Es waren wohl die eifrigen Aufklärer des 18. Jahrhunderts, die dafür verantwortlich waren, dass Julius Echter von Mespelbrunn, 1573 bis 1617 Fürstbischof von Würzburg, bis heute im Ruf steht, ein fanatischer Hexenverfolger gewesen zu sein, nur übertroffen von seinem Nach-Nachfolger Philipp Adolf von Ehrenberg (1623 - 1631). Neuere Archivalienfunde zeichnen ein anderes Bild. Das erläuterte in einem Vortrag des Geschichts- und Museumsvereins Lohr in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule am Dienstag im Saal des Alten Rathauses in Lohr der Historiker Dr. Robert Meier (Würzburg).
Bei seiner Arbeit im Staatsarchiv Wertheim, das im ehemaligen Zisterzienserkloster Bronnbach untergebracht ist, stieß Meier auf alte Aktenbestände, die offenbar in jüngerer Zeit niemand mehr gesichtet hatte und war fasziniert, als er feststellte, dass sie sich auf Hexenprozesse bezogen, die zur Zeit Julius Echters vor dem Zentgericht in Remlingen geführt wurden. Und die zeigten Echter in einem ganz anderen Licht.
Demnach war es nicht der Fürstbischof, der die örtlichen Gerichtsbeamten (der Zentgraf, meist in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Amtmann) zu scharfer Verfolgung antrieb.
Befragung mit Pein
Er beharrte vielmehr konsequent darauf, dass in allen Prozessen die „peinliche Halsgerichtsordnung“ Kaiser Karls V. von 1532 (Constitutio Criminalis Carolina, in der Literatur meist mit Carolina oder CCC abgekürzt) genau eingehalten wurde. Diese für die damalige Zeit fortschrittliche Strafprozessordnung bestimmte unter anderem, dass bloßer Verdacht nicht ausreichte, um Beschuldigte der Folter zu unterwerfen, die meist zu einem Geständnis und zur Verurteilung führte und in vielen Fällen zur Beschuldigung weiterer angeblicher Hexen und Zauberer. Wie vielen Menschen dieses Beharren des Fürstbischofs auf Recht und Gesetz das Leben gerettet hat, lässt sich nur ahnen.
Als Beispiel trug Meier den Fall eines Michael Scheid aus Birkenfeld vom Juli 1616 vor, also vor fast genau 400 Jahren. Echter entschied, die vorliegenden Indizien für einen Schadenzauber reichten nicht aus, den Mann peinlich zu befragen, also zu foltern. Er ordnete dessen Freilassung an, die auch erfolgte.
Im August 1616 hatte sich ein zwölfjähriges Mädchen aus Erlenbach selbst der Hexerei bezichtigt und dazu eine Frau, die ihr das Hexen beigebracht habe. Obwohl das Zentgericht davon ausging, dass die Selbstbezichtigung als Geständnis zu werten sei, hielt Julius Echter diese Aussage eines Kindes nicht für ausreichend, es zu verhaften und zu foltern. Gegen die angeordnete Freilassung intervenierten aber nicht nur das Gericht und die Gemeinde Erlenbach, sondern sogar die Eltern des Mädchens.
Die Gemeinde forderte die Folter, wenigstens für die angebliche Hexenlehrerin, und die Eltern wollten ihr Kind nicht mehr aufnehmen. Wenn es wieder nachhause komme, dann sei die Gefahr, dass es andere Kinder zur Zauberei verführe zu groß, argumentierten sie. Das zeigt, wie groß und wie tief eingewurzelt die Angst in der Bevölkerung vor Schadenzauber war. Aber der Fürstbischof blieb bei seinem Befehl, das Mädchen freizulassen. Wenn die Eltern es nicht wieder aufnehmen wollten, könnte man es auf deren Kosten ja auch anderweitig unterbringen, hieß es in dem Schreiben.
Sicher hielt der Fürstbischof – wie die meisten seiner Zeitgenossen im deutschen Sprachraum – Hexerei, Zauber und Teufelsbündnisse grundsätzlich für möglich. Dass aber die Hexenprozesse nicht von der Obrigkeit ausgingen, sondern der Druck dazu „von unten“, also aus der Bevölkerung kam, belegte Meier mit Schriftstücken aus dem Jahr 1612 .
In Neubrunn wurde eine Reihe angeblicher Hexen namentlich genannt und deren Verhaftung gefordert. Auf heftiges Drängen hin, hielt man in zwei Fällen die Indizien immerhin für so gewichtig, dass man den Scharfrichter aus Würzburg kommen ließ. Das Vorzeigen der Folterinstrumente galt bereits als erste Stufe der Folter. Aber auch damit konnte man die beiden Frauen nicht zu einem Geständnis bewegen. Als Julius Echter anordnete, sie mangels Beweisen freizulassen, gab es erneut Proteste.
Die Gemeinde Neubrunn wandte sich sogar – ein ungewöhnlicher Schritt – mit der Bitte um Unterstützung an den Oberamtmann zu Aschaffenburg, also im mainzischen „Ausland“, wo man um diese Zeit mehr Eifer bei der Hexenverfolgung zeigte.
Starker Aberglaube
Dass den zahlreichen Forderungen nach schärferem Vorgehen gegen das „zauberische Laster“ keine einzige Bitte um die Freilassung Verhafteter gegenübersteht, lässt deutliche Rückschlüsse auf das Klima aus Angst und Aberglauben einerseits, vielleicht aber auch Missgunst und Feindschaft zu, das in diesen Gemeinden geherrscht haben mag.
Elf Todesfälle auf Grund der Hexenprozesse hat Robert Meier zwischen 1611 und 1616 in dem von ihm untersuchten Bereich registriert, das ist nur ein Bruchteil der Verhafteten und erst recht der Beschuldigten, vor allem aber deutlich weniger als in vergleichbaren anderen Gebieten Deutschlands.