Erol Simsek dreht sich um in seinem Café und breitet die Arme aus: „Ich habe 40 000 Euro investiert. Jetzt kann ich wahrscheinlich dicht machen.“ Das war vor drei Wochen. In seinem Café wird Wasserpfeife geraucht. Er kann beruhigt sein: Er muss sein Lokal nicht schließen, wenn in seinen Wasserpfeifen kein Tabak mit Nikotin und Teer geraucht wird, sondern Steine und Essenzen mit Früchtearomen. Die Zeit der Ungewissheit für die türkischen Shishas-Bars in Karlstadt ist vorbei. Die Richter haben gesprochen.
Nachdem am 13. September 2011 der Verwaltungsgerichtshof München (Az: Vf.12-VII-10) ins absolute bayerische Rauchverbot in Gaststätten auch die Wasserpfeife einbezogen hatte, sah Simsek keine Zukunft für sein Café „Wapf“ (Wasserpfeife) in der Hauptstraße. Allerdings: Die obersten Verwaltungsrichter überließen es Fachgerichten festzustellen, ob auch tabakfreie Ersatzstoffe in Wasserpfeifen unter das Verbot fallen.
„Auch Schokolade macht süchtig.“
Omid Hasseli Verkäufer von Rauchutensilien
Seine Bar besteht aus einer Cafeteria-Möblierung und im Nebenraum aus einladenden Liege-Sitzmöglichkeiten mit dicken Kissen und kleinen Tischen, in deren Mittelpunkt Wasserpfeifen platziert werden. Hier schmauchen schon die beiden Zellinger Patrick Ludwig und Sebastian Paulsen an zwei Shishas, wie die Wasserpfeife heißt. Patrick bevorzugt Minze-Zitrone und Sebastian Minze-Kirsch-Geschmack. Beide sind fast täglich hier, und beide sind überzeugte Nichtraucher. „Zigaretten stinken“, sagt Ludwig und verzieht angewidert das Gesicht. Eine Stunde werden die beiden Stammgäste nun ihre Shisha rauchen, dösen und quatschen. Der Genuss kostet 3,90 Euro.
„Meine Gäste sind überwiegend Deutsche, zwischen 18 und 26 Jahre alt“, erklärt der 46-Jährige, der als Fünfjähriger nach Karlstadt kam und einige ehemalige Schulkameraden zu seinen Gästen zählt.
Seit am 4. Juli 2010 die Freistaatler im Volksentscheid für ein absolutes Rauchverbot stimmten, sucht Erol Simsek nach Nischen in seinem Lokal, in dem das Rauchen Teil der Wohlfühlkultur ist. Er stellte um auf Pizzaverkauf und Lieferservice. „Ich zahlte monatlich 200, 300 Euro Bußgeld, weil ich mein Lieferfahrzeug nicht in der Gasse stehen lassen durfte. Wie soll das funktionieren, wenn ich die Pizza immer erst zum Mainparkplatz tragen soll?“ Also keine Pizza mehr! Und nun auch keine Wasserpfeife mehr?
Das „Fachgericht“ Verwaltungsgericht München urteilte am 5. Oktober 2011 (Az: M18K10.3997), dass tabakfreie Wasserpfeifen mit Shiazo-Steinen (Minerale mit aromatisierter Melasse befeuchtet) und getrockneten Früchten nicht unter das Gesundheitsschutzgesetz fallen. Erol Simseks berufliche Existenz ist also gesichert.
Bald auch Online-Verkauf?
Omid Hasseli verkauft Shishas und Zubehör in der Langgasse. „Meine Kunden sind zu 95 Prozent Deutsche ab 18 Jahre, die die Wasserpfeife schätzen.“ Hasseli betreibt den Verkauf der Utensilien im Nebenerwerb für seine Freundin Sandra, aber vielleicht hält der Trend in Deutschland an, und wenn der Online-Verkauf noch hinzukommt, „wer weiß, vielleicht kann man dann auch davon leben“, hofft Hasseli. Auf den Raucherpäckchen mit und ohne Fruchtaromen im Regal steht die Zigarettenwarnung „Rauchen ist tödlich“.
Hasseli bestreitet eine gewisse Suchtgefahr nicht: „So etwas findet im Kopf statt. Auch Schokolade macht süchtig.“ Und er gibt zu bedenken: „Wer kann kontrollieren, ob es Tabak mit Nikotin und Teer ist oder nur eine Fruchtessenz?“ Man rauche sowieso nicht den Tabak selbst, sondern nur die Flüssigkeit daraus, so lange, bis der Tabak trocken ist.
Omid Hasseli erläutert, dass die persische und türkische Kultur des Wasserpfeifenrauschens mit schwarzem Tabak von Europäern und Amerikanern verfeinert wurde, weil die eine Marktlücke entdeckt hätten. Er bestätigt, dass Wasserpfeifenraucher Zigaretten strikt ablehnen, eine „Voraussetzung, die Shisha wirklich zu genießen“.
Das Geschäft scheint sich zu lohnen: Seit sechs Wochen verkauft Hasan Budak ebenfalls Wasserpfeifen und Zubehör in der Hauptstraße. Vor acht Jahren eröffnete er das „Nargile“ in der Schulgasse, die erste Wasserpfeifen-Bar in Karlstadt. Er habe sie mit Mobiliar, teuren Bildern und Teppichen aus der Türkei ausgestattet, sagt der 43-Jährige, der mit neun Jahren nach Karlstadt kam. Er versichert, dass bei ihm nur Steine mit Aromen geraucht würden.
Verdampfen statt verbrennen
Johannes Hardenacke, Pressesprecher der Regierung von Unterfranken, erklärt auf Nachfrage: „Füllgutprodukte für Wasserpfeifen sind Tabakerzeugnissen dann nicht gleichzustellen, wenn über den Schlauch der Wasserpfeife ausschließlich Wasserdampf und Aromastoffe eingeatmet werden. Dies dürfte bei der Verwendung von Shiazo-Steinen, die mit einer Melasselösung getränkt sind und bei niedrigen Temperaturen erhitzt werden, der Fall sein. Entscheidend ist also in diesen Fällen, ob es zu einer Verbrennung von Stoffen mit Rauchentwicklung oder nur zu einer Verdampfung von Flüssigkeiten kommt.“
Wer aber kontrolliert, dass in den Shishas nur getrocknete, in einer aromatisierten Flüssigkeit getränkte Äpfel, Birnen und Rosinen „verdampfen“ und kein gesundheitsschädlicher Suchtmacher Tabak?
Es sei von der Politik nicht gewollt, nun gezielt den Inhalt der Wasserpfeifen zu kontrollieren. „Es gibt keine Raucherpolizei“, betont Andreas Hafenrichter, Sachgebietsleiter im Ordnungsamt Main-Spessart. „Wir gehen aber bei Anzeigen von Gästen der Sache nach oder wenn bei normalen Polizeikontrollen Ordnungswidrigkeiten festgestellt werden“, erläutert Hafenrichter.
Das Landratsamt bekam vor zwei Tagen den Verwaltungsakt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts München vom 5. Oktober. Auch wenn die Mühlen langsam mahlen – Hafenrichter ist überzeugt: „Die Betreiber ahnten schon die ganz Zeit, dass die Sache ums Rauchen der Wasserpfeife noch nicht endgültig geklärt war.“