Irgendwo im Waldboden zwischen Pflochsbach und Sendelbach sollen Reste einer Raubritterburg schlummern. Ein ganzer Kreis von Sagen existiert von der Gestalt des „Raubritters von Pflochsbach“ und seinem versunkenen Schloss. Doch bislang fehlt von einer Burg oder einem Schloss jede Spur. Die am nördlichen Ende Pflochsbachs am Fuß des Hügels gelegene Stelle, an der womöglich ein mittelalterlicher Burgstall stand, war bisher als Bodendenkmal geführt, wurde nun aber wieder aus der Denkmalliste gestrichen. Und auch der vermutete Bösewicht war wohl gar nicht so wüst.
Entdeckung im Wald gemacht
Doch der in Pflochsbach geborene und in Langenprozelten wohnende pensionierte Lehrer Hartmut Haas-Hyronimus, 66, hat vergangenes Jahr im Wald eine Entdeckung gemacht: einen abgestumpften Kegel, um den herum Gräben wie Wallgräben laufen. Mit seinem Onkel Günther Huth spürte er den Sagen und Erzählungen rund um den Raubritter nach. So berichtet Franz Conrad in seiner Geschichte des Klosters Mariabuchen 1883 schon, dass „auf dem Berge zwischen Sendelbach und Pflochsbach ein Raubschloss“ gewesen sein soll.
Alfons Ruf hat in seiner Festschrift „800 Jahre Pflochsbach und Sendelbach“ 1992 mehrere der hauptsächlich mündlich überlieferten Sagen um das versunkene Schloss oberhalb des ehemaligen „Fischgartens“ zwischen Pflochsbach und Sendelbach – die Passage am Main heißt auch heute noch bei den Einheimischen „am Schlössle“ – zusammengetragen: In ihm sollen Raubritter gehaust haben, die es auf die Schiffe der Kaufleute abgesehen hatten.
Der Fluch eines ausgeraubten Kaufmanns
Ein ausgeraubter Frankfurter Kaufmann soll sie mit einem Fluch belegt haben, dass das Schloss mit allen seinen Bewohnern versinken sollte, und so geschah es. Archäologische Befunde, die für eine ehemalige Burg oder etwas ähnliches sprechen, sind jedoch bis heute nicht bekannt.
In einer Version, die man sich vor 100 Jahren im Hause des Pflochsbacher Steinmetzen Johann Christ und seiner Frau Auguste gegenüber der Kirche erzählte, und die noch Enkel Günther Huth von seiner Mutter Rosa hörte, hatte der sagenhafte Bösewicht auch einen Namen: Markward I. von Grumbach, Vogt des Klosters Neustadt am Main, gestorben irgendwann zu Beginn des 12. Jahrhunderts.
Markward als Wegelagerer und Mordbube?
Der Legende zufolge wurde Markward, weil er in die eigene Tasche wirtschaftete, seines Amtes enthoben und stieg zum Wegelagerer und Mordbuben ab. Er soll sich zwischen Pflochsbach und Sendelbach oberhalb des heutigen „Fischgartens“ hoch auf dem Berg einen Raubrittersitz gebaut haben. Von dort aus hat er angeblich ein Schreckensregime geführt.
Seine Pflochsbacher Leibeigenen hätten sogar einen Weg von der Ortsmitte bis hinauf zum Raubschloss bauen müssen, den heute noch bekannten Mandelweg.
Sandsteinplatte im Altarraum
Noch zu seinen Lebzeiten aber verfiel seine Behausung, ob Burg, ob kleines Schloss oder Holzbau zusehends. Markwards Leichnam wurde angeblich in Pflochsbach in aller Stille beigesetzt. Eine schmucklose Sandsteinplatte mit einem eingeritzten Kreuz, die sich heute im Altarraum von St. Jakobus in Pflochsbach findet, soll einst sein Grab bedeckt haben.
Was ist dran an der Geschichte? Keine Spur fand sich bislang von einer ehemaligen Burg hoch auf dem Berg. Der Pflochsbacher Hobby-Luftbildarchäologe Günther Huth machte 1982 Bilder, auf denen sich in einer Wiese am Pflochsbacher Ortsrand runde Umrisse hervorheben.
