Main-Spessart Dem Einzelhandel in Main-Spessart geht es verhältnismäßig gut, sagt Burkhard Heimbach, Vorsitzender des Handelsverbandes Bayern e.V. Main-Spessart und Inhaber von Farben und Raumgestaltung Heimbach aus Lohr. Damit es allerdings so bleibt, sind übergreifendes Denken und Zusammenarbeit gefragt – sowohl von den Vertretern des Einzelhandels als auch von den Kommunen. Wie das funktionieren kann und wo es schon gut praktiziert wird, erläutert Burkhard Heimbach im Interview.
Frage: Herr Heimbach, Ihr Geschäft ist seit 54 Jahren am Markt, Sie sind seit fünf Jahren Vorsitzender des Handelsverbandes in Main-Spessart. Was hat sich in der Zeit getan?
Burkhard Heimbach: Ich bin in Frammersbach aufgewachsen. Damals hatten wir noch drei Tante-Emma-Läden im Ort. Nach denen kamen die größeren Lebensmittelmärkte und dann die Discounter. Und umso größer die Geschäfte wurden, umso weiter ging es raus auf die Grüne Wiese.
. . . und umso einsamer wurde es in den Innenstädten?
Heimbach: Nicht unbedingt. In Lohr zum Beispiel hat man in den 70er Jahren die richtige Entscheidung getroffen und die Fußgängerzone installiert. Da gab es viel Widerstand, nach dem Motto: Ihr könnt doch nicht die Autos aus der Stadt sperren! Aber die Entscheidung war goldrichtig. Einerseits entstanden dadurch eine gut frequentierte Fußgängerzone und rund 100 Geschäfte und Gastronomiebetriebe in der Innenstadt. Andererseits konnte sich dadurch, dass sich Lohr zurückgenommen hat, an anderer Stelle etwas entwickeln.
Zum Beispiel?
Heimbach: Der Lebensmittelmarkt tegut in Partenstein zum Beispiel. Hätte es bereits einen großen tegut in Lohr gegeben, wäre man wahrscheinlich nicht nach Partenstein gegangen.
In Main-Spessart gibt es mit den vier großen Städten auch vier Zentren mit geballtem Einzelhandel. Wie wirkt sich das insgesamt aus?
Heimbach: Das funktioniert, da jede Stadt für sich eine andere Identität hat. Diese wird geprägt durch einzelne, seit Jahren am Ort ansässige Betriebe. Das ist zum Beispiel in Marktheidenfeld das Unternehmen Udo Lermann, in Karlstadt das Modehaus Koch und in Gemünden die Möbel Berta. In Lohr ist es kein großer Betrieb, sondern die kompakte Fußgängerzone mit ihren vielen Geschäften, die den Handel in der Stadt prägt. Wie wichtig diese Identität ist, sieht man am Beispiel von Frammersbach. Der Ort wurde früher durch seine Heimschneider und die Kleiderfabriken geprägt. Die gibt es aber in dem Umfang nicht mehr, und nun bemüht sich die Werbegemeinschaft darum, eine neue Identität zu schaffen. Discounter helfen da zum Beispiel nicht groß weiter, denn sie stiften keine Identität mit dem Ort. Sie tragen den Namen der Stadt oder der Kommune nicht in ihrer Werbung und unterstützen auch nicht bei örtlichen Festen, zum Beispiel als Sponsor.
Abgesehen von den großen Städten gibt es in Main-Spessart rund 40 Ortschaften. Wie geht es denen?
Heimbach: Das ist unterschiedlich und hängt sehr von den Bürgermeistern und dem Engagement vor Ort ab. Sehr schön ist die Entstehung von Dorfläden, zum Beispiel in Gräfendorf, in Eußenheim durch einen privaten Betreiber, und in Wiesenfeld ist ein Dorfladen in Vorbereitung. Diese Läden sind wichtig für das Leben und die Nahversorgung vor Ort, hier wird sich getroffen, ein Schwätzle gehalten. Insgesamt jedoch müssen die Kommunen lernen, übergreifend zu denken, also sich untereinander abzusprechen, um ihren Einzugsbereich aufrecht zu erhalten. Nehmen wir Gemünden: Hier gibt es für die Menschen das geballte Angebot. Dennoch gilt es, die Nahversorgungsgeschäfte im acht Kilometer entfernten Rieneck zu erhalten, um auch dort die Lebensqualität hoch und die Menschen dort zu halten. Wer alles auf die größeren Städte konzentriert, lässt den Umkreis verkümmern und verliert somit seine eigenen Kunden im Einzugsbereich.
