Seit 25 Jahren unterstützt der in Lohr ansässige Förderverein Leinreiter chronisch psychisch kranke Menschen im Bereich Main-Spessart. Mit Erfolg, wie ein Gespräch mit dem Vorsitzenden Harry Harth und seiner Stellvertreterin Sabine Sitter zeigt.
Früher waren Langzeitpatienten in Nervenkrankenhäusern nichts Ungewöhnliches. Erst Mitte der 1970er Jahre setzte sich der Enthospitalisierungsgedanke durch; die Idee dabei war, chronisch psychisch kranken Menschen ein halbwegs normales Leben außerhalb von Krankenhäusern zu ermöglichen.
Dies im Blick ergriffen vor allem Mitarbeiter des Bezirkskrankenhauses Lohr die Initiative und gründeten 1988 den Leinreiter-Verein. Mit Unterstützung dieses Vereins entstand 1991 die erste Wohngemeinschaft für chronisch psychisch kranke Menschen; sie befand sich in einem Haus auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses und hatte acht Bewohner.
Dieses betreute Wohnen ist nach wie vor einer der beiden Schwerpunkte der Arbeit des Vereins. Aktuell stehen laut Harth und Sitter 29 Plätze zur Verfügung. Diese verteilen sich auf fünf Wohngemeinschaften (vier in Lohr, eine in Marktheidenfeld) sowie neun Plätze im einzelbetreuten Wohnen. Die Wohnungen der einzelbetreuten Personen befinden sich in Lohr (4), Marktheidenfeld (2), Rothenfels (2) und Burgsinn (1).
Der zweite Schwerpunkt der Leinreiter ist das beschützte Arbeiten. In diesem Zusammenhang spielt die 1990 gegründete Lohrer Selbsthilfe, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eine Rolle. Der Leinreiter-Verein ist in diesem Unternehmen, welches unter anderem das Bistro mit Verkaufsladen sowie einen grafischen Betrieb am Bezirkskrankenhaus betreibt, Gesellschafter und stellt einen Sozialpädagogen als betrieblichen Helfer zur Betreuung der behinderten Mitarbeiter.
Mitte 2011 haben die Leinreiter das Zuverdienstprojekt LAuB (Leinreiter Arbeit und Beschäftigung) ins Leben gerufen. Es ermöglicht psychisch beeinträchtigten Menschen, einige Stunden pro Woche einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen und schließt auch den Einstieg in eine berufliche Rehabilitation ein.
Im LAuB-Projekt arbeiten psychisch kranke Menschen beispielsweise im Bistro mit oder übernehmen Reinigungs- und Kuvertieraufträge sowie Gartenarbeiten. Ab und zu wird auch mal eine Wohnung renoviert oder selbstgemachte Marmelade auf dem Weihnachtsmarkt verkauft.
Keine Konkurrenz
Harth und Sitter betonen, dass es sich bei all diesen Arbeiten nicht um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen handele; man trete also nicht in Konkurrenz zu Wirtschaftsunternehmen. Neben den Schwerpunkten betreutes Wohnen und beschütztes Arbeiten bieten die Leinreiter ergänzend ambulante Soziotherapie, therapeutisches Reiten und persönliches Budget an. Insgesamt werden in all diesen Fachbereichen aktuell rund 60 Personen betreut. Ganz neu ist seit 1. Oktober eine Kontakt- und Begegnungsstätte an der Großen Kirchgasse 1 in Lohr, die von der Glücksspirale mit über 20 000 Euro bezuschusst wird.
Mit Blick auf die vergangenen 25 Jahre ziehen Harth und Sitter ein positives Fazit. Seit 2005 seien die Aufgaben in allen Bereichen gewachsen. Mit der neuen Kontakt- und Begegnungsstätte schließe sich der Kreis der Angebote.
Ein dickes Lob sprachen Harth und Sitter den „hoch qualifizierten hauptamtlichen Fachkräften“ sowie den „engagierten ehrenamtlichen Bürgerhelfern“ des Vereins aus. Letztere gibt es seit zwölf Jahren, einige sind viele Jahre aktiv, andere engagieren sich kurzzeitig; im Durchschnitt stehen dem Verein sechs Bürgerhelfer zur Verfügung, aktuell sind es sieben.
Die offizielle Feier zum 25-jährigen Bestehen des Leinreiter-Vereins ist am Freitag, 22. November, ab 14.30 Uhr im Festsaal des Lohrer Bezirkskrankenhauses. Infos: Tel. (0 93 52) 5 00 94 81.
Der Verein Leinreiter
In Anlehnung an den mittlerweile ausgestorbenen Berufsstand der Leinreiter, die früher mit Hilfe von Pferden Lastkähne flussaufwärts zogen, hat sich der 1988 gegründete Verein die Aufgabe gesetzt, psychisch kranken und behinderten Menschen – gegen die Erschwernisse des Wohnungs- und Arbeitsmarktes, die eigene Erkrankung und gegen widrige gesellschaftliche Strömungen – zu einem weitgehend selbstbestimmten Leben zu verhelfen. Vor 25 Jahren nahmen die Leinreiter ihre Tätigkeit mit einem halben hauptamtlichen Mitarbeiter auf, heute arbeiten acht hauptamtliche Mitarbeiter für den Verein (sechs Sozialpädagogen und zwei Verwaltungskräfte). Aktuell werden rund 60 chronisch psychisch Kranke betreut. Insgesamt haben die Leinreiter in 25 Jahren rund 140 Personen betreut, viele davon über Zeiträume bis zu zehn Jahren.
Finanziert werden die Angebote des Leinreiter-Vereins folgendermaßen: Die Betreuungsleistungen für betreutes Wohnen, persönliches Budget und Zuverdienstprojekt LAuB übernimmt der Bezirk Unterfranken – sofern die Klienten ihre Betreuungsleistung nicht selbst zahlen (Sozialhilfeleistungen sind vermögens- und einkommensabhängig).
Die ambulante Soziotherapie ist eine Leistung der Krankenkasse, für beschütztes Arbeiten sind der Bezirk Unterfranken und Integrationsamt zuständig. Wohnungsmieten werden von den Klienten aus eigenen Mitteln oder Sozialhilfe bestritten. Auch Spendengelder und Mitgliedsbeiträge werden zur Finanzierung der Leinreiter-Angebote verwendet.