette und Saxophon, ließen sich zu einem kleinen Tänzchen verleiten, das vom Publikum mit stürmischem Applaus honoriert wurde. Schade nur, dass das hübsche Fräulein Grete sein Herz an den Falschen verschenkt: „Bel Ami“ und „Schütt die Sorgen in ein Gläschen Wein“ kamen mit einem Schmelz daher, wie ihn die gefühligsten UFA-Filme nicht besser zeigen konnten.
Dass sie bei aller Virtuosität trotzdem kein ganz normales Ensemble sind, bewiesen die sechs Musikerinnen noch einmal in der Zugabe: Wer sonst kann schon den Radetzkymarsch, die Titelmelodie der Uralt-Fernsehserie „Bonanza“ und Beethovens fünfte Symphonie in einem einzigen Stück interpretieren, inklusive Blockflöten-Trio? Wir freuen uns auf ein Wiedersehen (und -hören)!