Ein mittelständisches Unternehmen aus Lohr schickt sich an, den chinesischen Markt zu erobern: Die Firma Mösslein Wassertechnik steht vor dem Start einer Kooperation mit Wasserversorgern in chinesischen Millionenmetropolen.
Konkret geht es darum, dass die Wasserhygiene-Experten aus Lohr womöglich schon ab November chemische Produkte zur Reinigung und Desinfektion von großen Wasserspeichern und Leitungen nach Fernost liefern. Außerdem soll die Firma ab Anfang 2020 die Mitarbeiter chinesischer Wasserversorger schulen.
Nach langer Anbahnung wurden laut Günter Mösslein, einem der drei Firmengründer, die Weichen vor wenigen Wochen bei einem Kongress in Shanghai gestellt. Die Tagung hatte das Lohrer Unternehmen auf Wunsch staatlicher Stellen organisiert. Anwesend waren rund 100 Verantwortliche aus 20 chinesischen Metropolen.
Chinas großes Wasserproblem
China legt laut Mösslein nach Jahren der Investitionen in Autobahnen und sonstige Infrastruktur neuerdings mehr Wert auf Umwelt und Wasserqualität. Gerade beim Trinkwasser gebe es gewaltige Defizite. Allein die Stadt Shanghai habe ein 35 000 Kilometer langes Leitungsnetz, das zum Teil noch aus dem Jahr 1917 stamme. In jedem Hochhaus gebe es große Wasserbehälter, insgesamt tausende. Um deren regelmäßige Reinigung habe sich bislang niemand so recht gekümmert.
All dies führe dazu, so Mösslein, dass sich die Wasserqualität in China auf den letzten Metern zum Wasserhahn "eklatant verschlechtert". Trinkwasser gebe es in China vor allem aus Flaschen und Kanistern. Ziel der Regierung sei jedoch, dass bis 2030 aus jedem Hahn Trinkwasser fließt. Die Chinesen machten sich auf die Suche nach Unternehmen, die dabei helfen können. Über einen Geschäftspartner, der für Mösslein schon seit einigen Jahren versucht, Geschäfte in China anzubahnen, kam der Kontakt nach Lohr zustande.
Vorführung im August
Im August reisten zwei Mösslein-Mitarbeiter nach Shanghai. Sie zeigten bei einer Vorführung an Wasserreservoirs eines Hochhauses laut Mösslein, "was deutsche Wasserhygiene leisten kann". Danach kam aus China der Wunsch, dass das Lohrer Unternehmen eine Fachtagung organisieren solle. Der 53-Jährige geht davon aus, dass die Chinesen damit abschließend Kompetenz und Leistungsfähigkeit testen wollten.
"Wir mussten auftreten wie ein Global Player", sagt Mösslein. Deswegen hatte man eine ganze Reihe von Referenten im Gefolge. Darunter war neben Oskar Weinig, dem Hygienekontrolleur des Gesundheitsamtes Main-Spessart, auch der ehemalige Lohrer Bürgermeister und aktuelle Kreisrat Ernst Prüße. Er sprach laut Mösslein über die öffentliche Wasserversorgung in Deutschland aus kommunaler Sicht.
Seit 1993 eigene Entwicklung
Das Tagungsprogramm muss den Chinesen gefallen haben. Denn in der Folge verständigte man sich laut Mösslein drauf, dass das Lohrer Unternehmen seine Chemie nach China liefert. Seit 1993 entwickle das Lohrer Unternehmen chemische Produkte zur Reinigung und Desinfektion von Wasserleitungen und -behältern, sagt Mösslein. Dazu beschäftige man Chemieingenieure, arbeite aber auch mit einer mexikanischen Universität und dem Fraunhofer-Institut zusammen. Rund 1000 Tonnen Chemie lässt die Lohrer Firma laut Mösslein pro Jahr nach eigener Rezeptur von Chemie-Konzernen in Deutschland produzieren.
