"Sie hat sich nicht einmal versprochen", sagt ein Besucher bewundernd beim Hinausgehen. Die Rede ist von Lisa Eckhart, der österreichischen Kabarettistin, die am Freitag vor 650 Zuhörern in der Stadthalle aufgetreten ist. Sie kamen über zwei Stunden lang nicht nur in den Genuss eines speziellen Humors, sondern eines Gesamtkunstwerks.
Sorgfältig frisiert und geschminkt, mit langen weißen Fingernägeln sitzt Lisa Eckhart in dieser Zeit auf einem Barhocker. Sie trägt ein bademantelähnliches buntes Gewand, das einige Einblicke erlaubt, und hat die nackten Beine übereinandergeschlagen – bis auf eine Szene, in der sie demonstriert, wie Jesus bei seiner Geburt Maria von innen heraus entjungfert: "Ödipus wird neidisch".
Man hat ihren Humor schwarz genannt. Ihrer Meinung nach könne Humor nur schwarz sein, sagte die Kabarettistin Ende vorigen Jahres in einem Interview mit dem Schweizer Tagesanzeiger. Sie könne nicht über etwas lachen, was nicht schmerze.
Distanz gebieten
Jede ihrer Gesten und jede ihrer Formulierungen sitzt. Die Bühnenaufmachung und die Art des Auftritts sind genau kalkuliert. Sie wolle sich abgrenzen, indem sie Distanz gebiete, so Eckhart im Interview. Sie empfinde es als entwürdigend, wenn Kollegen die Ästhetik vernachlässigten, die Form nicht mehr hochhielten und sich mit dem Publikum verbrüderten.
Das sei ein Verrat an sich selbst, am Künstler – aber auch am Publikum. Denn die Zuschauer wollten kein Identifikationsobjekt sehen, sondern etwas, was sie übersteige, also Transzendenz. "Ich bin kein Künstler, ich bin Kunst", lautet denn auch ein Satz in ihrem zweiten Programm "Die Vorteile des Lasters", mit dem sie in Lohr auftritt.
Von Trägheit bis Eitelkeit
Sie geht die sieben Laster von Trägheit bis Eitelkeit durch – beziehungsweise das, was noch davon übrig geblieben ist, seitdem Gott tot ist. Denn wenn es keine Hölle mehr gebe: "Wozu dann noch sündigen?" Das Leben sei zu einer "Waldorfschule geworden, in der alles erlaubt ist".
Mit ihrem Programm könne sie nicht auf jeden Rücksicht nehmen, beispielsweise nicht auf die Rot-Grün-Blinden, so Eckhart. "Warum setzt man die einzigen Farben, die sie nicht sehen können, für Ampeln ein?" Als das Publikum klatscht, stellt sie fest: "Der Sozialdarwinismus ist stark in Lohr."
Aus dem Laster Zorn ist nach ihrer Überzeugung Zimperlichkeit und Weinerlichkeit geworden. Wegen des Coronavirus werde ein Zirkus veranstaltet "als stünden die Türken wieder vor Wien". Daran seien die Medien schuld: "Früher erfuhr man von der Pest, wenn man sie kriegte."
Stadt im Körper eines Dorfs
Sie habe kein Verständnis dafür, dass Deutsche aus Wuhan evakuiert worden seien. Wenn man es ernst meine mit der Bekämpfung der Epidemie, "lässt man sie dort und nimmt ihnen die Pässe weg". Das Virus habe auch positive Effekte, es vereine die Menschen: "Was haben wir denn seit dem Weltkrieg gemeinsam gemacht?"
Sie werde mit ihrem nächsten Programm gerne wieder nach Lohr kommen, verspricht Eckhart zum Schluss dem heftig applaudierenden Publikum, in die Stadt, "die gefangen ist im Körper eines Dorfes". Das Lohrer Publikum zeige die Leidenschaft von Leuten in Orten, "wo der Bus nicht jede Woche fährt". Bleibt nur zu hoffen, dass sich der Veranstalter Thorsten Merz von ktm events die Kabarettistin dann noch leisten kann, wenn es mit ihrer Karriere weiter so aufwärts geht wie bisher.