Schon am 30. Mai 1856 entwarf ein Künstler namens Hoffmann den prächtigen Orgelprospekt für die ein Jahr zuvor neu eingeweihte St.-Vitus-Kirche in Waldzell. Kurze Zeit später wurde darin die erste mechanische Orgel von Wilhelm Friedrich Beyer aus Schweinfurt eingebaut.
Hinter diesem Orgelprospekt befindet sich auch die jetzige pneumatische Orgel, die von der Orgelbauanstalt Willibald Siemann aus München/Regensburg im Jahr 1929 als Opus 453 eingebaut wurde.
Entschlossen hatte sich die Lokalkaplanei St. Vitus Waldzell unter Lokalkaplan Josef Kern bereits 1928, als sie zwei Angebote über eine neue Orgel einholte. Die Angebote der Firma Siemann (München) und der Firma Bader & Söhne (Hardheim) beliefen sich auf ungefähr 8000 Reichsmark. Letztlich entscheidend für die Auswahl war ein Gutachten vom 29. November 1928 von Professor H. Schindler vom Staatskonservatorium der Musik und amtlicher Orgelsachverständiger.
Er schreibt in seinem Gutachten, dass die neun Register und die dreifache Mixtur der Siemann-Orgel für einen glänzenden Klang sorgen, während die Bader`sche für die damalige Zeit der Reformbewegung im Orgelbauwesen ganz unmöglich erscheint. Wenn sich die Gemeinde schon ein Orgelwerk bauen lasse, dann gleich ein richtiges und nicht eines, das schon von Anfang an durch die Zeitverhältnisse überholt sei. So werde die Gemeinde Jahrzehnte lang Freude an dem neuen Instrument haben, so der Professor weiter. Und so kam es, dass alsbald die Orgelbauanstalt von Willibald Siemann & Co. aus München die neue Orgel als ihr 453. Werk einbaute.
Das erste Manual umfasst 54 Töne, das zweite Manual 66 Töne und das Pedal 27 Töne für die Bässe. Daneben hat die Orgel noch Nebenregister und sonstige Spielhilfen wie Manualkoppel, Pedalkoppel, Suboktav- und Superoktavkoppeln sowie Druckknöpfe für mezzoforte, forte und tutti. Weiter gibt es einen freistehenden Spieltisch mit pneumatisch bewegten Windladen in der damals besten und gediegensten Ausführung.
Auch eine elektrische Gebläseanlage mit pneumatischem Magazinbalg wurde eingebaut, doch auch eine manuelle Tretvorrichtung war und ist immer noch möglich.
Im Jahr 1993 wurde die Orgel durch die Zellinger Orgelbaufirma Weiss gründlich restauriert, auch der Orgelprospekt erfuhr eine farbliche Auffrischung.
Durch die jährliche Vertragsstimmung der Firma Weiss ist die Orgel auch nach neun Jahrzehnten heute noch gut erhalten und sehr gut in ihrem Klangverhalten.
Da die Kirchengemeinde Waldzell diesen Geburtstag mit insgesamt vier kleinen Orgelkonzerten feiern will, lag es nahe, für das erste Konzert den Orgelbaumeister Martin Karle aus Zellingen selbst zu engagieren. Er ist auch zuständig für die jährlichen Wartungsarbeiten an der Siemann-Orgel und nebenamtlicher Kirchenmusiker.
Am Samstag, 12. Januar, findet um 18 Uhr in der St.-Vitus-Kirche ein Gottesdienst statt, den Organist Karle musikalisch umrahmt. Anschließend findet ein 30-minütiges Orgelkonzert mit ihm statt. Bei diesem Vortrag gibt es auch weitere technische Erklärungen über die Siemann-Orgel sowie eine Übertragung von der Empore auf eine Großbildleinwand.
Das zweite Orgelkonzert wird anlässlich des Gertraudengedenktages am Sonntag, 17. März, stattfinden. Als Organist fungiert dabei der Diakon Alexander Wolf aus Marktheidenfeld. Die beiden anderen Konzerte wird es im Herbst geben.