Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Lohr
Icon Pfeil nach unten

Lohr: Kikeriki-Theater und der "Deppenkaiser" in der Lohrer Stadthalle

Lohr

Kikeriki-Theater und der "Deppenkaiser" in der Lohrer Stadthalle

    • |
    • |
    Anfangs lebten die Freunde Herbert, Schorsch und Ingeborg (von links) friedlich in ihrem "kleinen, feinen Dorf" und tauschten untereinander Äbbelwoi, Brezeln und Handkäs. 
    Anfangs lebten die Freunde Herbert, Schorsch und Ingeborg (von links) friedlich in ihrem "kleinen, feinen Dorf" und tauschten untereinander Äbbelwoi, Brezeln und Handkäs.  Foto: Thomas Josef Möhler

    Es war einmal ein "kleines, feines Dorf" mit "kleinen, feinen Häusern" und "lieben, netten Menschen". So fangen viele Märchen an, aber sie enden nicht in derben Wortgefechten in hessischer Mundart, wüsten Beschimpfungen und der Wahl eines "Deppenkaisers" – es sei denn, das Märchen stammt vom Darmstädter Kikeriki-Theater.

    Das Gastspiel mit "Der Deppenkaiser" am Freitag war bereits das dritte in Lohr nach "Das Cabinet des Dr. Goggelores" 2017 und "Achtung Oma" 2018. Um es vorwegzunehmen: Es war wieder sehr lustig. Das 1979 von Roland Hotz gegründete Puppentheater spielte zunächst nur für Kinder. Seit 1984 hat es auch abendfüllende Stücke für Erwachsene im Programm.

    Rund 400 Zuschauer waren gekommen, davon viele am Idiom als Hessen zu erkennen. Das bedeutete, dass die Stadthalle fast ausverkauft war, denn Karten für die Empore waren nicht im Angebot. Von oben hätten die Zuschauer hinter den Kulissen auf der Bühne die Puppenspieler sehen können.

    Äbbelwoi, Brezeln und Handkäs'

    Im "kleinen, feinen Dorf" ohne Namen leben Äbbelwoi-Hersteller Herbert (Puppenspieler: Felix Hotz), Brezel-Bäcker Schorsch (Hanno Winter) und Handkäs-Produzentin Ingeborg (Jasmin Heist) im friedlichen Miteinander und vom Tausch ihrer Produkte. Mit dem Frieden ist es vorbei, als Freiherr Franz von Zossenheim (Florian Harz) auf seinem Esel ins Dorf reitet.

    Der Freiherr spricht nur Hochdeutsch, die Puppenspieler den schnoddrigen hessischen Dialekt der Darmstädter Gegend, der "Heiner" genannt wird, was das gegenseitige Verständnis nicht gerade fördert. Über die Tauschwirtschaft im Dorf kann der affektierte Adelsmann nur den Kopf schütteln: "Ohne Ordnung gibt es keinen Fortschritt und ohne Fortschritt keine Zukunft."

    Verheerende Folgen des Geldes

    Die Einführung des Bezahlens mit Wertscheinen durch Zossenheim hat verheerende Folgen. Neid bricht aus, weil er die drei Freunde unterschiedlich bezahlt, gefolgt von einer Inflation, weil jeder der drei die Preise in die Höhe treibt. Schließlich sind sie so zerstritten, dass Zossenheim Schorsch als Ortsvorsteher einsetzt, um für Ruhe zu sorgen.

    Das klappt nicht, schon bald sind alle drei selbst ernannte Könige und machen Zossenheim zu ihrem Kaiser, damit wieder Ordnung herrscht. Zossenheim entwickelt einen riesigen Appetit auf Äbbelwoi, Brezeln und Handkäs. Die drei Freunde erkennen, dass sie Deppen waren, Zossenheim also ein "Deppenkaiser" ist, versöhnen sich und machen sich davon: "Wir machen einen Kaiserschnitt."

    Das alles passiert in wunderschönen, von den Theaterleuten selbst gezimmerten Kulissen mit anarchistischem Humor und einer irrsinnig schnellen, fast schon stakkatohaften Abfolge von derben Witzen, Gags, Schlüpfrigkeiten und Gossenjargon zum Schenkelklopfen. Einmal wird die Spielebene des Stückes durchbrochen von einem Puppenspieler, die sich über die stickige Eselskulisse beschwert, in der er arbeiten muss.

    Dazu kommen aktuelle Anspielungen und Textbrüche, vor allem durch Herbert-Spieler Felix Hotz: "Haben sie ein Payback-Kärtchen?!", "Wollen sie Bargeld abheben?", "Wie Margit Sponheimer (eine Mainzer Faschingsgröße) auf Crystal Meth", "Wenn noch ein bisschen Zeit bleibt, bauen wir in Berlin den Flughafen zu Ende".

    Nicht nachdenken

    Welche Aussage hat das Stück des – nach eigenen Worten – "nicht besten, aber beklopptesten hessischen Theaters"? Ist es Kritik am überbordenden Kapitalismus und Ausbeutung? Oder eine anarchistisch motivierte Warnung vor staatlicher Ordnung, die in Steuererhebung und Unterdrückung endet? Ist Zossenheim eine Persiflage auf das Berater-Unwesen?

    Womöglich hat das Stück gar keine Aussage, denn einer der Puppenspieler meinte zu Beginn: "Es wird ein vergnüglicher Abend, man darf nur nicht nachdenken. Wir spielen das Stück seit sieben Jahren und haben selbst noch nicht verstanden, worum es geht."

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden