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Marktheidenfeld: Marktheidenfelder Logopädin: "Irgendwann verstehen wir uns nicht mehr"

Marktheidenfeld

Marktheidenfelder Logopädin: "Irgendwann verstehen wir uns nicht mehr"

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    Logopädin Franziska Hofstetter macht mit einer Patientin Laut-Übungen zum Buchstaben O.
    Logopädin Franziska Hofstetter macht mit einer Patientin Laut-Übungen zum Buchstaben O. Foto: Stefanie Richter, Kreativwerk Würzburg

    Was kann ich gegen Stottern machen? Wieso verschlägt es mir die Sprache? Fragen, die an diesem Freitag, dem europäischen Tag der Logopädie, nicht besser passen könnten. Denn was genau ist Logopädie beziehungsweise Sprachtherapie eigentlich? Die akademische Sprachtherapeutin Franziska Hofstetter hat erst kürzlich eine eigene Praxis in Marktheidenfeld eröffnet. Sie will Vorurteile über Logopädie ausräumen und beobachtet eine gesellschaftliche Entwicklung. Im Gespräch erzählt die 30-Jährige von besonderen Behandlungen, von unterschiedlichsten Patienten und vom ominösen Wort "Alter".

    Frau Hofstetter, warum brauchen wir Logopädie, können wir nicht mehr richtig sprechen?

    Franziska Hofstetter: Eine logopädische Behandlung kann aus sehr unterschiedlichen Gründen sinnvoll sein. Tatsächlich ist der Bedarf in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Zum einen, weil die älteren Patienten länger leben, besser medizinisch versorgt werden, aber zeitgleich die sprachlichen Einschränkungen steigen. Zum anderen, weil Kinder immer mehr digitale Medien konsumieren, das kann unter Umständen zu Sprachstörungen führen.

    Wie können digitale Medien dazu führen?

    Hofstetter: Heute werden Kinder schneller mal vor den Fernseher gesetzt als früher. Dadurch kriegen sie teilweise den falschen Input und werden nicht aufgefordert, sich aktiv zu beteiligen. Dabei wird oft nicht bedacht, dass Kinder viel mehr aufschnappen, als sie vielleicht sollten. Anstatt die Sprache der Eltern nachzuahmen, werden Redewendungen und teilweise schlechte Ausdrucksweisen aus den digitalen Medien übernommen. Gerade in jungen Jahren ist es aber wichtig, viel mit den Kindern zu sprechen.

    Franziska Hofstetter trainiert mit einem Kind die Lippen- und Wangenkraft.
    Franziska Hofstetter trainiert mit einem Kind die Lippen- und Wangenkraft. Foto: Stefanie Richter, Kreativwerk Würzburg

    Was genau ist Logopädie eigentlich?

    Hofstetter: Unter Logopädie verstehen wir Sprachtherapie. Wir behandeln also Störungen des Sprechens, der Sprache, der Stimme und des Schluckens. Das fängt im Kleinkindalter an. Beispielsweise bei Babies, die nicht richtig essen, die nicht richtig gefüttert werden können. Aber wir behandeln auch Menschen im hohen Alter, die aufgrund von Demenz verschiedene motorische Bewegungen vergessen oder verlernt haben. Auch Patienten, die Störungen durch Schlaganfälle oder neurologische Erkrankungen aufweisen, kommen zu uns.

    Warum ist ein europäischer Tag der Logopädie wichtig?

    Hofstetter: Er ist wichtig, weil sehr viele Leute immer noch nicht wissen, was wir Logopäden machen. Ich werde immer wieder mit irrtümlichen Vorurteilen konfrontiert. Kürzlich sagte jemand zu mir: "Ach du bist Logopädin, dann kannst du mich ja mal massieren." Viele wissen noch nicht Bescheid, andere denken bei Logopädie ausschließlich an Stottern und Lispeln. Aber das ist nur ein kleiner Teil. Wenn man die Sprache nicht pflegt, dann sprechen die Menschen irgendwann nicht mehr richtig, dann verstehen wir uns irgendwann nicht mehr. Es herrscht ein großer Bedarf an Logopädie, jedoch ein Mangel an Therapeuten. Damit sich das ändert, brauch die Sprachtherapie mehr Aufmerksamkeit.

    Welche Patienten kommen mit welchen Problemen zu Ihnen?

