Wenn Ludwig Schmitt den 23 PS starken 3-Zylinder-Dieselmotor seiner Delphin II anlässt, dann ist der Rentner in seinem Element. "Ruhe ist das wichtigste bei der Seefahrt", sagt er und kurbelt beim Ausparken im Lohrer Sportboothafen bedächtig am Steuerrad. Unter ihm brabbelt der Dieselmotor des 6,75 Meter langen Kutters leise vor sich hin. Auf Fischfang geht Schmitt auf dem Main freilich nicht. Er fährt einfach um des Fahrens willen.
23 PS - 13 Kilometer pro Stunde
Der Fischkutter ist ein so genannter Verdränger: rundlicher Rumpf, rund 70 Zentimeter Tiefgang und mit einer Spitzengeschwindigkeit von 6 Knoten (rund 13 Stundenkilometer) völlig untauglich für Geschwindigkeitsenthusiasten.
Genau das ist es, was Schmitt an seiner Delphin II so schätzt. "Es sieht aus wie ein Schiff und läuft wie ein Schiff", schwärmt er. Für die schnellen Gleiter, also die Sportboote, die mit oft mehr als 100 PS und 60 km/h über den Main brausen, kann sich Schmitt nicht begeistern. Er liebt das gemächliche Dahingleiten - "weil man dabei das Wasser viel mehr erlebt, einen viel schärferen Blick für Pflanzen und Tiere hat", erklärt er.
Weil er "schon immer auf das Wasser gewollt habe", ist die Delphin II nicht das erste Boot in Schmitts Besitz. 1942 kaufte der gebürtige Lohrer sich als Kind das erste Paddelboot, zwei Jahre später ein Ruderboot für zwei Mann. Ursprünglich wollte er gar Seefahrer werden. Die Bewerbungsunterlagen für die Norddeutsche Lloyd, eine zivile Reederei, hatte Schmitt schon in der Tasche. Da zerstörten die Luftangriffe auf Hamburg nicht nur die Schule für die Seefahrer, sondern auch die Seefahrerkarriere von Ludwig Schmitt. Er entschloss sich 1943 eine technische Ausbildung zu beginnen, bei Rexroth in Lohr.
1944 wurde er als 16-Jähriger noch zur Marine eingezogen. Dort, in der Modellbauschule in Nigripp an der Elbe, lernte er die Kniffe im Holzbootbau, die ihm später auch beim Restaurieren seines Fischkutters hilfreich sein sollten. Auch sonst war Schmitt ein Leben lang in der Welt der Technik daheim. Bei Rexroth arbeitete er sich bis zum Sicherheitsingenieur hoch, leitete zuletzt die Hauptabteilung Sicherheit und Arbeitsschutz.
Ein Tüftler war Schmitt auch im Privaten, und natürlich auch bei seinen Booten. Die wurden über die Jahre immer größer. Einem Schlauchboot mit Außenbordmotor folgte 1984 das erste Kajütboot. Sein größtes Boot war schließlich eine "Saga 27", satte 8,30 Meter lang. Doch die sei ihm irgendwann zu groß geworden. 1995 kaufte sich Schmitt schließlich den Fischkutter. Für 18 000 Mark von einer Werft in Hamburg. Auf dem Autoanhäger transportierte er ihn nach Lohr. In den Folgejahren hat er das Boot überholt und schrittweise nach seinen Vorstellungen umgebaut - vor allem im Detail. Ein Schränkchen für die Kaffeetassen hier, ein Mahagoni-Tischchen da. Auch die elektrische Installation hat Schmitt erneuert und einen Schlafplatz nachgerüstet.
Der wird freilich nur selten genutzt. Denn anders als früher unternimmt der 75-Jährige aus gesundheitlichen Gründen heute keine längern Fahrten mehr auf dem Main. Während der Saison von April bis Oktober liegt die Delphin II meist im Yachthafen in Kleinwernfeld. Von dort startet Schmitt mit Familie und Bekannten bestenfalls noch zu Tagesausflügen. Manchmal schippert er auch "zum Eisessen nach Gemünden". Im Lohrer Sportboothafen macht er zumeist während der Spessartfestwoche die Leinen fest.
"Schwimmende Telefonzelle"
Bei all dem kann sich Ludwig Schmitt an den einfachen Dingen der Bootsfahrt erfreuen, am Morgennebel früh um 5 Uhr, an der auf dem Main erlebten Abenddämmerung, an der Natur am Flussufer. Für viele Menschen sei das Boot ein Prestigeobjekt, hat Schmitt erkannt. Deswegen hätten ihn auch "viele für verrückt erklärt", weil er sich mit dem Kauf des Fischkutters gegenüber seinem vorherigen Boot verkleinert habe. Schmitt indes stört sich nicht an solchem Gerede.
Auch nicht daran, dass sein Fischkutter von Spöttern wegen seines markanten Aussehens schon mal als "schwimmendes Telefonhäuschen" oder noch schlimmer als "schwimmendes Sch...häuschen" bezeichnet wird. Darüber kann der 75-Jährige sogar herzhaft lachen. "Manche haben hohe Ansprüche an den Komfort, brauchen goldene Wasserhähne. Ich nicht", sagt er über seinen eher rustikalen Kutter und schiebt mit der rechten Hand den Gashebel nach vorne. Die Delphin II hebt sich minimal aus dem Wasser und beschleunigt mainaufwärts auf 12 km/h. Ludwig Schmitt ist glücklich.