Im Saal des alten Lohrer Rathauses wurde am Donnerstag die Jubiläumsausstellung zum 25. Geburtstag der Lohrer Künstlergruppe SpessART eröffnet. Lohrs stellvertretende Bürgermeisterin, Brigitte Riedmann, würdigte das Schaffen der Gruppe und überreichte einen Scheck an SpessART-Sprecher Roland Schaller.
Klaus Fritsch blickte zurück auf den Beginn einer 25-jährigen Erfolgsgeschichte. Als ehemaliger kaufmännischer Leiter von Indramat hatte er dazu angeregt, zur Einweihung des Firmenneubaus im Industriegebiet Süd eine Ausstellung mit Werken von Künstlern aus Lohr und Umgebung zu gestalten (wir berichteten).
Franz Josef Strauß und die Kunst
Für Erheiterung unter den Vernissage-Gästen sorgte eine Anekdote, die Fritsch zum Besten gab: Bei der Übergabe besagten Neubaus durch den Mannesmann-Vorsitzenden Werner Dieter war auch der ehemalige bayerischen Ministerpräsident Franz Josef Strauß anwesend und dessen Leibwächter brachte der 2004 verstorbene Maler Lev Sigalevitch in arge Bedrängnis, als dieser sich dem Landesvater näherte und ihm ein Bild schenkte. Worauf Strauß fragte: „Was ist darin die Aussage?“
Cornelia Krug-Stührenberg, Gründungsmitglied von SpessART, dankte der Stadt und allen voran Kulturamtsleiter Peter Häring, „der uns äußerst hilfreich zur Seite stand“. Zum Thema „Wie funktioniert Kunst?“ zitierte sie den Evolutionsbiologen Thomas Junker. Es sei alles andere als einfach, sich in einer Gemeinschaft über widersprüchliche Wünsche auszutauschen und zu einem für alle Seiten zufriedenstellenden Resultat zu kommen. Um dies zu erreichen, sei in der Evolution der Menschen das spezielle Werkzeug „Kunst“ entstanden. Indem sie kollektive Fantasien auf wertvolle Weise präsentiere, erleichtere sie es den Individuen, sich mit einem gemeinsamen Ziel zu identifizieren.
Der Schneewittchensarg
Im Alten Rathaus indes funktioniert Kunst so: Beim Betreten des Saals sorgt zur Rechten Udo Breitenbachs „Schneewittchensarg SK 55“ für Schmunzeln. Die Radio-Plattenspielerkombination, die Industriedesigner Dieter Rams, ehemaliger Leiter der Formgebung beim Elektrohersteller Braun, Anfang der 1960er Jahre zusammen mit Hans Gugelot zum Kultklassiker machte, hat Objektkünstler und Design-Sammler Breitenbach zur Ausstellung in der Schneewittchenstadt Lohr inspiriert. Hinter dem HiFi-Sarg recken vier Zwerge ihre Zipfelmützen in die Höhe.
Hartwig Kolb zeigt eine Reihung an Kompositionen von Lanzarote-Gemälden. „Maretas“ (Aquarell, Pigmente, Ölpastell) strahlt in sattem Rot aus grünem Grund, auch „Vorstoß“ und „Fossil“ erstrahlen in der Kraft leuchtender Farben. Die Bilder fußen im Abstrakten und bergen doch Anklänge organischen Lebens wie Pflanzenteile, Flechten oder Insekten in sich.
Die Stirnseite des Rathaussaales schmücken Gemälde von Cornelia Krug-Stührenberg: Das Aquarell „Kamele“, „Die Hockende“ in weichem Blau und Grün, die großformatigen Werke „Aufwärts“ (Öl und Sande) und „Stufen“. Sie sind in zarten Pastelltönen gehalten und nehmen Bezug auf die Arbeitsaufenthalte der Malerin in Indien.
Davor ruht die „Paar“-Skulptur aus weißer Keramik von Bettina Seitz. In ihrer „Fossilien“-Installation aus Jesmonite Acrylharz und Glasfasern geht die Bildhauerin weg vom Figürlichen und wendet sich der experimentellen Kunst zu.
In der Saalmitte malt Jan Peter Kranig mit „Wald im Gegenlicht“ ein Spiel aus Licht und Schatten. In seinen „Lilien“ und „Grasbildern“ tut sich die Natur in ihrer schönsten Form auf; Lichtreflexe tanzen im rhythmischen Schwingen der Linien.
Entlang der linken Raumseite wird auf einen Blick klar, wessen unverwechselbare Handschrift die Zeichnungen „La femme obscure“, „Die Sitzende“, „Die Schreitende“ oder der schwarze, bruchstückhaft dargestellte Torso „Sisyphus“ (Tusche auf hellem Grund) tragen. Es ist die von Roland Schaller. Er entzieht den Betrachter der herkömmlichen Sehweise, dringt in die Tiefe seiner Gestalten, macht deren Anatomie undefinierbar und löst Formen auf.
Zwischen den Bildwerken ragen expressionistische Skulpturen in Menschenform in die Höhe. Der Holzbildhauer Konrad Franz aus Hausen hat sie mit der Axt geschaffen. „Kathi“, „Mira“ und „Gert“ hat er farblich gefasst, ebenso eine Frauenskulptur in Rot aus Weymouthkiefer, die ein Kind in ihren Armen birgt.
Die Ausstellung im Alten Rathaus ist noch bis 20. Oktober zu sehen. Öffnungszeiten sind Dienstag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr, Samstag 11 bis 13 Uhr und 14 bis 18 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr. Parallel dazu ist im Fischerhaus, Große Kirchgasse 3/5, die Retrospektive „25 Jahre 25 Werke“ zu sehen.
Ab sofort werden im Rahmen der Jubiläumsausstellung fünf Modelle für den 1. Lohrer Kunstpreis gezeigt zum Thema „Schneewittchen verzaubert Lohr“. Die Ausstellungsbesucher haben die Möglichkeit, ihr Votum für einen der Vorschläge abzugeben. Das Modell, das die meisten Stimmen erhält, bekommt die Publikumsstimme beim Kunstpreis-Entscheid.