Lissi Friedel ist 29 Jahre alt, als ein Verkehrsunfall sie am 25. Juli 1994 aus dem Leben reißt. In Frammersbach ist die Trauer um die junge Frau mit dem fröhlichen Wesen groß. Ihre Eltern und die Brüder Werner und Rudi, versuchen, in ihrem Schmerz dem Tod dennoch etwas Positives abzuringen.
Sie bitten die Trauergemeinde um Spenden anstelle von Blumen und Kränzen. Lissi hatte ihre Berufung als Erzieherin gefunden und einige Monate in Tansania ihre dort tätige Tante, die Ordensschwester Lioba (Helene Friedel), unterstützt. Deshalb möchte die Familie mit den Spenden Kinder in Tansania fördern. Bereits zur Beerdigung und unmittelbar danach kommen 14000 Mark zusammen, erinnert sich Werner Friedel.
Starthilfe geben
Mit dieser Summe habe die Familie nicht gerechnet, erzählt Werner Friedel kürzlich im Gespräch mit der Redaktion, an dem auch sein Neffe Felix Geiger aus Frammersbach und Pfarrer Juvenal Kimario aus dem tansanischen Uomboni teilnehmen.
Die Geldspenden sollten möglichst sinnvoll eingesetzt werden. Sie entscheiden sich, für einen Kindergarten, um den Grundstein für ein Ein- und Auskommen im späteren Leben bei den Jüngsten zu legen. Der Anfang sind vier Rundhütten in Mtwara, jenem Ort, an dem die Tante in der Mission arbeitet. Pater Ildefonds hatte sich längst einen Kinderhort für ein Elendsviertel der Stadt gewünscht, aber kein Geld.
Vier Jahre nach dem Tod Lissi Friedels fliegt ihr Bruder Werner nach Tansania: Ein festes Gebäude für den Kindergarten ist fertig und wird an Pfingsten 1998 eingeweiht. Er trägt den Namen St. Elisabeth. Ermöglicht haben dieses Projekt viele Menschen aus Frammersbach und Umgebung, die weiter gespendet und Patenschaften für Kindergartenplätze übernommen haben.
Inzwischen hat die Kinderhilfe Tansania weiteren Kindergärten in Tansania Starthilfe gegeben, eine Krankenstation und Projekte für Kinder, Jugendliche und Behinderte angeschoben. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in einem Waisenhaus wurden verbessert. Mit Ausnahme der acht Kindergärten der Pfarrei St. Paul in Mtwara, die laut Werner Friedel komplett durch Spenden und Patenschaften finanziert werden, sind alle anderen Initiativen der Kinderhilfe verknüpft mit dem Engagement der Einheimischen.
Zusammen mit Einwohnern
Starthilfe werde nur gegeben, wo sich die Bevölkerung beteiligt und die Einrichtungen weiterträgt. »Das ist unser Konzept«, sagt Werner Friedel. Ihn unterstützen die Familie, Verwandte, Freunde. Die Spendenbuchhaltung läuft über die Missionsbenediktiner Münsterschwarzach.
Am Beispiel Krankenstation und Peronennahverkehr in Uomboni, erläutern Werner Friedel, Felix Geiger und Juvenal Kimario die Zusammenarbeit und Synergien zwischen Kinderhilfe, der Bevölkerung und der Pfarrei. Felix Geiger, der Elektrotechnik studiert hat, hat 2017 Jahr als Praktikant und Ersatzlehrer am Hugo-Mill-Ausbildungszentrum in Uomboni für sechs Monate gearbeitet.
Dieses Jahr hat er, statt selbst eine Urlaubsreise zu unternehmen, Pfarrer Kimario einen Aufenthalt in Frammersbach geschenkt. Zuständig ist Kimario für gut 9000 Einwohner, mit einem nahezu 100-prozentigen Anteil an Katholiken und mangels staatlicher Strukturen ist der Pfarrer in Uomboni praktisch auch so etwas wie ein Bürgermeister.
