Karlburg (lo) Juli 1940. Am Karlstadter Bahnhof warten Seraphina Arnold und Emilie Heppenstiel. Ein Zug fährt ein. Zwei Mädchen steigen aus mit einem großen Schild um den Hals: Lieselotte Fahrenhold - sechs Jahre - aus Düsseldorf - einquartiert bei Leo und Seraphina Arnold in Karlburg; die andere: Leni Fahrenhold - zehn Jahre - aus Düsseldorf - einquartiert bei Hans und Emilie Heppenstiel in Karlburg.
Im Rahmen der Kinderlandverschickung wegen der Fliegerangriffe auf deutsche Städte kamen 1940 die Schwestern Fahrenhold nach Karlburg.
Der Aufenthalt in Franken war nur für sechs Wochen geplant. Es wurden daraus aber mehrere Jahre. Lotte blieb bis Dezember 1943 und ihre Schwester Leni sogar acht Jahre lang (bis 1948) in Karlburg bei ihren Gastfamilien.
Der enge Kontakt zu ihren Gasteltern, deren Kindern und Enkeln dauert an bis heute. Immer wieder kehrten die Düsseldorfer Mädchen zusammen mit ihren Familien nach Karlburg, ihrer Heimat aus der Kinderzeit, zurück. Gegenbesuche wurden unternommen.
Erst dieser Tage verbrachte Lotte Spielhagen, geborene Fahrenhold, mit ihrer Enkelin Katja Goldberg ihren Urlaub in Karlburg, um Kindheitserinnerungen aufzufrischen.
Die Kinder hatten sich damals in den Kriegsjahren schnell in Karlburg eingewöhnt und Kinderfreundschaften geschlossen. Lotte bezeichnet heute noch Rita Brand, geborene Rauch, als ihre beste Freundin. Ihre um einige Jahre ältere Schwester Leni lernte als Stadtmädchen mit großem Interesse und Geschick alle Arbeiten auf dem kleinbäuerlichen Anwesen Heppenstiel sowohl im Haushalt, im Stall als auch auf dem Feld, und fühlte sich voll integriert.
Ein Erlebnis aus der Kinderzeit in Karlburg bleibt Lotte unvergessen. Sie saß, vom Feld kommend, auf einem mit Viehfutter beladenen Wagen. Als der Futterwagen über das unebene Hofpflaster holperte, rutschte sie vom Wagen und landete direkt in der Jauchegrube neben dem Misthaufen.
Der Vater der Mädchen Fahrenhold war von Anfang an zum Kriegsdienst eingezogen. 1944 wurde die Düsseldorfer Wohnung von Bomben zerstört. Mutter Fahrenhold musste Düsseldorf verlassen und wurde nach Arnstein zwangsevakuiert. Dahin holte sie nun ihre inzwischen zehn Jahre alte Tochter Lotte zu sich. Erst 1948 konnten Lotte und Leni mit ihrer Mutter wieder nach Düsseldorf zurückkehren.
Seit vier Generationen besteht nun schon ein herzliches Freundschaftsverhältnis zwischen den Karlburger und Düsseldorfer Familien. Kinder, Enkel und Urenkel besuchen sich noch gegenseitig. Bis zu zehn Personen aus Düsseldorf fanden schon in Karlburg Unterkunft und Verpflegung bei ihrem oft mehrere Wochen dauernden Urlaub. Falls sie nicht bei den ehemaligen Gastfamilien selbst wohnten, bezogen sie Quartier im einstigen Gasthof "Schwarzer Adler". Die Gastwirtin Else Gold war nämlich Schulkameradin von Lotte und Leni.
Heuer wurde Lotte Spielhagen, geborene Fahrenhold, mit ihrer Enkelin Katja Goldberg von Norbert und Annemarie Klein, bereits die dritte Generation, beherbergt. Lotte Spielhagen versäumt es nicht, jährlich der Oma Klein, der Familie Norbert Klein und ihrer besten Freundin Rita Brand zu Weihnachten einen Blumenstrauß zu schicken.