Noch zehn Tage bis zu der öffentlichen Haushaltsberatung des Lohrer Stadtrats. »Bis dahin schafft man dran«, sagt Uwe Arnold, der als Kämmerer das Zahlenwerk zusammenstellt und Einnahmen und Ausgaben kontrolliert. Er macht das seit 2015 – seit Ebbe in der Stadtkasse ist.
Zum Umfang der Ausgaben und Einnahmen der Stadt für dieses Jahr gibt er noch keine Auskunft und stellt ein paar Süßigkeiten auf den Tisch. Nervennahrung? »Das muss schon ab und zu sein«, gibt der 58-Jährige zu.
Herr Arnold, der Haushaltsplan der Stadt ist ein Din-A-4 großes Buch mit knapp 500 Seiten. Wie viele Posten stecken da drin?
1600.
Wie behält man den Überblick in diesem komplexen Zahlenwerk?
Es ist strukturiert. Es sind zwei Teile: der Verwaltungshaushalt und der Vermögenshaushalt mit den Investitionen. Über die Einzelpläne 0 bis 9 hat man den Überblick. Während des Jahres schaue ich mir monatlich die Einnahmen und Ausgaben an. Anhand der Fieberkurve sehe ich die Sollwerte und was tatsächlich passiert. Zu Beginn des Jahres müssen relativ hohe Ausgaben getätigt werden, wie Zahlungen zu Versorgungskassen. Die ersten Einnahmen kommen im Februar mit Grund- und Gewerbesteuer und im April mit den ersten der vierteljährlichen Steuerbeteiligungen. Die größte Einnahmequelle ist der Einkommenssteueranteil. Der Kämmerer muss immer im Blick haben, ob sich Ausgaben und Einnahmen im Lauf des Jahres kompensieren. Mal gibt es Nachzahlungszinsen, weil die Finanzprüfung ergeben hat, dass die Gewerbesteuer in einem Vorjahr höher ausgefallen ist. Es kann auch umgekehrt sein: Wenn die Gewerbesteuereinnahmen nach unten korrigiert werden, muss die Stadt zahlen.
Wie kommen Sie auf die Zahlen für die einzelnen Posten?
Früher waren wir ein Musterschüler. Die Stadt hatte zum 31. Dezember immer einen beschlossenen Haushalt. Weil wir keine Rücklagen mehr haben und damit kaum Spielraum, sind wir auf verlässliche Mitteilungen über die Einnahmen angewiesen. Die Steuermitteilungen kommen aber erst im Dezember, dieses Jahr erst im Januar, die Schlüsselzuweisung fehlt immer noch. Ende September bekommen die Amtsleiter einen Aufruf, ihren Bedarf zu melden. Das geben wir in ein Computerprogramm ein. Das Ergebnis ist immer, dass Geld fehlt. Man vergleicht mit Vorjahreswerten und fängt bei den größten Ausreißern an.
Am Ende gibt es ein Abstimmungsgespräch mit dem Bürgermeister und den Abteilungsleitern. So lenken wir den Stromin eine immer engere Bahn, bis die Kämmerei ins Gespräch mit Bürgermeister, Geschäftsleitung und Fraktionsvorsitzenden geht. Danach werden die Wünsche der Fraktionen für den Vermögenshaushalt berücksichtigt. Die Gespräche sind immer konstruktiv.
Woher nehmen Sie das Geld, wenn plötzlich Zinsen für zuviel gezahlte Gewerbesteuer erstattet werden müssen oder Baukosten höher ausfallen?
Zunächst ist die Frage, ob die Mehrausgaben erheblich sind. Die Gemeindeordnung definiert es nicht, aber circa ein Prozent der Summe des Verwaltungshaushalts sind die Richtschnur. Für Lohr ist es ein halbe Million Euro, ab der es erheblich wird. Dann muss ein Nachtragshaushalt erstellt werden. Was darunter ist, kompensiert sich oft durch geringere Zuführung zum Vermögenshaushalt oder durch Rücklagenentnahme. Man schaut, wann Beteiligungsbeiträge eingehen und versucht Ausgaben zu verschieben. Wenn sich für die Stadt kurzfristig die Möglichkeit ergibt, ein lukratives Grundstück zu kaufen, gibt es zum Beispiel die zwei Lastwagen für den Fuhrpark später, auch wenn sich der Amtsleiter nicht freut.