Ist das allen Beteiligten bewusst?
Heimbach: Das Problem ist oft, dass nicht weit genug gedacht wird. Bei einer guten Stadt- und Dorfentwicklung muss man, bevor der Inhaber des letzten Lebensmittelmarktes aus Altersgründen aufgibt, darüber nach- denken, was dann passieren kann. Da hat die Kampagne „Lass den Klick in Deiner Stadt“ gute Dienste geleistet und gerade bei einigen Kommunen und Bürgermeistern zu einem Denkanstoß geführt.
Viele Einzelhändler haben noch keinen Internetauftritt – und wollen auch keinen. Wie wichtig ist die eigene Präsenz im Netz?
Heimbach: Wichtig ist, dass das Geschäft im Internet mit Namen, Adresse, Öffnungszeiten und einer kurzen Beschreibung auffindbar ist. Da ist jeder einzelne Kollege gefordert. Eine eigene Homepage ist auch wichtig, aber nicht immer einfach zu machen. Die Website msp-info.de ist in Main-Spessart ein einfach zu nutzendes Portal. Wir veranstalten vom Handelsverband aus Seminare, in denen wir zeigen, wie man sich im Internet präsentieren kann und vor allem, auf was zu achten ist.
Wie ist das Kaufverhalten der Kunden heute?
Heimbach: Die Leute informieren sich auch im Netz. Deshalb ist es gut, dort gefunden zu werden. Stehen sie dann im Laden an der Theke, ist es wichtig, ein vernünftiges Angebot zu machen. Dumpingpreise aus dem Internet machen uns vordergründig unglaubwürdig. Oft lässt sich jedoch nicht nachvollziehen, wie der Preis im Internet zustande kommt, weil es sich um ein Vorjahresprodukt, eine Überproduktion oder einen Transportschaden handelt. Bei der Beratung stellt sich das eine oder andere Mal heraus, dass das Produkt für den Kunden gar nicht geeignet war. Denn wer liest sich im Internet schon seitenlange technische Merkblätter durch? Beratungsintensive Produkte über das Internet an den Markt zu bringen, ist einfach schwierig, das Problem kommt auch auf die Industrie zu.
Inwiefern?
Heimbach: Zum Beispiel bei der Einführung von neuen Kollektionen oder Produkten. Die Leute suchen im Internet oftmals nur nach Bekanntem. Neues muss aber erst gefunden oder durch Berater vorgestellt und erklärt werden, damit der Kunde überzeugt wird. Das hat bisher der Verkäufer im Handel übernommen. Was aber, wenn der zunehmend wegfällt? Dazu kommt, dass manche Produkte für den Verkauf im Internet nicht geeignet sind. Ein Beispiel aus meiner Branche: Die Umsätze von unifarbenen Tapeten sind im Internet im letzten Jahr eingebrochen. Der Grund: Sie lassen sich am Bildschirm nicht gut darstellen, im Gegensatz zu gemusterten Varianten. Des Weiteren können Kunden in wenigen Minuten beim Gang zum Beispiel durch ein Bekleidungsgeschäft Hunderte von Artikeln in Augenschein nehmen. Im Internet benötigt man dafür Stunden.
Der Handel kann also ruhig mehr auf seine Vorteile in den Bereichen „Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken“ vertrauen?
Heimbach: Genau. Wichtig ist, sich immer wieder darauf zu berufen und sich auch dort immer weiter zu verbessern. Denn die Kunden in Main-Spessart mögen ihren Ort, ihre Einkaufsstadt. Das ist eine gute Basis für treue Kunden.