Mit flinken Händen dreht Keven Reum das Glasröhrchen gleichmäßig vor der heißen spitzen Flamme eines Tischbrenners. Als das Glas orangefarben glüht, führt der 24-Jährige ein Ende schnell an den Mund und bläst kräftig und konzentriert hinein. Am Ende formt sich eine kleine Kugel.
Der Thermometerbläser hält das Glas erneut in die Flamme. Wenig später führt er das schmale Werkstück in ein etwa daumendickes Umhüllungsrohr, verbindet beide Teile und hält ein fast fertiges Glasthermometer in Händen.
Reum ist einer von wenigen Thermometerbläsern in Deutschland. Er arbeitet bei der Firma Amarell in Kreuzwertheim, einem der letzten Glasthermometerhersteller Deutschlands.
„Bei den Preisen dieser Thermometer brauchen wir nicht anfangen, da wäre noch nicht einmal der
Rohling bezahlt.“
Gunther Amarell
Inhaber Firma Amarell
Die Branche ist klein. Deutsche Glasthermometer werden längst vor allem für Laborbedarf oder die Industrie und seltener für Privathaushalte hergestellt. Seit die Konkurrenz aus China mit ihren Fieberthermometern aus Glas den Markt überschwemmt und Digitalthermometer auf dem Vormarsch sind, haben sich die Arbeitsschwerpunkte noch deutlicher verschoben.
„Bei den Preisen dieser Thermometer brauchen wir nicht anfangen, da wäre noch nicht einmal der Rohling bezahlt“, sagt Gunther Amarell. Seine Firma ist die Einzige in Bayern, die mit mehreren Mitarbeitern Glasthermometer in Handarbeit herstellt.
Schwerpunkt bei Wertheim
Deutschlandweit gibt es der Bundesagentur für Arbeit zufolge gut 1500 Glasbläser, die Glasapparate, Thermometer und Leuchtröhren herstellen. Die meisten Firmen sitzen in Thüringen sowie am Main bei Wertheim. Die Thermometermacher vom Main konzentrieren sich auf Präzisionsthermometer, die bis zu einem hundertstel Grad genau sind.
Obwohl die digitale Technik auch vor dieser Branche nicht haltgemacht hat, verlangt die Industrie meist nach Glasthermometern. „Die sind nicht nur genauer, sondern auch zuverlässiger. Sie brauchen keine Batterien, es können keine Sensoren ausfallen und zudem sind sie günstiger“, fasst Amarell einige Vorteile zusammen.
Jedes einzelne Modell eines Glasthermometers ist ein Unikat. Es muss von Experten gedreht, gezogen und geblasen werden. Eigens für das Herstellen von Thermometern gibt es sogar einen Ausbildungsberuf. Die Lehrlinge müssen sich zudem in der dreijährigen Ausbildung für ein Fachgebiet entscheiden: Thermometerblasen oder Thermometerjustieren.
Und obwohl es nur so wenige Thermometerhersteller gibt, fehlt der Nachwuchs. „Der Beruf an sich ist wenig bekannt und er ist natürlich auch sehr speziell“, sagt Manfred Breuer von der Berufsschule in Wertheim. Das ist die einzige Schule in Deutschland, die zum Thermometermacher ausbildet. Derzeit werden in allen Jahrgängen gerade einmal sechs Azubis auf den Beruf vorbereitet.
Und auch nach der Ausbildung hört das Lernen nicht auf. „Selbst, wenn ein Thermometermacher ausgelernt hat, braucht es mindestens noch fünf Jahre, bis jemand ein perfektes Thermometer bläst“, sagt Amarell. Das Unternehmen fertigt in der dritten Generation. Derzeit arbeiten dort knapp 60 Angestellte, darunter drei Azubis.
Das Thermometer
Erfinder unbekannt
Die wissenschaftlichen Arbeiten zur Temperaturbestimmung sind um das Jahr 1600 in Schwung gekommen. Damals stellte Galileo Galilei sein Luftthermoskop vor, das Temperaturänderungen anzeigt.
Der Erfinder des Thermometers ist nicht eindeutig bekannt. Mitte/Ende des 17. Jahrhunderts wird die Justierung der Messgeräte möglich und Glasbläser verbessern die Thermometer stetig weiter.
Hoch-Zeit in den 70ern
Um 1830 herum werden in Thüringen erstmals gewerblich Glasthermometer hergestellt. Die Hoch-Zeit haben die Thermometermacher in den 1970er Jahren. Mittlerweile gibt es nur noch weniger als ein Dutzend Thermometermacher in Deutschland.
Unterschiedliche Typen
Zwei Arten von Glasthermometern gibt es: Stab- und Einschlussthermometer. Bei einem Stabthermometer ist die Skala direkt auf dem dickwandigen Kapillarrohr aufgebracht. Bei einem Einschlussthermometer gibt es eine extra Skala und Kapillare in einem Umhüllungsrohr.
Bei beiden Thermometerarten dehnt sich die Flüssigkeit in Röhrchen und Gefäß bei Wärme aus. So wird die Temperatur angezeigt.
Quecksilber oder Petroleum
Das Röhrchen kann sowohl mit Quecksilber als auch mit Petroleum und Alkohol gefüllt werden. Quecksilber wird nur noch für Labor- und Industrie-Thermometer genutzt.
Damit die Thermometer die richtige Temperatur anzeigen, müssen sie justiert werden. Dazu werden bestimmte Fixpunkte auf dem Glas markiert –
zum Beispiel der Nullpunkt oder der Siedepunkt.