Für seine wissenschaftliche Forschung über die Wahrnehmung von Farben hat der aus Karlstadt stammende Martin Oswald mehr als 800 Kinder und Jugendliche getestet. Dabei fand er zum Beispiel heraus, dass Mädchen tendenziell intensivere Farben als Buben verwenden und diese gesättigter einsetzen. Sie können auch mehr Farbnuancen benennen. Aubergine oder Sand sind ihnen klare Begriffe, was natürlich auch mit der sozialen Prägung und dem Einfluss von Mode zu tun hat. Hier holen die Jungs aber gerade auf. Die „Männer“ modellieren die Plastizität eines Objekts häufiger durch die reine Abstufung innerhalb eines Farbtons. Deswegen sind die Bilder der Buben auch nicht so bunt wie die der Mädchen.
Grundlagenwerk
Martin Oswalds Doktorarbeit gilt heute als Grundlagenwerk der Kunst- pädagogik. Seit 2004 ist er Kunstprofessor an der Pädagogischen Hochschule in Weingarten unweit des Bodensees. Als Prorektor managte er dort bis 2008 die Forschung.
In seiner Arbeit stellt er auch fest: „Bis zum zwölften Lebensjahr tragen Kinder Farbe eher flächig auf. Sollen sie beispielsweise einen Apfel aus der Erinnerung malen, reiht sich ein Farbabschnitt an den nächsten. Mit zunehmendem Alter geht die Sensibilität für Farbe phasenweise zurück. Für 15-Jährige ist die Form so bedeutend, dass sie die Farbe vernachlässigen und sich mehr mit Hell-Dunkel-Kontrasten beschäftigen, um einen Körper darzustellen.“ So erklärt sich auch die Vorliebe für Schwarz von Jugendlichen in diesem Alter.
Genau bis zu diesem Alter lebte Martin Oswald in Karlstadt. Hierhin kommt er regelmäßig zurück und unternimmt ausgedehnte Spaziergänge in die Landschaft, die ihn geprägt hat und die seine Kunst bis heute prägt. Er ist nämlich nicht nur Autor von Lehrbüchern für den Kunstunterricht, kuratiert Ausstellungen und verfasst Kunstkataloge, sondern stellt auch selbst aus. Eine in Augsburg gegründete Galerie für Zeitgenössische Kunst aus China fand in den 1990er Jahren internationale Beachtung. Selbst war er wiederholt als Gast von Kunstakademien in China und lernte dabei Künstler wie Ai Wei Wei persönlich kennen. Oswalds Zeichnungen deuten auf eine Bildwelt, die aus der Vorstellung heraus mit Anspielungen auf Spuren in der Natur arbeiten.
Mit Interesse verfolgt Martin Oswald die Entwicklungen im Raum Karlstadt – etwa auch den Kunststreit um Peter Wittstadts Schneewittchen. „Daraus könnte man eigentlich eine Untersuchung machen, um darzustellen, wie Kunst in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.“
Besonders interessiert ihn die Wechselbeziehung von Kunst und Gesellschaft. So hat er einen Band verfasst mit Glossen zum Thema Architektur mit dem Titel „Ein Abriss. Kleines Lexikon der architektonischen Abwege“. Es ist ein Buch voller böser Betrachtungen über Waschbeton, fragwürdige Ortseinfahrtskunst im öffentlichen Raum und über die knallenden Rollläden der Nachbarn.
Oswald schreibt auch satirische Texte für andere Kabarettisten. So ist er Hausautor des Kleinkunstduos „Die Mehlprimeln“. Bisweilen tritt er mit ihnen gemeinsam auf, etwa in der Münchener Lach- und Schießgesellschaft. Der Schalk saß Martin Oswald schon immer im Nacken. Als er in Günzburg wohnte, kündigte er eine Ausstellung des bedeutenden, jedoch verkannten und verstorbenen „Neo-Sensualisten“ Viktor Maria Stössel an. Man habe dessen Werke sensationellerweise auf einem Dachboden ausgegraben. Vater Fritz Oswald trat bei der Vernissage als ein alter Freund des Verstorbenen auf. Am selben Abend freilich wurde das Rätsel um die geheimnisvollen Werke gelüftet. Sie stammten sämtlich von Martin Oswald selbst.
Das Faible für Kabarett und Satire hatte schon sein Vater Fritz Oswald, der in Eußenheim und Karlstadt als Lehrer und Leiter des Volksbildungswerks, wie die Vhs damals hieß, bekannt war. Er war ein äußerst umtriebiger Mensch. Er leitete den Karlstadter Singkreis, hielt in Eußenheim Sexualaufklärungskurse und begeisterte das Publikum in den 1960er Jahren mit Kabarettauftritten. Auch mütterlicherseits gibt es eine Beziehung zur hiesigen Region. Martin Oswalds Großvater Severin Loschert stammte aus Stadelhofen, dessen Vater war dort Lehrer. Die Mutter zog noch im hohem Alter zur Familie von Martin Oswald nach Weingarten.
Brauen als Hobby
Obwohl Martin Oswald in der Kunst, der Wissenschaft und der Literatur unterwegs ist, hat er dennoch auch ein kleines Hobby: Er braut ab und an Bier auf einer eigenen Kleinbrauanlage. Die Feinheiten des Brauens lernte er beim Karlstadter Markus Metzger. Schon vorher hatte er bei einer volkskundlichen Studie die Brauerei Schmitt in Steinfeld detailliert beschrieben und dokumentiert. Oswald bedauert es, dass die Brauerei heute nicht mehr existiert. Dafür, so Oswald, haben die historische Altstadt und Karlstadt deutlich an Flair gewonnen. Ein guter Grund, immer wieder zu kommen.