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Marktheidenfeld: MSP-Schüler: Wie Lehrer mit Online-Unterricht den Bammel vorm Abi nehmen

Marktheidenfeld

MSP-Schüler: Wie Lehrer mit Online-Unterricht den Bammel vorm Abi nehmen

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    Nicht alle Schulen verwenden dasselbe Programm für ihren digitalen Unterricht. Eine geläufige Plattform ist "mebis" der Landesmedienanstalt Bayern.
    Nicht alle Schulen verwenden dasselbe Programm für ihren digitalen Unterricht. Eine geläufige Plattform ist "mebis" der Landesmedienanstalt Bayern. Foto: Stefan Puchner

    Rainer Emrich würde sich selbst als nicht ganz unbegabten "digital migrant" bezeichnen. Sein technisches Wissen, wenn man es so nennen möchte, sagt er, habe er sich mit Hilfe vom Bruder selbst beigebracht. Emrich, 54 Jahre alt, unterrichtet seit dem Schuljahr 2000/2001 am Lohrer Franz-Ludwig-von-Erthal-Gymnasium. Der Studiendirektor unterrichtet die Fächer Deutsch und Englisch und ist Fachbereichsleiter für das Fach Englisch.

    Seit vor drei Wochen die Schulen bayernweit geschlossen wurden, sind es Lehrer wie Emrich, die die Art ihres Unterrichts umkrempeln und damit den Unterricht aufrechterhalten müssen. Viele der Lehrer sind wie er digital nicht unbegabt, aber eben auch keine ITler. Wie war die Umstellung für sie? Wie hat sich das Lehren verändert? Was halten sie von digitalem Unterricht und hat dieser eine Zukunft auch über Corona hinaus?

    Stundenzahl hat sich deutlich erhöht

    Bei einer normalen Schul- beziehungsweise Arbeitswoche Emrichs flossen bisher etwa zehn bis 15 Stunden in digitale Unterrichtsvorbereitung mit iPad und PCs. Hinzu kamen allgemeine Stundenplanung, Korrektur, Organisatorisches für die Fachbereichsleitung und so weiter. Emrich: "Natürlich hat sich wegen der aktuellen Krisenlage diese Stundenzahl in den vergangenen drei Wochen deutlich erhöht, wie man sich denken kann."

    Seine Arbeit besteht jetzt hauptsächlich in der Kommunikation mit Schülern und Eltern. Als Englisch- und Deutschlehrer stellt er Grammatik-Videos, Info-Grafiken zum Wiederholen und Intensivieren oder Lösungen zu gestellten Aufgaben zur Verfügung. Die lädt er dann gebündelt in einem Wochen-Ordner auf die schuleigene Webcloud hoch. In den meisten Fällen kämen im Laufe des Vormittags die Grammatik-Aufgaben und Übungsaufsätze wieder zu ihm zurück, sagt er. Diese müssen dann korrigiert werden.

    Vor allem durch die Expertise der zuständigen Kollegen hält Emrich den IT-Bereich am Lohrer Gymnasium für sehr gut aufgestellt. Nahezu „blitzartig“ hätten die zum Beispiel eine schuleigene Webcloud eingerichtet, die ihm und seinen Kollegen das Arbeiten enorm erleichtert.

    Abiturienten danken Lehrern in einem Brief

    Wie wichtig die Arbeit von Rainer Emrich und all seinen Kollegen der Main-Spessarter Schulen ist, zeigt sich vor allem bei den Schülern, die bis vor wenigen Tagen kurz vor dem Abitur standen. In der  Diskussion um ein deutschlandweites "Einheitsabitur" – jeder Schüler würde dieselbe Abschlussnote bekommen – zeigte, dass bei vielen Bald-Abiturienten die Nerven blank lagen. 

    Einer, der keine Angst hatte, ist Clemens Baumann. Das liege an seinen Lehrern, sagt Baumann, der die 12. Klasse der FOS/BOS Marktheidenfeld besucht. Sein Zweig: Agrarwirtschaft, Bio- und Umwelttechnologie, kurz ABU. Vor etwa einer Woche haben er und seine Mitschüler in einem Leserbrief ihrer Schule und ihren Lehrern für ihre Arbeit gedankt. Am Telefon sagt Baumann: "Am Freitag, 13., wurde uns gesagt, dass die Schule für fünf Wochen schließt. Wir hatten erstmal Angst. Wir wussten nicht, wie wir den Stoff schaffen sollen."

    Er erzählt, wie schon wenige Stunden nach Schulschluss die ersten Stundenpläne eintrudelten. Am Sonntagabend seien dann die Aufgaben in den Hauptfächern gekommen. Bis Mitte der Woche war das Material auch in den Nebenfächern umfangreich genug, um einen ganzen Schultag zu füllen. Das alles können sich die Schüler über eine Online-Plattform holen.

    Inzwischen gibt es für die wichtigsten Fächer Online-Unterricht, in dem der Lehrer vor der Webcam erklärt und die Schüler zuhören und über ihre Handys Fragen stellen können. Baumann sagt: "Es ersetzt die Schule nicht zu 100 Prozent, aber wenigstens ein bisschen." 

    Digitalerer Unterricht ersetzt den normalen nicht

    Eine interessante Passage aus dem Leserbrief von Baumann und seinen Mitschülern lautet: "Vielleicht entstehen ja auch neue Chancen und Errungenschaften aus dieser ungünstigen Situation: Jetzt ist (gezwungenermaßen) die Zeit der Digitalisierung gekommen, ein lange geforderter, aber zugleich immer wieder hinausgezögerter, technologischer Fortschritt kommt zum realen Einsatz."

    Digitalerer Unterricht – das wäre etwas, das den Schülern gefallen könnte. Diesen Eindruck bekommt man zumindest, wenn man mit Clemens Baumann spricht. "Mir macht es persönlich mehr Spaß, online zu lernen. Die Schule ist nicht mehr so altmodisch." Der digitale Weg habe auch nach der Krise einige Vorteile für Schüler, glaubt Baumann. "Wenn ich krank bin, braucht mir niemand die Unterlagen vorbeibringen." Vor allem in der Berufsschule kämen Schüler oft von weiter her. Außerdem lerne man, seinen Tag selbstständiger einzuteilen. Welch bessere Möglichkeit gebe es denn, sich auf Universität und Arbeitsleben einzustellen?

    Könnte da was dran sein? Was hält Rainer Emrich von solchen Wünschen? Wenig. Wenn man der aktuellen Situation was Positives abgewinnen könne, sagt er, dann sei es die zur Zeit intensive Kommunikation mit Schülern und Eltern: "Der Begriff der 'Schulfamilie' wird wirklich mit Leben erfüllt." Er sieht digitalen Unterricht in keiner Weise als ein Ersatz, höchstens als Ergänzung für den Unterricht in der Klasse. "Wir sollten in Sachen Digitalisierung – obwohl wir zur Zeit sehr darauf angewiesen sind – vor allem im schulischen Bereich äußerst vorsichtig sein und weitergehende Veränderungen oder die Beibehaltung von in 'Notzeiten' Etabliertem nicht unbedacht einfach weiterführen." 

    Emrich sagt, dass er als Lehrer nicht anders behandelt werden möchte als andere Berufsgruppen. "Insbesondere die Eltern und Alleinerziehenden, die neben Familie und Beruf jetzt plötzlich die schulischen Aufgaben ihrer Kinder organisieren müssen, sind die eigentlichen Helden dieser Tage."

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