Am Freitag ehrte die IG Metall insgesamt 70 langjährige Mitglieder. Sie gratulierte 25 Kollegen für 25-jährige Mitgliedschaft, weiteren 25 für 40-jährige, neun für 50–jährige und zehn für 60-jährige Gewerkschaftszugehörigkeit. Zur 70-jährigen Mitgliedschaft gratulierte die IG Metall Hans König aus Lohr.
Die Gratulation und Würdigung des Vorstandes der IG Metall überbrachte Percy Scheidler, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Aschaffenburg. Er ließ kein Zweifel an der Bedeutung der Treue zur Gewerkschaft: „Gerade unsere älteren Kollegen haben mit Blick auf ein Leben, das neben Angenehmen auch Turbulenzen und politische Stürme aufzuweisen hat, unser vollsten Respekt, Wertschätzung und Dankbarkeit verdient. Alle habt Ihr viele Jahre Euren Beitrag dazu geleistet, dass das Band der Solidarität nie gerissen und die IG Metall eine durchsetzungsfähige Organisation geblieben ist. Wir sind stolz darauf, dass dies auch noch in unserem 125. Jubiläumsjahr so ist.“
Streifzug durch die Geschichte
Seine Laudatio startete mit einem Streifzug durch die Geschichte. Scheidler begann 1946, dem Jahr, als Hans König im ersten Friedensjahr der IG Metall beitrat und somit zur Gründergeneration gehörten. Die sehr kalten Winter 1945/46 und 46/47 verschlimmerten die schlechte Versorgungslage der Bevölkerung. Gewerkschafter zu sein bedeutete, nicht nur solidarisch anzupacken, sondern manchmal auch an die überlebensnotwendigen Zuweisungsmarken zu kommen, fasste Percy Scheidler Gespräche mit Zeitzeugen zusammen. Regionalen Bezug entnahm Scheidler der Festschrift der IG Metall zu ihrem 125-jährigen Bestehen.
Bis 1945 war die Rexroth-Belegschaft auf etwa 420 Arbeiter angestiegen. Das Lohrer Eisenwerk wurde im Zweiten Weltkrieg zwar von Luftangriffen verschont, doch plünderten und zerstörten die amerikanischen Truppen nach der Befreiung die Werksanlagen fast völlig. Die damaligen Firmeninhaber, die Brüder Alfred und Ludwig Rexroth, wollten die Produktion wieder aufnehmen, durften aber auf Grund der Militärgesetze ab 15. Oktober 1945 für längere Zeit das Werk nicht mehr betreten. Unter der amerikanischen Besatzung wurde die Produktion auf Futter- und Haushaltskochtöpfe, Bratpfannen und ähnliches umgestellt.
Nach der Wiederaufnahme der Werksleitung durch die Gebrüder Rexroth wurde in den 1950er Jahren die Produktion auf wenige Spezialgebiete neuester technischer Entwicklung konzentriert und der Aufbau eines Hydraulikprogramms forciert. Mit Patenten machte sich Rexroth einen internationalen Namen.
1956 traten zehn Geehrte der IG Metall bei. Das Wirtschaftswunder prägte ihre ersten Jahre als Gewerkschafter und auch die Verankerung der Montanmitbestimmung. Die Gewerkschafter kämpften für die Ausweitung der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten in allen mitbestimmten Unternehmen. „Für uns ist klar, dass die Demokratie nicht am Werkstor endet“, zitierte Scheidler einen damaligen Slogan. Leider scheiterte dies an den Mehrheiten im Parlament.
Mit dem Beitrittsjahr 1966 erinnern sich neun Geehrte an das anhaltende Wirtschaftswunder. Es herrschten Vollbeschäftigung und Arbeitskräftemangel. 1976 sind weitere 25 Menschen der IG Metall beigetreten. Sie erinnern sich an die 68er Jahre, an Hippie-Kommunen und demonstrierende Studenten. In den Betrieben war die soziale Wirklichkeit geprägt von Auseinandersetzungen um Löhne und die Verkürzung der Arbeitszeit. In der damaligen Tarifrunde wurde eine Erhöhung von 6,8 Prozent durchgesetzt.
Allerdings zeichneten sich Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Sozialabbau zum Ende der 70er Jahre ab. „So kam es in Lohr 1981 zum ersten großen Warnstreik in der Firmengeschichte der G.L. Rexroth GmbH. Etwa 1000 Arbeiter, Angestellte und Auszubildende gingen auf die Straße, um der damaligen Lohnforderung nach 7,5 Prozent Nachdruck zu verleihen. An dem Protestmarsch beteiligten sich auch Beschäftigte aus allen anderen Metallbetrieben in Lohr. Nach Schätzung der Polizei erschienen rund 2000 Männer und Frauen zu der großen Abschlusskundgebung auf dem Lohrer Marktplatz“, so Scheidler.
Kurz nach der turbulenten Zeit des Mauerfalls, 1991, organisierten sich 25 Geehrte. Percy Scheidler erinnerte daran, dass die Metaller darum kämpften, dass der staatlichen auch die soziale Einheit folgte.
