Tattoos und Piercings boomen. So hat das Tattoo- und Piercing-Studio „Autsch “ in der Karlstadter Hauptstraße 29 neben dem Tätowierer Martin Schraud und dem Piercer Gregor Hirt neuerdings mit Patrick Welzenbach einen weiteren Tätowierer. Außerdem wurde ein weiterer Behandlungsraum eingerichtet. Die bisherigen Betreiber nehmen Stellung zur Entwicklung ihrer Branche.
Frage: Es scheint reichlich Nachfrage nach Tätowierungen und Piercings zu geben. Ist Karlstadt eine Hochburg?
Martin Schraud: Es gibt einen Tattooboom die letzten zehn bis 15 Jahre. Aus einem Umkreis von 30 bis 40 Kilometern kommen die Leute zu uns, manche auch von weiter her. Aber es ist ganz komisch: Die Karschter gehen lieber nach Würzburg. Die nächsten anderen Studios sind in Würzburg und in Marktheidenfeld.
Sind es hauptsächlich junge Kunden, die zu euch kommen?
Gregor Hirt: Das geht quer durch alle Altersgruppen. Beim Tattoo muss man allerdings 18 sein, denn das ist ja etwas Bleibendes, eine Entscheidung fürs Leben. Piercing geht eher, aber da brauchen die Minderjährigen eine Einverständniserklärung. Die Mädels kommen so ab 14. Wir hatten auch mal 'ne Urenkelin da, die ihre Uroma für ein Tattoo mitgebracht hat. Piercing und Tattoos haben sich gesellschaftlich etabliert. Das geht auch quer durch alle Gesellschaftsschichten von Hartz IV bis zum Manager. Nur ganz wenige akzeptieren das noch nicht.
Wie hat sich die Szene entwickelt?
Schraud: Tätowierungen gibt es ja schon immer. Und das Piercing kam in den 50er oder 60er Jahren aus der Schwulenszene. Aber noch vor 30 Jahren war bei Männern ein Ohrring verpönt. Heute ist er völlig normal. Manche übertreiben allerdings inzwischen, um aus der Menge rauszustechen.
Was ist denn so angesagt?
Schraud: Bei den Tätowierungen war um 2000 herum mit den Arschgeweihen eine Art Höhepunkt gekommen. Inzwischen ist das völlig out. In den acht Jahren, seit wir das Studio hier in Karscht haben, habe ich nur noch drei gemacht. Danach kamen chinesische Schriftzeichen. Und jetzt wollen alle Sterne – ich kann sie bald nicht mehr sehen. Die Königsdisziplin sind Porträts. Und was heute ganz wichtig ist: Alles ist individuell entworfen. – Früher hat man Tattoos nach Katalog gemacht.
Und wenn jemandem das Tattoo irgendwann nicht mehr gefällt?
Schraud: Ja, oft kommen auch Leute über 40, die ihre Jugendsünden übermalen lassen. Da wird aus einer kleinen Rose beispielsweise eine große Blüte oder aus einem Schmetterling ein Wikinger. Generell raten wir davon ab, den Namen der Liebsten oder von Bands zu verewigen. Das kann nach vier Wochen schon anders aussehen. Nur die Kinder und die Eltern, die bleiben.
Und was ist beim beim Piercing gefragt?
Hirt: Da waren es in den 80er Jahren die Ohrringe, in den 90ern Augenbrauen und Brustwarzen und ab 2000 der Bauchnabel. Jetzt sind Oberflächen-Piercings auf glatten Hautpartien gefragt. Bei Leuten über 40 allerdings gibt es Piercings seltener im Gesicht.
Wie funktioniert das?
Hirt: Ich desinfiziere die Haut und fasse mit einer Zange ein Stück Haut. Mit einer Braunüle – einer Hohlnadel – steche ich hindurch und ziehe erst einen Kunststoffschlauch und dann ein Titanstäbchen durch das Loch. Es liegt press an der Lochwand an, sodass es meistens nicht blutet. An den Enden werden die Schmuckkügelchen draufgeschraubt. So ein Oberflächenpiercing hält normalerweise ungefähr drei Jahre. Mit der Zeit kommt es immer weiter an die Oberfläche und muss dann entfernt werden. Seit 2007 gibt es auch Anker, die mit dem Gewebe verwachsen und die dann nur eine Kugel tragen. Von denen rate ich ab, weil sie leicht entzünden.
Und wie tätowiert man?
Schraud: Da werden mit der Maschine viele kleine Nadelstiche gemacht und Farbpigmente in die Haut gespritzt. In der Farbe sind destilliertes Wasser, Alkohol, Glycerin und Pigmente.
Wie ist das überhaupt mit Bestimmungen, Vorschriften, Hygiene?
Hirt: Ich bin beim EAPP (European Association for Professional Piercing). Da gibt es Kurse für Hygiene in Tattoostudios, Erste-Hilfe-Kurse und so weiter. Nach 40 Stunden Kurs ist eine Prüfung, zum Beispiel in Sterilisations-Sachkunde. Es kommt auch das Gesundheitsamt und prüft den Sterilisator und alle Sterilisationsmittel und dass alles sauber ist.
Ausbildungsberuf ist Piercer oder Tätowierer aber nicht.
Hirt: Nein, obwohl wir größere Fehler machen können als ein Friseur. Wenn der die Haare zu kurz schneidet, wachsen wie wieder nach.
Gab es denn bei euch schon mal Probleme?
Hirt: Da kam zum Beispiel mal eine „Mutter“ mit ihrer Tochter. Zwei Tage später kam dann die richtige Mutter. Wir sichern uns deshalb bei unserem Fragebogen jetzt immer mit der Personalausweisnummer ab. In den letzten zehn Jahren war zweimal das Gericht im Spiel. Aber die Staatsanwaltschaft hat das eingestellt, weil herauskam, dass die Kinder Urkundenfälschung betrieben hatten. Sie wurden mit Sozialstunden belegt.
Und gesundheitliche Beschwerden?
Schraud: Beim Tattoo ist noch nie was passiert, beim Piercing gibt es schon mal eine Entzündung. Das liegt meistens an der falschen oder unzureichenden Nachsorge der Kunden. Diese müssen den Einstich vier bis fünf Tage lang selbstständig pflegen.
Und was kostet der Spaß?
Schraud: Rund 100 Euro die Behandlungsstunde. Da ist dann der Entwurf schon dabei. Für ein richtig großes Tattoo mit ungefähr 20 mal 30 Zentimetern sind schon sieben Stunden nötig.