„Wenn Sie vor eine Klasse treten, sollen Sie nicht der beste Freund der Schüler sein“, sagt Heidi Pollin den Jung-Referendaren an der Johann-Rudolph-Glauber-Realschule. „Treten Sie am Anfang besser klar auf. Lockerer werden können Sie dann im Laufe der Zeit immer noch.“ Sechs Frauen und zwei Männer haben zum Schuljahresbeginn dort den zweijährigen praktischen Teil ihrer Ausbildung zu Realschullehrern begonnen. Die Glauber-Schule ist die einzige Seminarschule in Main-Spessart, Pollin die Seminar–Leiterin.
Nach dem Ersten Staatsexamen treten angehende Realschul-Lehrer das zweijährige Referendariat an. „Das erste Schuljahr verbringen sie komplett an der Seminarschule, das zweite an der Einsatzschule“, erklärt Thorsten Stöhr, Leiter der Karlstadter Realschule. Während des Referendariats (auch Vorbereitungsdienst genannt) erhalten die angehenden Lehrer Unterricht in Pädagogik, Psychologie, Staatsbürgerkunde, Fachdidaktik und Schulrecht, zehn Unterrichtsstunden pro Woche. Dazu besuchen sie den Unterricht der Seminarlehrer und übernehmen nach und nach selbst mehr Unterrichtsstunden. Zum Zweiten Staatsexamen zählen drei benotete Unterrichtsstunden der Referendare – sogenannte Lehrproben –, eine schriftliche Hausarbeit und mehrere mündliche Prüfungen.
Einzige Seminarschule im Landkreis
Nach Karlstadt kommen angehende Realschullehrer für Mathematik, Physik, Deutsch, Geografie, Wirtschaftswissenschaften und Geschichte. Für andere Fächer gibt es andere Seminarschulen. In ihren Unterrichtsfächern werden die Referendare von ihren Seminarlehrern betreut, insgesamt ist Seminarleiterin Pollin zuständig. Oft ist der Schulleiter gleichzeitig auch Seminarleiter. Stöhr aber wollte sich bei Amtsantritt als junger Rektor 2016 voll auf die Schulleitung und seine eigene Unterrichtsverpflichtung konzentrieren. Er fungiert deshalb als stellvertretender Seminarleiter, Pollin ist zuweilen in München im „Arbeitskreis für Schulqualität und Bildungsforschung“ eingebunden.
Dorothee Berberich (28) aus Würzburg und Sabrina Heim (25) aus Gauaschach gehören zu den jungen Menschen, die ihren Vorbereitungsdienst im September in Karlstadt angetreten haben. Beide haben bereits erste Lehrversuche unternommen. „Es lief ganz gut, aber mein Zeitmanagement muss ich verbessern“, sagt Heim. „In Deutsch komme ich zurecht; in Geschichte muss ich ziemlich viel vorbereiten“, erklärt Berberich. Während des Studiums haben sie verschiedene Praktika absolviert. „Aber jetzt folgt der Rollenwechsel vom Studenten zur Lehrkraft. Der fällt nicht jedem leicht“, sagt Schulleiter Thorsten Stöhr.
Wissen vermitteln
Seit Beginn des Schuljahres habe es deshalb „sehr viel Input“ zur neuen Aufgabe und dem Auftreten gegenüber den Schülern gegeben, sagt Heim. Eine der Hauptaufgaben der Jung-Lehrer sei auch, „die Reduktion durchzuführen“, so Berberich. „In der Uni haben sie fachlich sehr viel gelernt“, sagt Heidi Pollin. Jetzt müssten die Referendare lernen: „Was müssen die Schüler wissen und wie bringe ich es ihnen bei?“
Die von den angehenden Lehrern gehaltenen Unterrichtsstunden werden intensiv mit den Seminarlehrern nachbesprochen. Wie die Referendare mit Kritik umgehen könnten, sei deshalb für ihre Entwicklung sehr wichtig. Berberich und Heim sind sich einig: „Da kommt noch viel Arbeit auf uns zu. Auch an uns selbst.“
Freundliche Schüler
Immerhin, ihr Eindruck von den Karlstadter Schülern ist gut. „Hier auf dem Land sind die Jugendlichen vielleicht noch etwas kindlicher. Sie sind freundlicher“, findet Dorothee Berberich. Das bestätigt Sabrina Heim, die ihre Praktika in Würzburg absolviert hat. Schulleiter Stöhr weiß: „Die Schüler testen bei Referendaren gern mal aus, wie weit sie gehen können. Vor allem, wenn kein Lehrer hinten drin sitzt.“ Pollin sagt: „Für einen Referendar ist es eine Schwelle, die Schüler zu sanktionieren. Aber mit unseren Mädchen und Jungs ist gut auskommen.“
Nach den Herbstferien werden den angehenden Lehrern die ersten Klassen zugeteilt. Im Januar oder Februar des nächsten Jahres müssen sie die erste Lehrprobe absolvieren. Bis dahin wissen sie, wie sie vor den Schülern auftreten sollten. „Das Sprechtempo, die Lautstärke und die Bewegung im Klassenzimmer sind wichtige Werkzeuge, um die Aufmerksamkeit zu steuern“, sagt Pollin. Dorothee Berberich und Sabrina Heim fühlen sich gut betreut. Erst drei Wochen vor Schuljahresbeginn erfuhren sie, dass die Glauber-Realschule ihre Seminarschule wird. Sie fühlen sich dort schon wohl.