Auf enormes Interesse ist der Vortrag über die frühe Geschichte des Klosters Neustadt am Dienstagabend gestoßen. In der voll besetzten Alten Turnhalle versuchte der Historiker Theodor Ruf, die Umstände der Klostergründung im Jahr 769 zu erhellen.
So finster, wie das frühe Mittelalter oft dargestellt werde, sei diese Epoche nämlich nicht gewesen: »Wir wissen darüber doch sehr viel«, so Ruf. Andererseits sei die Quellenlage dünn und es gebe Lücken in der Forschung. Das wiederum bietet Spielräume zur Deutung historischer Ereignisse und damit hantierte Ruf geschickt in seinem rund zweistündigen Vortrag.
Vieles bleibt verschwunden
Denn wir wissen eigentlich nur wenig Genaues über das Geschehen im Jahr 769, als das Kloster Neustadt gegründet wurde. »Vieles bleibt wie in einem Nebel verschwunden«, sagte Ruf. Man könne nicht darauf hoffen, dass künftig noch weitere Quellen dazu auftauchen.
Die Region sei zur Karolingerzeit schon besiedelt gewesen, über 90 Prozent der heutigen Orte in Mainfranken habe es um 800 schon gegeben. Größere Siedlungen waren Aschaffenburg, Lohr, Würzburg und Karlburg, wo die heilige Gertrud ein Kloster gegründet haben soll. Aber das sei eine »komplizierte Geschichte«. Immerhin hält Ruf es für durchaus möglich, dass sich Gertrud in Karlburg aufgehalten und dort ein Kloster gegründet hat.
Burkard oder Megingaud?
Zurück zu Neustadt: Wer hat das Kloster gegründet? Eine Legende ist wohl, dass Gertrud außer Karlburg auch Neustadt gegründet hat. In Chroniken, die freilich erst Jahrhunderte später geschrieben wurden, ist von Burkard die Rede, dem ersten Bischof von Würzburg. Auch Megingaud, der zweite Bischof von Würzburg, taucht als Gründer auf, und Karl der Große spielt ebenfalls eine Rolle.
Als »sehr merkwürdig« kommentierte Ruf die kargen Überlieferungen aus der Vergangenheit. Er hält jedenfalls Megingaud für den wahrscheinlichen Gründer. Es müsse schon vor dem Kloster eine Besiedlung in Neustadt gegeben haben. Die Ortsbezeichnung sei wohl symbolisch zu verstehen als »neue Stätte für die Verbreitung des Glaubens«.
Graf Hatto aus Lohr
Eine steile These ist Rufs Auffassung, dass Lohr und Neustadt von Anfang an zusammengehörten. Der Baugrund für das Kloster samt der Klostermark sei von einem Grafen Hatto geschenkt worden, »der möglicherweise in Lohr residierte«. Neustadt sei das Bildungszentrum für Lohr gewesen.
Eine »Kernproblematik« seien die Urkunden zur Gründung von Neustadt aus dem 10. bis 12. Jahrhundert, weil das alles Fälschungen seien. Was in diesen Dokumenten stimmt, sei »kaum mehr klärbar«. War nun Karl der Große der eigentliche Stifter des Klosters? Das sei »nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig«, meinte Ruf.
Grenzen der Klostermark
Für echt hält er hingegen die historischen Beschreibungen der Klostermark, deren Grenzen er rekonstruiert hat. Dafür nahm Ruf unter anderem eine Karte von circa 1550 aus dem Staatsarchiv Würzburg zu Hilfe. Demnach reichte die Klostermark vom Main westwärts tief in den Spessart hinein und im Süden bis nach Glasofen.
Das 10. Jahrhundert ist »in ganz Mainfranken quellenmäßig äußerst dünn belegt«; das gilt auch fürs 11. Jahrhundert. Dann eine Urkunde von Kaiser Barbarossa von 1157: Darin wird der Mainzoll für das Kloster Neustadt bestätigt. Damals wird auch die große Klosterkirche gebaut. »Eine Zeit, in der es Neustadt gut ging«, so Ruf.
Doch es gab bald wieder Rückschläge, denn 1281 griffen die Grafen von Rieneck das Kloster an und nahmen Urkunden mit, die seitdem verschwunden sind. In jene Zeit fällt auch die Rückbesinnung auf Karl den Großen als Klostergründer, denn im Klostersiegel, das vorher nur die heilige Maria zeigte, tauchen neben ihr plötzlich noch der heilige Martin und Karl der Große auf.
Damit endete die Spanne von rund fünf Jahrhunderten, die Theodor Ruf beleuchtete. Der Vortrag war Auftakt für das Jubiläumsprogramm der Gemeinde Neustadt, die heuer 1250 Jahre feiert unter Bezug auf die Klostergründung 769. Neustadts Bürgermeister Stephan Morgenroth zeigte sich begeistert vom großen Zuspruch bei dem Vortrag und kündigte die Herausgabe einer Festschrift mit Chronik an.
Unter dem Titel »Tatort Spessartkloster« will Theodor Ruf im Sommer einen »Miniroman« zur Geschichte des Klosters veröffentlichen. Ferner wies er auf das Buch »Vom Keltenheiligtum zum Missionskloster« von Klaus Weyer hin, das demnächst erscheinen soll.
Zudem bat Ruf um Spenden für die Arbeit der Missionsdominikanerinnen, die heute den Konvent im Kloster Neustadt bilden.