„Du Scherenschleifer!“ Es ist meist nicht freundlich gemeint, wenn jemand so angesprochen wird. Viele gebrauchen das Wort Scherenschleifer als Schimpfwort und es beschreibt einen Taugenichts oder einen Betrüger. Dabei ist der Beruf des Messerschmieds ein ehrwürdiges Handwerk. Der heute 92-jährige Gustl Krapf war Zeit seines gesamten Berufslebens der Messerschmied von Karlstadt. Scherenschleifer? Nein, das wollte auch er nicht über sich hören. „Das war das fahrende Volk, das mit schlechtem Werkzeug versucht hat, die gleiche Leistung wie ein Messerschmied zu bringen“, sagt er. So erklärt sich auch der Ursprung dieses Schimpfworts.
Mittlerweile zählt das Handwerk des Messerschmieds allerdings zu den aussterbenden Berufen. Gustl Krapf übte es noch zu einer Zeit aus, als der Gang zum Messerschmied genauso selbstverständlich war wie beispielsweise der Besuch des Friseurs. Doch das Verhalten der Kunden hat sich geändert.
Discounter brachten billige Messer auf den Markt. „Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft“, so der 92-Jährige. „Wenn heute ein Messer stumpf ist, wird oft ein neues gekauft“, bedauert er.
Seine Werkstatt in der Alten Bahnhofsstraße ist aber noch da – nicht mehr in der ersten Reihe wie das Ladengeschäft früher. Dort ist das Textilgeschäft „Street One“ eingezogen. In den hinteren Räumen stehen aber noch die alten Maschinen, an denen bereits Krapf das Handwerk gelernt hat. Die Werkstatt mit Geschäft hat er schon 1988 an seinen Neffen Christian Renner übergeben, der dieses Handwerk heute in Teilzeit ausübt. Hauptberuflich arbeitet Renner als Lagerist bei einer Maschinenbaufirma. Alleine vom Messer- und Scherenschleifen könne er nicht leben, sagt er.
Funken sprühen
Bei einem Besuch in seiner Werkstatt zeigt er, wie es geht. Der große Schleifstein dreht sich, in der Hand hält Renner das Schneideblatt einer Heckenschere. Die Funken sprühen, als er den Stahl an den Schleifstein hält. Dieser wird durch ständige Wasserzufuhr gut gekühlt, sonst würde der Stahl ausglühen. Jetzt muss das Messer noch poliert werden. Renner ist zufrieden.
„Man spürt die Stahlqualität“, sagt er. Das sei nicht immer der Fall, denn heute müssen die meisten Produkte vor allem billig sein.
Anfang der 60er Jahre hatte Gustl Krapf in der Alten Bahnhofsstraße sein Geschäft eingerichtet. Mit der „Wiederinstandsetzung von Schneidewerkzeugen aller Art“ hatte er damals geworben. Die Leute brachten ihm ihre stumpfen Messer. Die Friseure brauchten scharfe Scheren, die Ärzte scharfe Skalpelle und die Schreiner ihre Hobelklingen. Krapf hat für die Schärfung jedes Messers die richtige Technik. Die Lehre zum Messerschmied hatte er schon 1939 bei seinem Vater Christian begonnen – in der vierten Generation. Schon der Urgroßvater von Krapf war Messerschmied gewesen. Nach dem Krieg führte Gustl Krapf das Handwerk mit seinem Vater in einem Geschäft in der Langgasse fort und bekam immer mehr Verantwortung, nicht zuletzt deshalb, weil der Vater sich 1948 zum Bürgermeister von Karlstadt wählen ließ. Er blieb dies 24 Jahre lang.
Krapf erinnert sich an ein Aufblühen des Geschäfts in den 60er und 70er Jahren. Stahlwaren, Messerserien, Kochgeschirr und Geschenkartikel wurden im großen Schaufenster in der Alten Bahnhofsstraße präsentiert. Mit diesem Konzept hatte Krapf viele Jahre Erfolg, doch ab Mitte der 80er Jahre habe es einen Wandel gegeben. Das Geschäft mit dem Schleifen und Schärfen der Schneidwerkzeuge ging zurück. Der Abwärtstrend ließ sich trotzdem nicht stoppen. Heute wird die Kunst des Messerschmiedens häufig nur als Hobby oder aus Gründen der Traditionspflege weiter ausgeübt. Für Christian Renner ist die Werkstatt aber mehr als ein Stück Nostalgie. Er hat seine Kunden, die ein gut geschliffenes Messer zu schätzen wissen.