Wann muss man den Haushalt vom Landratsamt genehmigen lassen und welche Folgen hat das?
Wenn wir einen Kredit aufnehmen müssen, sind wir gegenüber dem Landratsamt rechenschaftspflichtig. Die Behörde schaut sich die Leistungsfähigkeit an. Bei wiederholten Kreditaufnahmen kommen die freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand. Deshalb versuchen wir jedes Jahr einzusparen, was geht. Irgendwann kommt der Punkt, wo es nicht mehr geht. Dann heißt es, die Einnahmen zu verbessern, Gebühren und Hebesätze erhöhen.
Bereitet Ihnen die Lage der Stadt mit neun Millionen Euro Schulden schlaflose Nächte?
Das gibt es schon, dass ich mal wach liege und nachdenke. Eigentlich könnte ich gechillter sein, aber ganz abstreifen kann ich es nicht immer. Lohr hatte den Luxus hoher Rücklagen und hoher Gewerbesteuer von neun bis zehn Millionen Euro. Jetzt stagniert sie bei sechs Millionen. Man muss aber auch sagen, dass für die Rücklagen etwas da ist: die neue Stadthalle, das sanierte Schulzentrum, an dem die Stadt beteiligt ist.
Haben Sie Gestaltungsmöglichkeiten?
Die hatte vor allem Erwin Sicheneder, mein Vorvorgänger. Er war berufsmäßiger Stadtrat. Sein Nachfolger Hans-Dieter Richter und jetzt ich, wir sind Verwaltungsleute und verwalten die Finanzen. Wir können aufzeigen, wo man Einnahmen generieren und Ausgaben mindern kann. Das dem Bürgermeister und dem Stadtrat mitzuteilen, ist unsere Pflicht. Ich trete oftmals als Spaßbremse auf. Hans-Dieter Richter hat mal ironisch gesagt: Wir sind der Bremsklotz am Siegeswagen der Stadt.
Wie wird man Kämmerer?
Ich wollte nie etwas mit Zahlen zu tun haben. Ich war zwölf Jahre bei der Bundeswehr und habe 1989 bei der Stadt Würzburg die Ausbildung zum mittleren Verwaltungsdienst absolviert. Als sich abzeichnete, dass wir von Karlburg in den Heimatort meiner Frau nach Neustadt ziehen, war in Lohr eine Stelle in der Stadtkasse ausgeschrieben. So bin ich 1992 zur Stadt gekommen. Ich habe ins Einwohnermeldeamt gewechselt und bin seit 1994 Standesbeamter. 1998 bis 2000 folgte das Studium für den gehobenen Dienst in Hof. Mit 38 war ich der Hörsaalopa.
Zurück bei der Stadt war ich bis 2011 für das Beitragsrecht zuständig: Als der stellvertretende Kämmerer Peter Amann 2012 in Pension ging, habe ich mich auf die Stellvertreterstelle beworben und bin aufgerückt. Es war für mich eine Aufstiegsmöglichkeit. Als 2014 Richter in den Ruhestand ging, habe ich lange mit mir gerungen, ob ich mich als Nachfolger bewerben soll. Ausschlaggebend war, dass er mir das zugetraut hat. Mit Stephan Morgenroth ist ein Allrounder mein Stellvertreter geworden. Das hat mir in der Anfangszeit sehr geholfen und es ist jetzt ein schönes Arbeiten.
Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Geld?
Ich gönne mir schon was, aber was man einnimmt, sollte für die Ausgaben reichen. Und es sollte etwas für die Sicherheit übrig bleiben. Wenn etwas dafür steht, wie ein Hausbau, ist ein Kredit keine Schande.