Für die Gegenwart und Zukunft betont der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Aschaffenburg die Stellung und hohe Akzeptanz der IGM und der politisch Verantwortlichen in den Regionen. Trotz verhaltener Beschäftigungsentwicklung freute er sich über eine nahezu stabile Mitgliederanzahl. Mit 12 300 Mitgliedern ist die IGM die größte Einzelgewerkschaft vor Ort. „Allein mit unseren Tarifverträgen in der Metall- und Elektrobranche erreichen wir 28 000 Beschäftigte in den Regionen Aschaffenburg, Alzenau, Miltenberg und Lohr. Wir können stolz sein bei insgesamt 457 Jubilaren auf 17 155 Mitgliedsjahre, auf unsere Erfolge und gemeisterten Herausforderungen“, so Scheidler.
Mit Hinblick auf künftige Herausforderungen für die Gewerkschaft zeichnete Scheidler folgendes Bild: Derzeit stehen in einigen Betrieben die Zeichen auf Sturm, vor allem für die Zulieferer der Automobilindustrie. Schwierig sei ebenfalls die Entwicklung auf den Hydraulikmärkten. „Hier müssen wir uns als Gewerkschafter einmischen, um nachhaltig Arbeit und Beschäftigung zu halten“.
Zum Jahresbeginn organisieren die Metaller in 40 Betrieben eine Beschäftigtenbefragung zum Thema Arbeitszeit. „Die Flexibilisierungsanforderungen an die Beschäftigen steigen, die Veränderungen der Arbeitswelt mit digitalen Fortschritten fordern neue Arbeitszeitinstrumente und Schaffung von Rechtsansprüchen für Beschäftigte, um auch mal durchatmen zu können, sich Zeit für das Leben außerhalb der Arbeit zu organisieren“, so Percy Scheidler.
„Unsere Geschichte hat uns gelehrt, dass unsere größten Niederlagen in den Auseinandersetzungen lagen, die wir erst gar nicht eingegangen sind. Daher werden wir uns das Thema Arbeitszeit auf die Agenda schreiben, deshalb werden wir uns in 2017 auch zu Arbeitnehmerfragen bei der Bundestagswahl einmischen. Eine Industrie 4.0 braucht auch eine Arbeit 4.0“, so Scheidler. Musikalisch umrahmt wurde die Jubilar-Ehrung von der örtlichen Band „art of emotion“.
Die Geehrten
70 Jahre: Hans König (Lohr).
60 Jahre: Kurt Barsch (Lohr), Baumann Rudolf (Partenstein), Manfred Durchholz (Neuendorf), Josef Greß (Rothenfels), Karl Hofmann, Georg Kriegbaum, Rudolf Müller (alle Lohr), Willi Stangl (Rechtenbach), Hans Peter Weigand (Partenstein).
50 Jahre: Josef Baier (Wiesthal), Arnold Baumann (Rechtenbach), Franz Bernard, Armin Frankenberger (beide Lohr), Johann Geiger (Frammersbach), Jürgen Herrmann (Partenstein), Manfred Kissner (Wiesthal), Klaus Lotter (Lohr).
40 Jahre: Veronika Aull (Frammersbach), Erika Bartel (Rechtenbach), Irmgard Büdel, Elisabeth Cornely (beide Frammersbach), Alois Feser (Retzstadt), Robert Fischer (Marktheidenfeld), Willibald Göbig (Gemünden), Thomas Habenicht (Würzburg), Werner Hilpert (Karlstadt), Maria Höfling (Gemünden), Michael Hulsch (Lohr), Frank Kunkel (Roden), Bernd Lang, Herta Mehrlich (beide Partenstein), Michael Merz (Lohr), Horst Raitz (Breuberg), Wolfgang Ried (Lohr), Sonngard Roth (Frammersbach), Jutta Roth (Rothenfels), Maria Schuhmann (Würzburg), Irmgard Seefried (Frankfurt), Josef Stangl (Lohr), Ingeborg Wagner (Frammersbach), Bernd Zeiger (Flörsbachtal), Dieter Ziemainz (Neustadt).
25 Jahre: Jürgen Berberic (Karsbach), Norbert Bils (Neustadt), Matthias Burkhardt (Lohr), Suna Coskara (Karlstadt), Eyüp Dipli, Michael Dörr (beide Lohr), Bernd Fischer (Triefenstein), Sabine Helfrich (Neuendorf), Roland Hepp (Gemünden), Friedbert Hepp, Thomas Hepp (beide Neuendorf), Hans Georg Hümmer (Waldbüttelbrunn), Anita Inderwies (Frammersbach), Erich Köhler (Karlstadt), Marcus Ludwig (Lohr), Thomas Mehrlich (Partenstein), Sylvia Müller (Birkenfeld), Karakoyuzu Nagi (Karlstadt), Bernd Nöth (Lohr), Rainer Panoscha (Gemünden), Dieter Pfister (Neuhütten), Rudolf Rauch (Neuendorf), Ute Rauch (Partenstein), Uwe Rausch, Mario Rützel (beide Lohr), Horst Stanzel (Hafenlohr), Steffen Weisensel (Lohr).