Sollen Jugendliche am Freitag statt in die Schule zur Demonstration für den Klimaschutz gehen? Dies war eine der Fragen, die bei einer Podiumsdiskussion im Karlstadter Johann-Schöner-Gymnasium (JSG) erörtert wurden. Die frischgebackene Staatssekretärin im Kultusministerium und vormalige Arnsteiner Bürgermeisterin Anna Stolz stellte ordnungsgemäß fest: "Ich finde es wichtig, dass sich Jugendliche einsetzen, aber wir haben eine Schulpflicht und einen Bildungsauftrag."

Für die Demonstrationstermine am Vormittag während der Schule kenne sie das Argument: "Wir werden sonst nicht gehört." Aber wenn eine ausreichend große Gruppe Menschen demonstriert, finde diese auch nachmittags Gehör, sagte sie. Vormittags würden etliche ausgeschlossen, die eigentlich mit auf die Straße gehen würden, ihre Schulpflicht aber ernst nehmen. Madeleine Hofmann dazu: "Es ist ein Streik." Juristin Stolz: "Verfassungsrechtlich gibt es in der Schule keinen Streik."
Provozierende Thesen
Die Diskussion war gekoppelt an eine Lesung der Journalistin und Autorin Madeleine Hofmann. Sie stammt aus Bühler, war Schülerin am JSG und arbeitet heute in Berlin, unter anderem fürs ZDF. In ihrem Buch "Macht Platz! - Über die Jugend von heute und die Alten, die überall dick drinsitzen und über fehlenden Nachwuchs schimpfen" schimpft die 31-jährige ihrerseits darüber, dass Jungen das Leben schwer gemacht werde. Das Kabinett Merkel mit einem Altersdurchschnitt von 51,2 Jahren setze Politik für die Alten um, die als Wähler in der Überzahl sind.

Von jungen Menschen erwarte man heute Flexibilität und gebe ihnen nur oft nur Zeitverträge, während gleichzeitig die Renten erhöht werden. Madeleine Hofmann zeichnet in ihrem Buch ein ideales Wunschbild mit einer bestens ausgestatteten Bildungspolitik für Junge und einer an den künftigen Generationen ausgerichteten Umweltpolitik. Eines ihrer Paradebeispiele: Kommt eine interessierte junge Frau zu einer Parteiversammlung und wird von einem der älteren Herren mit "Ein Bier, bitte" angesprochen.

Und sie findet auch Unterstützer in der älteren Generation. So meldete sich Amin Schnaus aus den Reihen des Publikums zu Wort: "Hätte die Politik über viele Jahre etwas für den Klimaschutz getan, dann müssten Schüler jetzt nicht auf die Straße gehen."
Sollen schon Kinder wählen?
Madeleine Hofmann propagiert ein Kinderwahlrecht. Dass man erst ab 18 Jahren zur Wahlurne gehen darf, sei reine Willkür. "Die Mehrheit der Wähler ist alt. Also wird Politik schwerpunktmäßig für diese Zielgruppe gemacht." So lautet eine ihrer Thesen. Und sicher würden keine Kleinkinder zur Wahl krabbeln. Vielmehr sei es ein gutes Kriterium zu sagen: Wahlfähig ist, wer seine Wahlunterlagen selbstständig beantragen kann.
Die Bezirksschülersprecherin Viktoria Aull, die an die Florentini-Schule Gemünden geht, unterstützte diese Idee. Weil die Jungen in der Minderheit seien und zudem ein besonders niedriger Prozentsatz aus dieser Altersgruppe zur Wahl geht, sollte mindestens ab 16 gewählt werden dürfen.

Dass die Wahlbeteiligung der Jungen niedrig ist, könne doch kein Argument für eine Herabsetzung des Wahlalters sein, konterte Paul Kruck. Er könne sich aber vorstellen, bei der Kommunalwahl auf 16 herunterzugehen. Im Kommunalen seien die jungen Wähler näher an den Themen dran. Es brauche eine Regelung.
"Null Jahre ist auch eine Regelung", warf Madeleine Hofmann ein. Und was die Qualifikation fürs Wählen angehe: "Sie setzen voraus, dass alle über 18 sich politisch auskennen. Da müsste man ja einen Wissenstest machen." Übrigens gebe es nach oben auch keine Altersgrenze fürs Wählen.
Der Generationenvertrag

"Macht Platz!" Angesichts dieses Titels brachte Paul Kruck die Frage ins Spiel, ob es denn richtig sei, wenn der Nürnberger Bürgermeister mit 58 aufhören wolle. So könne das Alter nicht finanziert werden. Janik Havla, stellvertretende Karlstadter Ortsvorsitzende von "Die Partei", erinnerte daran, dass früher Kinder die Altersvorsorge darstellten. Nach diesem Prinzip - nur bundesweit - ist der Generationenvertrag konstruiert. "Kinderkriegen muss wieder bezahlbar sein." Kruck: "mit Geburten ist das Problem nicht zu lösen. Das passt nicht in unsere Welt." Vielmehr müsste die Lebensleistung jedes einzelnen berücksichtigt werden.

Auf Madeleine Hofmanns Vorwurf, Junge hätten es schwer, für die Zukunft zu planen, weil sie oft mit befristeten Jobs hingehalten werden, erklärte Andres Fella als Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenbank Main-Spessart, in seiner Bank werde nur noch unbefristet übernommen. "Sonst sind die bald weg."
Die Lesung und Diskussion am Dienstag im JSG hatten die Deutschlehrer Florian Burkard und Jochen Diel als Auftakt der diesjährigen Reihe von "Les-Art", einer Aktion zur Leseförderung, organisiert. Für ihre dezente, aber bestimmte Diskussionsleitung erhielt die Main-Post-Volontärin Carolin Schulte von einigen Zuhörern anschließend Lob. Auf dem Podium saßen neben Madeleine Hofmann Paul Kruck, Anna Stolz, Janik Havla, Andreas Fella und Viktoria Aull. Unter den 230 Besucher waren auch 110 Jugendliche der Jahrgangsstufe Q 12.