„Als ich vor elf Jahren nach Lohr kam, waren viele Türen offen“, sagt der Litauer Virginijus Zilinskas. Aus den Worten des 34-Jährigen klingt Dankbarkeit. Er habe über seine Arbeit bei Bosch Rexroth und den Basketballsport schnell Kontakte schließen können und das habe das Eingewöhnen einfach gemacht.
Chaos im Kopf
„Dennoch herrschte am Anfang oft Chaos in meinem Kopf.“ Sprachprobleme hätten ihm zu schaffen gemacht; sein Schuldeutsch sei zu gering gewesen für eine Unterhaltung. „Mit Kollegen, Sportkameraden und meiner späteren Frau Stephanie redete ich im ersten Jahr Englisch.“ Seine litauische Staatsbürgerschaft hat er beibehalten und sagt, das bleibe auch so. Er fühle sich halb als Litauer, halb als Deutscher. Dann schmunzelt er: „Fast alle Leute denken, ich sei Russe.“
Der Unterschied zwischen Balten und Russen sei den meisten nicht klar. Dabei unterscheiden sich beider Sprache und Schrift so sehr wie Deutsch von Serbisch.
Virginijus Zilinskas wuchs in einem Dorf in Litauen auf, das rund zwei Stunden von Kaunas, der zweitgrößten Stadt des Landes am Zusammenfluss von Memel und Neris, entfernt liegt. Dort betreiben seine Eltern und sein jüngerer Bruder eine große Milchlandwirtschaft. Er selbst studierte an der Universität in Kaunas Elektrotechnik und Automatisierung. Nach Ende seines Studiums 2003 begann er ein halbjähriges Praktikum bei der Lohrer Firma Bosch Rexroth. Während dieser Zeit wohnte er im Schwesternwohnheim des Bezirkskrankenhauses (BKH). Dort nahm sein Leben im Februar 2004 eine Wende.
Er besuchte einen Kappenabend am BKH und lernte dort die BKH-Krankenschwester Stephanie Gröbner kennen. „Wir verdanken unser Begegnen einem sehr glücklichen Zufall“, sagen beide. Den Ex-Basketballspieler der zweiten litauischen Bundesliga und die TSV-Handballerin verband von Anfang an das Interesse am Sport. Seit 2007 sind sie verheiratet. Ihre deutsch-litauische Beziehung bauten sie auf Liebe und Fairplay. „Interessant wird es bei uns, wenn Litauens Basketball-Nationalmannschaft gegen die deutsche spielt“, erzählt Stephanie Zilinskas.
Im April 2004 reiste das Paar zum ersten Mal zu Virginijus' Eltern nach Litauen, im Monat darauf zogen die jungen Leute ins Haus von Stephanies Eltern Brunhilde und Lothar Gröbner in Sendelbach. „Hier wurde ich sehr herzlich aufgenommen“, sagt Virginijus Zilinskas. „Nur unterhalten konnten wir uns anfangs nicht.“
„Ruff, nuff, nü, rü“
Das Ehepaar Gröbner sprach nicht Englisch, der Litauer kaum Deutsch. Er erinnert sich an einen Besuch beim Fußball mit dem aus Steinfeld stammenden Schwiegervater. „Ruff, nuff, nü, rü“, habe dieser gesagt. „Ich versuchte, die Bedeutung der Worte zu erahnen.“ Dass er in Lohr Fuß fasste und sein Praktikum verlängert wurde, verdanke er in erster Linie dem ehemaligen Lohrer Basketball-Abteilungsleiter Bernhard Münzel und dessen Unterstützung. Münzel hatte ihm auch ein Probetraining beim Bundesligisten Bamberg vermittelt. Der Verein bot einen Platz in der ersten Mannschaft an. Das hätte einen Umzug bedingt. „Stephanie hätte ihre Stelle am BKH aufgeben müssen.“
2005 erhielt Zilinskas ein einjähriges Trainingsprogramm bei den Marktheidenfelder Basketballern. Auch dort habe er große Unterstützung erhalten. Litauen stand unmittelbar vor Eintritt in die EU. „Deshalb und wegen des Trainingsvertrags erhielt ich eine dauerhafte Arbeitserlaubnis in Deutschland.“ Seit zwei Jahren lebt er mit seiner Frau, dem achtjährigen Sohn Jonas und der 2008 geborenen Tochter Eva im eigenen Haus in Pflochsbach. Jedes Jahr reisen sie für drei Wochen nach Litauen. Probleme mit der Verständigung haben sie keine; Stephanie Zilinskas und ihre Kinder sprechen Litauisch. Basketball spiele er nur noch, wenn der Beruf es zulässt. Der Ingenieur arbeitet seit drei Jahren bei der Lohrer Firma Sorg und ist in ganz Europa sowie von Mexiko bis Indien unterwegs, um Anlagen in Betrieb zu nehmen.