    Hofstetter: Die Altersspanne unserer Patienten reicht von wenigen Monaten bis ins hohe Alter. Kleine Kinder, meist ab drei Jahren, haben häufig mit der Sprache an sich Probleme. Entweder sie verstehen etwas nicht, haben einen zu geringen Wortschatz oder scheitern an der Grammatik, dem Satzbau. Daran können wir arbeiten. Ältere Kinder haben oft Schwierigkeiten beim Sprechen, beherrschen verschiedene Laute nicht – sie können etwa das "K" nicht aussprechen und sagen zur "Katze" "Tatze", zum "Kopf" "Topf". Dann spielen wir beispielsweise Memory und setzen nur Worte ein, in denen ein "K" vorkommt. Andere Kinder schlucken nicht richtig. Sie drücken ihre Zunge beim Schlucken immer an die vorderen Zähne, verschieben sie damit unbewusst. Das muss abtrainiert werden.

    Und die Erwachsenen?

    Hofstetter: Unter den erwachsenen Patienten sind etwa Sprechberufler, deren Stimmen häufig versagen. Beispielsweise Lehrer, die viel sprechen, die gegen einen Lärmpegel ankommen müssen. Sie bekommen bei uns dann eine Stimmtherapie. Patienten nach Schlaganfällen oder mit neurologischen Krankheiten müssen bei uns teilweise komplett neu sprechen lernen. Anderen müssen wir das Schlucken wieder beibringen, indem wir spezielle Muskeln stimulieren und bestimmte Techniken vermitteln. Dabei arbeiten wir beispielsweise mit Eiswasser oder warmen Tüchern, um die Nerven zu aktivieren.

    Sie sprechen von einem steigenden Bedarf in der Gesellschaft. Gibt es aber auch Kinder, die viel zu früh in Behandlung geschickt werden?

    Hofstetter: Eher selten kommen Patienten, bei denen eigentlich kein Bedarf erkennbar ist. Grade Kindergärten sind mittlerweile gut geschult und erkennen, wenn beispielsweise ein Kind einen bestimmten Buchstaben nicht aussprechen kann. Insgesamt begeben sich immer mehr Menschen in logopädische Behandlung. Das ist auch gut so, denn die Möglichkeit der Sprachtherapie war früher vielen Menschen schlicht nicht bewusst. Doch gerade für Kinder kann das wertvoll sein. Denn umso früher man mit einer Behandlung anfängt, desto schneller kann diese abgeschlossen werden.

    "Sie können etwa das K nicht aussprechen und sagen zur Katze Tatze, zum Kopf Topf."

    Franziska Hofstetter, Marktheidenfelder Logopädin

    Wie komme ich zu einer logopädischen Behandlung?

    Hofstetter: Jeder, der zu uns kommt, braucht ein Rezept, eine Verordnung vom Arzt. Sonst dürfen wir niemanden behandeln. Der Arzt entscheidet dann, was auf dem Rezept steht. Er bestimmt also die Dauer, die Häufigkeit und die Art der Behandlung. Häufig sind die Ärzte auch bereit, unsere Anregungen bezüglich der Behandlung nach Absprache zu berücksichtigen. Das ist vor allem im Hinblick auf eine ganzheitliche Behandlung von großer Bedeutung. Generell kommen aber auch oft Kindergärten auf die Eltern zu und empfehlen eine logopädische Behandlung ihres Kindes. Daraufhin müssen die Eltern dann beim Arzt ein Rezept einholen und erst dann landen sie bei uns.

    Mithilfe von Symbolbildern lernt ein Schlaganfallpatient zu sprechen.
    Mithilfe von Symbolbildern lernt ein Schlaganfallpatient zu sprechen. Foto: Stefanie Richter, Kreativwerk Würzburg

    In den Medien ist immer wieder von Verrohung der Sprache zu hören. Gibt es da einen Zusammenhang mit logopädischem Bedarf?

    Hofstetter: Ob ein Zusammenhang besteht, lässt sich schwer sagen. Aber die Verrohung ist klar zu spüren. Ich ertappe mich oft dabei, dass ich Leute beim Sprechen verbessere. Gerade bei Kindern fällt mir auf, dass sie Artikel oder Präpositionen weglassen. Oder ein vierjähriges Kind sagt: "Alter, ich habe gewonnen." Es wird kein Wert mehr auf ordentliches Sprechen gelegt. Das muss nicht zwingend mit Sprachstörungen zusammenhängen, aber auf Dauer könnte da sicher ein Zusammenhang entstehen. Gerade weil Kinder vieles von Eltern oder älteren Geschwistern übernehmen. Auch Lispeln oder Stottern kann sich beispielsweise auf Kinder übertragen lassen.

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