Angst, dass die Chinesen die Ware nur anfangs bestellen, um sie dann geschwind zu kopieren, hat der Geschäftsführer nicht: "Wenn das so einfach wäre, hätten sie es schon längst gemacht." Trinkwasser sei ein sensibles Geschäft, weil es um Gesundheit gehe. Die von der Lohrer Firma entwickelten chemischen Produkte seien mittlerweile in der ganzen Welt zugelassen, von den USA über Russland bis Afrika, sagt der Geschäftsführer. Wer versuche, sie ohne jede Erfahrung einfach zu kopieren, gehe das Risiko von gesundheitlichen Schäden bei den Wassernutzern ein.
Für die Chinesen stehe gerade bei solch gesundheitsrelevanten Produkten das Prädikat "Made in Germany" hoch im Kurs, sagt Mösslein und verweist auf die Vorliebe der Asiaten beispielsweise auch für deutsche Babynahrung. Um sich vor Kopien der eigenen Chemie zu schützen, werde Mösslein diese jedoch ganz sicher nie in China produzieren lassen.

Mösslein erwartet nun mit Spannung, wie sich das Geschäft in China entwickelt. Er spricht von der "Chance auf ein großes Wachstum". Der chinesische Markt biete ein Potenzial, wie es für das bislang vor allem in Deutschland aktive Unternehmen "gar nicht begreifbar" sei.
Vom Oman bis Grönland
Sollte sich das Geschäft mit China nicht wie erhofft entwickeln, sieht Mösslein dennoch optimistisch in die Zukunft. Überall in der Welt rücke die Trinkwasserqualität immer stärker in den Fokus. Erst vor wenigen Wochen war Mösslein im Oman, wo es bei einer Delegationsreise um Anlagen zur Meerwasserentsalzung ging.
Und kurz vor dem Reporterbesuch erhielt der Geschäftsführer einen Anruf aus Grönland. Dort hatte in einem 1200-Einwohner-Ort jemand versehentlich einen Kanister Öl statt Chlor zur Desinfektion ins Leitungsnetz gefüllt – auch das ein Fall für die von Mösslein vertriebene Reinigungs-Chemie.
Mösslein WassertechnikDie heute rund 70 Mitarbeiter zählende Firma Mösslein Wassertechnik wurde 1989 von den Brüdern Günter und Klaus Mösslein sowie Holger Brandt gegründet, den heutigen Geschäftsführern. Günter Mösslein war zuvor Handelsfachwirt in einem Lohrer Industriebetrieb, die beiden anderen waren Mitarbeiter des Lohrer Wasserwerks, einem Vorläufer der heutigen Stadtwerke.
Von Anfang an verstand sich das Unternehmen als Dienstleister rund um Wasserhygiene, vor allem für das Lösen von Ablagerungen und Bakterien. Erste Kunden waren die Stadt Lohr und die Gemeinde Neustadt, erster Firmensitz war im Dachboden des Elternhauses der Mössleins in Rechtenbach. Das Geschäft entwickelte sich stetig. Es kamen die industrielle Wasseraufbereitung beispielsweise bei Lohrer Großbetrieben und das Schwimmbadgeschäft hinzu. Daneben habe man auch die technische Verantwortung für den Betrieb kompletter gemeindlicher Wasserversorgungen übernommen, beispielsweise in Neuendorf, sagt Günter Mösslein. Neueste Nische: Die Firma hat eine Maschine zur Reinigung von Trinkwasserschläuchen konstruiert, wie sie beispielsweise bei Störungen oder auch Märkten und Volksfesten zum Einsatz kommen. Die Firma ist heute im gesamten Bundesgebiet unterwegs, hat aber auch Vertretungen oder Partner in Russland, Rumänien, Skandinavien oder Italien. Den Umsatz beziffert Mösslein auf einen Betrag im oberen einstelligen Millionenbereich.
Der Firmensitz ist in der Dr.-Birkner-Straße direkt unterhalb der Bahnlinie zwischen Lohr und Sackenbach, wo die Platzkapazität laut Mösslein jedoch ausgereizt ist. Das Unternehmen benötige dringend Flächen zur Erweiterung.