Keine archäologischen Funde
Das bayerische Landesamt für Denkmalpflege nahm die Stelle als mittelalterlichen Burgstall 1990 in die Liste von Bodendenkmälern auf. Aber nun hat sie das Amt wieder gestrichen. Begehungen hätten keine Hinweise auf archäologische Funde oder Befunde erbracht, teilt Silke Wapenhensch von der Pressestelle der Behörde auf Anfrage mit.
Die Angabe, der Mandelwegs sei der alte Zugang zum Schloss, kann laut Haas-Hyronimus auch nicht zutreffend sein. Der Mandelweg taucht erst in den Karten von 1848 auf.
Hartmut Haas-Hyronimus vermutet, dass hingegen hier der Brunnweg gemeint ist, der vom „Brunnenhäuschen“ in Pflochsbach oberhalb der Kreisstraße bis zu Einmündung in diese in der Nähe der ehemaligen Mülldeponie führt.
Haas-Hieronymus tippt auf Wallgraben
Zwischen Brunnweg und der inzwischen versiegten Märzenquelle, findet sich „am Schlössle“ tatsächlich ein abgestumpfter Kegel. Mit Sense ausgerüstet führt Haas-Hyronimus zu dem Hügel, um den der Brunnweg führt. Beim Kegel springt auf der Nordseite so etwas wie ein markanter Hohlgraben – nach Vermutung von Haas-Hyronimus ein Wallgraben – ins Auge. „Warum sollte man hier einen Weg anlegen, wenn man rechts so gut vorbeikam?“, fragt er sich. Auf einer im Internet abrufbaren Karte des Geländereliefs des Bayerischen Vermessungsverwaltung sieht man den Kegel deutlich.
Der pensionierte Lehrer wundert sich, dass es hier, anders als sonst überall, kaum Steine gibt. Im Frühjahr bildeten Grasflecken auf dem Kegel rechteckige Formen – „als wäre da früher was gewesen“. Das Plateau oberhalb einer Mainbiegung bietet eine gute Aussicht auf den Main und die dort befindliche Ufer-Engstelle.
Historiker hält Geschichten für frei erfunden
Ist das womöglich die Stelle der Raubritterburg? Und was ist mit dem Raubritter Markward? Der Historiker Winfried Mogge kennt sich aus mit den Grumbachern, schließlich hat er ein Buch über die Geschichte der Burg Rothenfels geschrieben, die von Markwards Sohn Markward II. um 1150 gegründet wurde. Nach einer Einschätzung gefragt, schrieb er: „Die Geschichten vom gewalttätigen Geschlecht der ungetreuen Klostervögte von Grumbach sind samt und sonders frei erfunden. Sie gehen zurück auf mehrere Würzburger Urkundenfälschungen und vor allem auf die tendenziöse Würzburger Bischofschronik von Lorenz Fries.“
Gab es einen Bösewicht, hat er anders geheißen, folgert der Historiker. Zur angeblichen Grabplatte des Raubritters Markward I. sagt Mogge, dass sich ein Herr von Grumbach nicht einfach so in Pflochsbach hätte beisetzen lassen, sondern in seinem Hauskloster Ichtershausen.
Und was wird aus dem jüngst gestrichenen Pflochsbacher Bodendenkmal, der vermuteten Burg?
Landesamt will Begehung machen
Landesamt-Sprecherin Wapenhensch teilt mit: „Wer auf einem Grundstück nach Bodendenkmälern graben oder zu einem anderen Zweck Erdarbeiten auf einem Grundstück vornehmen will oder eine Metallsonde in einem Bereich einsetzen will, in dem Bodendenkmäler bekannt sind oder vermutet werden, braucht eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis.“ Wer einen Fund mache, sei verpflichtet, diesen unverzüglich zu melden, bei der Unteren Denkmalschutzbehörden des Landkreises oder gleich beim Landesamt für Denkmalpflege.
Interessant wird es womöglich bald beim von Haas-Hyronimus entdeckten Kegel. Voraussichtlich im Spätwinter will das Landesamt dort eine Begehung machen.
„Die Geschichten vom gewalttätigen Geschlecht der von Grumbach sind frei erfunden.“
Winfried Mogge, Historiker und Grumbach-Experte