Hermine Köhler liebt Brauchtum und ist bemüht, „so viel wie möglich zu erhalten oder wieder aufleben zu lassen“. Diesem Engagement begegnen Besucher überall in dem Haus, das sie zusammen mit Ehemann Dr. Gerhard Köhler bewohnt. Unter den Exponaten sind viele Brauchtumszeugen aus Oberbayern, der Heimat der in Tegernbach bei Pfaffenhofen an der Ilm geborenen Hermine Köhler, so auch einige Fatschenkindl.
„Die Köpfe waren ursprünglich aus Wachs gefertigt“, erzählt die pensionierte Oberstudienrätin, die einst an der Gemündener Berufsschule unterrichtete. Doch für ihre Fatschenkindl wollte sie den Werkstoff Wachs vermeiden. „Das trocknet leicht aus und wird brüchig oder schmilzt bei zu hohen Raumtemperaturen.“ Auch entsprachen die von Spezialversandhäusern angebotenen Wachsköpfe nicht ihren Vorstellungen.
Die Lösung kam in Person von Schwester Inviolata vom Gemündener Kreuzkloster. Die bekannte Künstlerin hatte noch alte Formen. Mit deren Hilfe und Porzellanmasse wurden Köpfe für Fatschenkindl gegossen, nachbearbeitet, gebrannt, mit Farben versehen und schließlich noch einmal gebrannt. Mehrere Tage nahm die Fertigung in Anspruch. „Es waren meine Erstlingswerke“, gesteht Schwester Inviolata, die mit dem Ergebnis sehr zufrieden ist – wie Hermine Köhler. Besonders die Augen der Porzellanköpfchen, die einen besonderen Glanz zeigen, haben es ihr angetan.
Der Wunsch, Fatschenkindl herzustellen, entstand vor einigen Jahren. Vor mehr als zwei Jahren hat Hermine Köhler damit begonnen, Stoffe, Bänder, Spitzen, Bordüren, Perlen und Drähte zu sammeln und zu verarbeiten. Als Stoffe kamen nur Natur- und keine Synthetikmaterialien in Frage. Anregungen und Informationen sammelte das Ehepaar Köhler aus Büchern und bei zahlreichen Museumsbesuchen in Nürnberg, Andechs, Waldsassen, Ingolstadt und Garmisch-Partenkirchen. Sie unternahmen Stippvisiten in verschiedene Kirchen und Klöster und begeisterten sich zunehmend für die Fatschenkinder.
40 Exemplare fertigte Hermine Köhler in blauer und roter Kleidung mit Kissen. „Das kommt, weil wir jetzt 40 Jahre miteinander verheiratet sind“, erklärt Gerhard Köhler, der sich für die Familienfeier etwas Besonderes ausgedacht hatte. Alle Geschwister des Ehepaares sowie deren Kinder erhielten ein Exemplar mit dem Auftrag, den Brauch des Fatschenkindls an die nächsten Generationen weiterzugeben. Die weiblichen Nachfahren bekamen ein Fatschenkindl in Rot, die männlichen eines in Blau.
Die Fatschenkindl sind „unbezahlbar“, sagt das Ehepaar. Die Kosten für ein Kind mit einfacher Kleidung liegen bei 180 bis 500 Euro, die künstlerische Ausführung von Hermine Köhler kommt wohl auf das Doppelte. „Ich verkaufe aber nichts“, sagt Hermine Köhler. Von den beschenkten Verwandten erbat sie eine freiwillige Spende, die dem Franziskanerpater Kamil Wenzel für dessen Missionsarbeit in Sambia zugute kommt.
Der zum Würzburger Kloster gehörende Pater war in den 70er Jahren als Religionslehrer an der Berufsschule in Gemünden tätig. Heute betreut er 20 Pfarreistationen sowie eine Klinik für unterernährte Kinder mit Ernährungsberatungsstelle, betreut Aidswaisen und sorgt für die materielle Ausstattung von Schulen und Kindergärten.