Bis 2008 gab es laut Kimario und Friedel keine Krankenstation in der Gemeinde mit ihren vielen weitverstreuten Ortsteilen. Die örtlichen Akteure hätten zusammen mit der Kinderhilfe Tansania entschieden, die Station so auszustatten, dass sie Leistungen nach dem gerade im Aufbau befindlichen tansanischen Gesundheitssystem anbieten kann.
Mit finanzieller Unterstützung aus Frammersbach wurde ein Labor eingerichtet und ein solarbetriebener Kühlschrank angeschafft. So können Impfstoff und Medikamente gelagert und verabreicht werden. So konnte ein pensionierter Arzt für das Projekt gewonnen und angestellt werden, schildert Pfarrer Kimario.
Strom treibt vieles an
Ein wesentlicher Faktor bei der Verbesserung der Lebensbedingungen ist die Stromversorgung. Dank Solartechnik haben wichtige Einrichtungen Strom. Elektro- und Solartechnik werden am Hugo-Mill-Ausbildungszentrum in Uomboni vermittelt. Durch die Ausbildung bekämen jungen Menschen Arbeit am Ort und in den Städten, in der Gastronomie oder als Automechaniker und Elektriker. »Das fördert das Selbstbewusstsein. Sie können ihre Familien ernähren.« Werner Friedel sagt: »Es macht die Menschen stolz und gibt ihnen Würde.«
Das wiederum motiviere, die Infrastruktur zu verbessern, Straßen auszubauen, die Stromversorgung voranzutreiben. Felix Geiger: »Das gibt Perspektiven für die Menschen, in ihrer Heimat zu bleiben.« So sieht es auch der Pfarrer. Das schaffe Arbeitsplätze. Wer Arbeit habe, baue ein Haus.
»Es ist viel Positives entstanden«, sagt Irma Friedel, die Mutter. Darauf werde sie immer wieder angesprochen. Irma Friedel war dreimal mit in Tansania und hat gesehen, was sich aus der Kinderhilfe entwickelt hat. Doch den Verlust des eigenen Kindes, können all die Fortschritte, die angestoßen wurden und werden, nicht ungeschehen machen. »Es ist traurig und bleibt sehr traurig«, spricht die Mutter aus, was man nicht gegeneinander aufwiegen kann.
Werner Friedel sagt: »Mein Lebensplan war es nicht. Ich sehe die Kinderhilfe Tansania mit einem lachenden und einem weinenden Auge.« »Ein Trost ist es. Das ja«, fügt Irma Friedel hinzu.
Bildung und DynamikDas Konzept der Kinderhilfe Tansania zielt seit Beginn an auf Bildung und orientiert sich an Bedürfnissen, die die Menschen vor Ort äußern.Kindergärten waren es am Anfang. Eine Berufsschule ist mit dem Hugo-Mill-Ausbildungszentrum in Uomboni hinzugekommen. Auch sie hat einen traurigen Hintergrund: Hugo Mill, ein Freund Rudi Friedels, hatte vor seinem Tod im August 2007 der Kinderhilfe 10000 Euro zugesprochen. Damit wurde eine Schule gebaut. Mit dem Gymnasium der Diözese Moshi in Uomboni besteht laut Werner Friedel ein enger Austausch.Dieses ist laut Pfarrer Juvenal Kimario dank guter Qualität im Schul-Ranking nach oben gestiegen, was 35 Internatsschüler nach Uomboni bringt.Erwachsenenbildung läuft in Kooperation mit Menschen vor Ort: Pflege- und Kochkurse und technikorientierte Angebote. »Wo Bildung ist, entsteht eine innere Dynamik«, sagt der Pfarrer. Die Menschen hätten neue Ziele, wollten die Infrastruktur in ihrer Umgebung verbessern. Einen Ort, der Fortschritte macht, könne man nicht übersehen. Dann werde auch mal vom Staat eine Straße ausgebaut, was erneut Dynamik erzeuge. (MEMB)

